Warum vegan? Gründe und Gegenargumente
Sich vegan zu ernähren oder vegan zu leben ist eine Entscheidung, die immer mehr Menschen für sich treffen. Laut Ernährungsreport 2021 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ernähren sich inzwischen rund 10 % der Bevölkerung Deutschlands vegetarisch und 2 % vegan. Das sind allein in Deutschland rund 1,7 Millionen Veganer:innen. Was für und ob etwas gegen die vegane Lebensweise spricht, beleuchten wir in diesem Artikel. Doch zunächst eine Begriffsbestimmung.
Vegan – die Definition
Wer sich vegan ernährt, nimmt keine Produkte zu sich, die von Tieren stammen. Neben Fleisch und Fisch, die auch in der vegetarischen Ernährung nicht vorkommen, beinhaltet das auch Milch und Eier sowie alle anderen Produkte und Zutaten, die aus oder von Tieren gewonnen werden. Insekten werden meist mit eingeschlossen, sodass Veganer:innen auch keinen Honig oder (E-)Stoffe, die z. B. aus Läusen gewonnen werden, konsumieren.
Vegan zu leben bedeutet, diese Prinzipien so weit es geht auch auf andere Lebensbereiche wie Kleidung, Kosmetik und Alltagsgegenstände auszuweiten. Wer vegan lebt, greift auf Kunstleder oder Mikrofaserprodukte statt auf Leder zurück, meidet Tierwolle und wählt Kosmetika ohne Tierprodukte und ohne Tierversuche.
Warum vegan? Die ethischen Gründe
Der häufigste Weg zum Veganismus führt über die ethisch motivierte vegetarische Ernährung: Vegetarier:innen essen kein Fleisch und keinen Fisch, weil sie nicht für das Töten/Schlachten von Tieren mitverantwortlich sein möchten. Wenn diese Menschen erfahren, dass auch die Produktion von Milch und Eiern unabhängig von der Haltungsform nicht ohne das Töten von Tieren auskommt, entscheiden sie sich häufig für die vegane Ernährung.
Zur Erläuterung: »Milchkühe« und »Legehennen« werden geschlachtet, sobald ihre »Milch-« bzw. »Legeleistung« nachlässt (meist nach einem Jahr bzw. wenigen Jahren). Zudem werden die Kühe künstlich geschwängert, damit sie Kälber bekommen und Milch geben. Ihre männlichen Nachkommen finden in fast allen Fällen einen sehr frühen Tod (»Kalbfleisch«), während den weiblichen Nachkommen häufig das gleiche Schicksal bevorsteht wie ihren Müttern. In der Eierindustrie kommt hinzu, dass bei der Züchtung von »Legehennen« bis zu 50 % männliche Küken entstehen, die lange Zeit direkt nach dem Schlüpfen aussortiert und lebendig in einen Schredder geworfen oder vergast wurden. Erst seit Anfang 2022 ist diese Praxis in Deutschland offiziell verboten, was zu weiteren Problemen führt.
Neben der Tötungsfrage spielt bei diesen Überlegungen auch die Tatsache eine wichtige Rolle, dass den »Nutztieren« während der Haltung, des Transports und der Schlachtung viel Leid widerfährt. Das gilt sogar für Tierprodukte aus Bio-Haltung, denn deren Tierschutzstandards stehen meist im Widerspruch zum guten Ruf, den diese Produkte (noch?) haben.
Weitere Gründe: Umweltschutz, Welternährung, Gesundheit
Es gibt viele weitere Gründe, die dafür sprechen, sich vegan zu ernähren. Da diese für die meisten Veganer:innen zwar eine wichtige Rolle spielen, aber in der Regel nicht Hauptantrieb sind, seien diese aus Platzgründen hier nur kurz genannt. Die Verlinkungen führen jedoch zu detaillierteren Informationen.
Die vegane Ernährung leistet einen wichtigen Beitrag zur Lösung von Umweltproblemen – seien es die Folgen der Überdüngung oder die Emission von Treibhausgasen. Auch die Ernährungsgerechtigkeit spielt eine Rolle, denn die Tierhaltung geht in aller Regel mit einer großen Verschwendung einher. Das liegt daran, dass die Tiere den größten Teil der ihnen zugeführten Nährstoffe selbst brauchen, um zu wachsen, sich zu bewegen und ihre Körperfunktionen aufrechtzuerhalten. All das produziert keine Lebensmittel. Und schließlich gibt es gesundheitliche Aspekte: Die vegane Ernährung kann helfen, vielen Volkskrankheiten vorzubeugen und sie sogar zu heilen. Zudem ist sie ein Beitrag, den Problemen des Antibiotikamissbrauchs in der Tierhaltung und der Entstehung von Resistenzen entgegenzuwirken.
Die Gegenargumente
Häufig wird die vegane Ernährung und Lebensweise eher unsachlich kritisiert. Es gibt aber auch Gegenargumente, die einen ernsten Kern haben. Wir haben uns einige der häufigsten Einwände angeschaut.
Sind Pflanzen auch fühlende Lebewesen?
Aus ethischer Sicht wird argumentiert, dass auch Pflanzen Lebewesen sind. Manchmal wird zumindest auch die Möglichkeit genannt, dass Pflanzen Schmerzen empfinden könnten (ernstzunehmende Belege dafür sind uns nicht bekannt). Während wir es begrüßen, dass auch Pflanzen in ethische Überlegungen einbezogen werden, sei angemerkt, dass Tiere offensichtlich zu weitaus stärkeren Leiden fähig sind als Pflanzen. Und selbst wenn Pflanzen genauso stark oder stärker leiden würden als Tiere, wäre das sogar ein weiteres Argument für die vegane Ernährung, denn wer Tierprodukte isst, konsumiert (wie oben erläutert) indirekt mehr Pflanzen als jemand, der sich vegan ernährt.
Ist Soja gut oder schlecht?
Als Argument gegen die vegane Ernährung wird angeführt, dass Soja schädlich sei. Tatsächlich ist ein mäßiger Sojakonsum aber gesundheitlich eher positiv zu bewerten. Auch mit der Regenwaldabholzung für den Sojaanbau haben vegane Produkte praktisch nichts zu tun. Wenn Letztere Soja enthalten, dann stammt es meistens aus ökologischem und/oder europäischem Anbau. Soja aus gerodeten Regenwaldgebieten findet dagegen vor allem im Futter für »Nutztiere« Verwendung.
Was ist mit Protein und/oder Sport?
Protein gehört zu den eher unkritischen Nährstoffen. Eine ausreichende Versorgung ist über Hülsenfrüchte, Getreide, Nüsse etc. relativ leicht zu gewährleisten – siehe dazu auch unsere Protein-Informationen.
Auch für Sportler:innen ist eine vegane Ernährung relativ leicht umsetzbar (inklusive Bodybuilding). Eine wachsende Zahl von Profis betont, dass sich Leistungen damit sogar verbessern lassen.
Hat sich unser Gehirn durch Fleischkonsum entwickelt?
Was letztlich dazu geführt hat, dass sich das menschliche Gehirn in der Evolution entwickelt hat, ist nicht abschließend geklärt. Die Theorie, dass die menschliche Erfolgsgeschichte mit vermehrtem Fleischverzehr einherging, wird von Forscher:innen angezweifelt. Höchstwahrscheinlich lag es (wie so oft) an einer Vielzahl von Faktoren. So wird u. a. die Fähigkeit, stärkehaltige Pflanzen zu verdauen, als wichtiger Faktor genannt.
Was vor einigen Millionen Jahren wie relevant für die Evolution war, ist aus heutiger Sicht allerdings sekundär. Stattdessen ist es wichtig, den Körper mit allen Nährstoffen zu versorgen, die heute für ihn essenziell sind – was auch ohne Tierprodukte hervorragend möglich ist.
Ist vegan teuer?
Wie praktisch jede andere Ernährungsform kann die vegane Ernährung sowohl teuer als auch sehr günstig sein.
Ist Fleisch ökologisch?
Aus ökologischer Sicht und im Hinblick auf die Ernährungsgerechtigkeit wird häufig argumentiert, dass einige Tiere (z. B. Kühe und Kaninchen) Gras verstoffwechseln können, wodurch für den Menschen nicht verwertbares Pflanzenmaterial in konsumierbare Produkte wie Milch und Fleisch umgewandelt wird. Das ist zwar richtig, aber es werden dabei mehrere andere Aspekte ignoriert: Neben der Tötungsfrage wird die Tatsache ausgeklammert, dass sich durch Weidetiere nur kleine Mengen Fleisch und Milch produzieren lassen. Da aber der weltweite Konsum dieser Produkte derzeit ein Vielfaches dessen beträgt, was durch Weidetiere produziert werden kann, ist es der beste Beitrag eines jeden einzelnen Menschen – der das Töten von Lebewesen für sich rechtfertigen kann – diese Produkte zumindest so lange nicht zu konsumieren, bis der weltweite Konsum auf das entsprechende Niveau abgefallen ist. Ansonsten fördert man direkt oder indirekt intensivere Tierhaltungsformen, bei denen für den Menschen verwertbare Lebensmittel verschwendet werden.
Ist Essen eine persönliche Entscheidung?
Zur Entscheidung, ob man Fleisch oder Fisch isst, gehören immer zwei: Das Lebewesen, das isst, und dasjenige, das gegessen wird. Auch bei anderen Tierprodukten trifft man die Entscheidungen für andere fühlende Lebewesen mit. Was genau die Konsequenzen für die Tiere sind, fassen wir in unseren Informationen über die Tierproduktion zusammen.
Was rechtfertigt Intelligenz?
Manchmal wird vorgebracht, unsere relativ hohe Intelligenz würde es rechtfertigen, weniger intelligente Tiere zu mästen und zu töten. Dass das zu kurz gedacht ist, zeigen zwei Überlegungen:
- Heißt das auch, dass wir geistig behinderte oder uns anderweitig unterlegene Menschen nutzen/töten dürfen?
- Würden wir das Intelligenz-Argument noch verwenden, wenn besonders intelligente Außerirdische bei uns landen und uns essen wollen?
Anstatt sich auf das Recht des Stärkeren/Intelligenteren zu berufen, schlagen wir vor, unsere relativ gut ausgeprägte Fähigkeit, ethisch und moralisch zu handeln, auch zu nutzen. Mehr Größe zeigt, wer aus seiner oder ihrer Überlegenheit gewisse Pflichten ableitet.
Ein verwandtes Thema: Vermeintlich wenig intelligente Tiere zu Ernährungszwecken auszusuchen, ist nicht zielführend. Die viel wichtigeren Fragen sind, ob die Tiere leiden können und einen Lebenswillen haben, was für Wirbeltiere außer Frage steht und auch für viele Wirbellose gilt.
Wie gut geht es Bio-Tieren?
Auch die Bio-Branche produziert unter Kostendruck und bei der Entwicklung der Bio-Richtlinien spielte das Tierwohl eine relativ geringe Rolle. Sicherlich sieht es nicht überall so schlimm aus, wie auf der Seite www.biowahrheit.de zu sehen ist, aber die dort gezeigten Zustände sind leider sehr häufig anzutreffen.
Schließlich steht selbst bei vorbildlichen Bedingungen am Ende das ethische Problem des unnötigen Tötens.
Verlaufen Schlachtungen schnell und schmerzlos?
Fehlbetäubungen und immenses Leid gehören leider zum Alltag in der Schlachtbranche, wie u. a. diese Doktorarbeit aufzeigt.
Darüber hinaus müssen die Tiere vor der Schlachtung fast immer lange und problematische Tiertransporte sowie eine qualvolle Zucht und Mast erleiden.
Gäbe es zu viele Tiere, wenn wir sie nicht essen würden? Würden sie aussterben?
Die erste Frage lässt sich schnell verneinen: Die hohe Zahl der »Nutztiere« ist eine Folge der Zucht. Da der Tierproduktkonsum nicht von heute auf morgen, sondern nur über längere Zeiträume zurückgehen kann, würden im Laufe der Zeit einfach immer weniger »Nutztiere« gezüchtet werden.
Wenn niemand mehr Tierprodukte konsumiert, würden die Zuchtlinien, die speziell für die Produktion von Fleisch, Milch und Eiern gezüchtet werden, in der Tat aussterben. Da diese erst durch Menschenhand entstandenen Linien meistens mehr oder weniger starke Qualzuchten sind, wäre die Einstellung der Zucht und ein damit verbundenes Aussterben dieser Zuchtlinien aus ethischer Sicht durchaus zu begrüßen.
Sind Tierprodukte natürlich?
Oft wird aus gesundheitlicher Sicht argumentiert, dass eine »natürliche« Ernährung tierliche Produkte enthalten müsse. Dazu ist zu sagen, dass unsere Ernährung und auch unser sonstiges Leben inzwischen völlig unnatürlich ist – unabhängig davon, ob man tierliche Produkte konsumiert oder nicht. Die Frage nach der Natürlichkeit ist also die falsche Frage. Die richtige Frage ist, ob die rein pflanzliche Ernährung gesund sein kann. Dies ist eindeutig zu bejahen, wie z. B. das Positionspapier der US-amerikanische Academy of Nutrition and Dietetics (A.N.D.) zu vegetarischen Ernährungsformen zeigt.
Ist Töten Teil der Natur?
Manche Menschen erklären, dass das Töten Teil der Natur sei. Zwar ist oder war der Mensch selbstverständlich auch Teil der Natur. Aber ein Hauptmerkmal, das den Menschen von anderen Tieren unterscheidet, ist seine Fähigkeit zur ethischen Reflektion und Abwägung. Während ein Löwe keine Wahl hat und töten muss, um zu überleben, haben wir praktisch immer eine Wahl (vorausgesetzt, es herrscht keine gravierende Lebensmittelknappheit). Wir müssen Tieren weder Leid noch den Tod zumuten, damit wir etwas zu essen haben. Deshalb können wir die ethische Entscheidung treffen, durch unseren Konsum das Mästen und Schlachten von Tieren nicht mehr zu unterstützen.
Spricht das Thema Vitamin B12 gegen die vegane Ernährung?
Wer sich vegan ernährt, sollte auf eine ausreichende Versorgung mit Vitamin B12 achten. Diese lässt sich z. B. über Nahrungsergänzungsmittel oder angereicherte Zahnpasta abdecken (B12 wird u. a. über die Mundschleimhäute aufgenommen, sodass Zahnpasta ausreicht). Bevor man aus der B12-Thematik ein Argument gegen die vegane Ernährung macht, sollte man bedenken, dass »Nutztier«-Futter meistens mit verschiedenen Vitaminen und Mineralstoffen angereichert wird – u. a. mit Vitamin B12.
Vegan – der Weg
Den wenigsten Menschen gelingt die Umstellung auf eine vegane Ernährungs- oder Lebensweise von heute auf morgen. Wenn Sie sich auf diesen Weg begeben möchten, helfen wir Ihnen gerne dabei. Über unsere Vegan Taste Week versorgen wir Sie per E-Mail kostenlos mit umfassenden Informationen, Rezepten und (Einkauf-)Tipps. Tragen Sie sich gleich ein – die erste E-Mail erreicht Sie in wenigen Minuten: