Mastrinder
Rinder sind soziale Tiere. Unter natürlichen Bedingungen leben sie in familiären Herden von 20 oder auch mehr Kühen und ihren Jungtieren, wobei die männlichen Tiere (Bullen) ihre Herde im Alter von rund zwei Jahren verlassen, um allein oder in kleineren Gruppen (bis zu 3 Artgenossen) zu leben. Im Jungtieralter verbringen die Tiere ihre Zeit häufig mit sozialem Spiel, z. B. indem sich zwei Kälber aneinander stoßen oder gegenseitig jagen. Die in dieser Zeit geschlossenen Freundschaften werden oft auch noch im Erwachsenenalter aufrechterhalten. Man kann bei Rindern häufig beobachten, wie bestimmte Artgenossen wiederholt zusammen liegen oder gegenseitige Körperpflege betreiben. In ihren natürlichen Lebensräumen, Wäldern und Steppen, legen Rinder täglich mehrere Kilometer zurück, indem sie im langsamen Vorwärtsgang Gras und Kräuter abgrasen, und das etwa 10 Stunden am Tag. Diesen Drang nach Bewegung können sie in Intensivtierhaltung nicht ausleben – in der Anbindehaltung etwa sind sie sogar dazu gezwungen, permanent auf ein und derselben Stelle auszuharren.
»Mastrinder« in der Intensivtierhaltung
Derzeit werden in Deutschland rund 11,6 Mio. Rinder gehalten – darunter rund 1,9 Mio. »Mastrinder« (Stand 2019). Dabei handelt es sich hauptsächlich um Bullen (unkastrierte männliche Rinder) – wesentlich seltener werden aber auch Ochsen (kastrierte männliche Rinder), Färsen (weibliche Rinder, die noch kein Kalb geboren haben) und vereinzelt auch »unproduktiv« gewordene »Milchkühe« zur Fleischproduktion gemästet. Die meisten Rinder (aller Nutzungsrichtungen) leben in Betrieben mit 200 bis 499 Tieren. Der größte Anteil der männlichen »Mastrinder« lebt in Betrieben mit einer Herdengröße von 100 und mehr Tieren.
In Deutschland werden in der Rindermast in erster Linie Zweinutzungsrassen eingesetzt (d. h. Rassen, die nicht für einen einzigen Leistungszweck gezüchtet wurden, sondern – wie beispielsweise im Fall von weiblichen Rindern – sowohl für die Fleisch- als auch die Milchproduktion eingesetzt werden können; v. a. Deutsches Fleckvieh). Daneben werden sowohl Milchnutzungsrassen (v. a. männliche Tiere, die als Abfallprodukt der Milchindustrie anfallen) als auch reine Fleischrassen (v. a. Charolais und Limousin) gemästet – letztere sind anders als die (rein) milchbetonten Rassen darauf ausgerichtet, möglichst schnell möglichst viel Muskelmasse auszubilden. Die Intensivmast ausgewachsener Rinder dauert weniger als 400 Tage, wobei die Tiere in der Regel ein Mastendgewicht von 680 bis 750 kg erreichen. Während weibliche »Mastrinder« durchschnittlich 1 kg pro Tag zunehmen, wächst die Körpermasse von Bullen täglich sogar bis zu 1,5 kg.
Etwa 83 % aller Rinder in Deutschland leben in Laufstallhaltung (Stand 2020). Rinder sind Weichbodengänger und bevorzugen somit weiche und verformbare Böden für einen sicheren Gang. Bei der Mastbullenhaltung sind häufig jedoch noch die altmodischen Vollspaltenbodenställe anzutreffen, die lediglich mit harten Vollspaltenböden aus Beton – ohne Einstreu oder Gummibelag – ausgestattet sind. Da diese Böden sowohl den ganzen Ess- und Bewegungsbereich als auch den Liegebereich abdecken, kommt es bei den Tieren häufig zu Ausrutschen, Klauenverletzungen, Druckschäden, Liegebeulen und anderen Körperschäden. Ein ausgewachsene Bulle hat in konventioneller Haltung nur ca. 2,7 Quadratmeter Platz zur Verfügung. Um das bei dieser Enge bestehende Verletzungsrisiko zu senken, werden Rindern (sofern sie nicht hornlos gezüchtet wurden) im Kälberalter oftmals prophylaktisch die Hornanlagen entfernt (Details s. u.).
Obwohl es sich bei der Anbindehaltung um eine immer seltener werdende Haltungsform handelt, leben 10 % der Rinder in Deutschland unter diesen artwidrigen Haltungsbedingungen (Stand 2020). Rinder, die für die Mast vorgesehen sind, betrifft diese jedoch seltener, zum Beispiel wenn sie in Milchbetrieben mit freien Ständen gehalten werden. Über Halsrahmen oder Ketten werden die Tiere in Gittervorrichtungen festgehalten, die – im Fall des Kurzstandes – lediglich 120-140 cm lang und 70-100 cm breit sind. Permanent an ein und dieselbe Stelle gebunden, sind die Tiere nicht fähig, sich um ihre eigene Achse zu drehen, zu gehen oder natürliches Sozialverhalten mit ihren Artgenossen auszuleben. Oft haben auch Rinder in Anbindehaltung keine Einstreu zur Verfügung und müssen auf Gummimatten ruhen, wobei sie bei schlechter Pflege durch den Tierhalter in ihren eigenen Exkrementen liegen. Außerdem werden die Rinder immer großrahmiger gezüchtet und sind dadurch für alte Stallanlagen zu lang. Sie müssen dann mit den Hintergliedmaßen auf den Kotgittern oder im Mistgraben stehen, was zu pathologischen Klauenveränderungen (Druckstellen, Sohlen-Ballen-Geschwüre) führen kann.
Auslauf ins Freie bekommen die Tiere in der konventionellen Haltung meist nicht (weder in der Laufstallhaltung noch in der Anbindehaltung). Nur etwa 34 % der Rinder in Deutschland haben Weidegang – und das für durchschnittlich nur 6,4 Monate im Jahr (Stand 2020). Bullen werden aufgrund einer erhöhten Ausbruchgefahr in der Regel nicht nach draußen gelassen.
Die in konventionellen Milchbetrieben geborenen Kälber, die ihres Kalbfleisches wegen aufgezogen werden (überwiegend männliche Kälber), werden innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt von ihren Müttern getrennt. Die neu geborenen Kälber erhalten die Milch dann nicht mehr aus dem Euter der Mutterkuh sondern aus Behältern mit einer Saugvorrichtung. Sie werden schnellstmöglich an Kälbermastbetriebe verkauft.
Mastkälber werden in ihren ersten Lebenswochen meist in engen Einzelboxen mit einer Länge von 160 bis 180 cm und einer Breite von ca. 100 cm gehalten. Natürlicher Kontakt zum Muttertier wird unterbunden und der Kontakt zu gleichaltrigen Artgenossen wird ihnen in dieser Zeit permanent verwehrt – nur durch die durchbrochenen Seitenwände der Boxen hindurch können sich die Kälber sehen und ansatzweise beschnuppern. Erst ab der 8. Lebenswoche ist die Gruppenhaltung von Kälbern vorgeschrieben, in der die Tiere in Buchten mit einem geringen Platzangebot von 1,5 bis 1,8 Quadratmeter pro Tier gehalten werden – in kleinen Betrieben ist aber auch für dieses Alter Einzelhaltung erlaubt.
In der konventionellen Kälbermast werden die Kälber mit Milchaustauscher (d. h. Muttermilchersatz aus Molkepulver und Wasser, häufig wird aus Kostengründen pflanzliches Eiweiß beigemischt) und Kraftfutter gefüttert. Um das besonders helle Kalbfleisch zu erhalten, werden die Jungtiere hauptsächlich mit Milchaustauschern und nur der Mindestgabe an Heu gefüttert. Ab dem 8. Lebenstag muss zwar Rauhfutter angeboten werden, dennoch erhalten viele Kälber nicht ausreichend wiederkäuergerechtes rohfaserreiches Material. Die Eisenversorgung durch den Milchaustauscher ist nur im unteren Mindestbereich vorgeschrieben und kann, da das Rauhfutter in ausreichenden Mengen fehlt, auch nicht dadurch ergänzt werden. Es gibt verschiedene Gründe warum den Tieren strukturiertes Rauhfutter nur in kleinen Mengen gefüttert wird, man möchte hauptsächlich neben der Farbe des Muskelfleisches, die Entwicklung des Pansens und der darin lebenden Mikroorganismen so wenig wie möglich fördern. Damit die Kälber nicht das Stroh aus der Einstreu essen, werden sie meist auf Gummimatten gehalten. Diese unphysiologische Fütterungsweise bleibt bei den Jungtieren nicht ohne Konsequenzen: So zeigen viele Kälber Verhaltensauffälligkeiten wie ein unbefriedigtes Saugbedürfnis mit Zungenrollen und Gesundheitsprobleme, die unter anderem durch eine Anämie (Blutarmut) verursacht werden, sowie Labmagenläsionen. Es wurde ein Mindestgehalt an Eisen im Milchaustauscher gesetzlich vorgeschrieben.
Kälber werden innerhalb von 13 bis 16 Wochen teilweise auf mehr als das Dreifache ihres Ausgangsgewichtes gemästet. Mit einem Gewicht von 130 bis 200 kg und einem Alter von weniger als fünf Monaten sind sie schlachtreif. In Deutschland endeten im Jahr 2019 323.125 Kälber im Schlachthof.
Diese Bestandszahl für Rinder in der Mast setzt sich folgendermaßen zusammen (Stand 2019):
- 890.914 Rinder 1 bis unter 2 Jahre, männlich
- 194.539 Rinder 1 bis unter 2 Jahre, weiblich, zum Schlachten
- 88.717 Rinder 2 Jahre und älter, männlich
- 38.246 Rinder 2 Jahre und älter, weiblich (nicht abgekalbt) zum Schlachten
- 639.692 sonstige Kühe
- Darüber hinaus werden noch über 3.5 Mio. Kälber und Jungrinder gehalten, denen entweder eine Zukunft in der Fleischproduktion (Rindermast oder frühzeitige Schlachtung) oder in der Milchproduktion bevorsteht.
Zurückdrängung der Grundbedürfnisse
Zu den Grundbedürfnissen von Rindern gehören Erkunden, Gehen, Galoppieren, Grasen, Ruhen, eigene Körperpflege und vielfältige soziale Verhaltensweisen. In der Intensivtierhaltung wird den Tieren das Ausleben vieler dieser arteigenen Bedürfnisse unmöglich gemacht, zumal die Tiere dort gezwungen sind, unter extrem unnatürlichen Umständen zu leben. Dies führt bei den Rindern in der Mast nicht selten zu Verhaltensstörungen und körperlichen Schäden. Details zur Zurückdrängung verschiedener Grundbedürfnisse von Rindern (bezüglich Nahrungssuche, Körperpflege, Ruhe- und Sozialverhalten) finden Sie in unserem Artikel zur Milchkuhhaltung.
Körperliche Leiden und Schäden
Generell kommt es aufgrund der schlechten Haltungsbedingungen in der Intensivtierhaltung bei vielen Rindern zu verschiedenen Krankheiten und auch zu Verletzungen, was (besonders im Kälberalter) zu einem frühzeitigen Tod der Tiere führen kann. In Hinblick auf eine möglichst effiziente Fleischproduktion werden manche Fleischrassen (insbesondere die Rasse weißblaue Belgier) zudem derart überzüchtet, dass sich die sogenannte Muskelhypertrophie bzw. Doppellendigkeit (= doppelte Lenden) einstellt – ein Gendefekt, der (besonders an den Hintergliedmaßen) zu einem ungehemmten Muskelwachstum führt. Dies bedingt häufig, dass das Skelett oder die inneren Organe der überdimensionalen Muskelmasse nicht Stand halten können und sich Schäden wie Gelenkdeformationen einstellen. Zudem ist bei diesen Tieren eine Geburt auf natürlichem Wege (ohne Kaiserschnitt) kaum noch möglich, da die Kälber bereits im Mutterleib eine unnatürliche Größe aufweisen. Solche Rassen werden in Deutschland jedoch eher selten eingesetzt.
Folgende Gesundheitsstörungen sind bei »Mastrindern« besonders häufig:
- Klauenrehe (Entzündung der Klauenlederhaut)
- Erkrankungen der Verdauungsorgane (Pansenübersäuerung und Labmagenverlagerung)
- Diverse Stoffwechselerkrankungen (Ketose, Leberverfettung)
- Hautschäden (durch Kontakt mit Exkrementen und Teilen der Stalleinrichtung)
- Gelenk- und Klauenverletzungen (durch Steckenbleiben in Vollspaltenböden)
- Entzündete Schwanzspitzen (durch Trittverletzungen)
- Deformationen der Gelenke (durch herabgesetzten Knochenanteil)
- Fertilitätsstörungen
- Atem- und Lungenprobleme (durch herabgesetzte Herzgröße und -funktion)
Schlachtung
Sobald die Rinder ihr Mastendgewicht erreicht haben, werden sie zum Schlachthof abtransportiert. Die Tiere sind zu diesem Zeitpunkt erst ein oder zwei Jahre alt. Geschlachtet wurden im Jahr 2019 in Deutschland 1,3 Mio. Bullen und Ochsen und etwa 573.000 Färsen. Unter welchen Bedingungen diese Tiere sterben, erfahren Sie in unserem Artikel zur Milchkuhhaltung.
Vermeidbarkeit und Forderungen
Um das Leid der Rinder möglichst gering zu halten, müssen in der konventionellen Haltung zumindest die folgenden Änderungen eingeführt werden:
- Kein Einsatz von Hochleistungsrassen (zur Reduzierung der körperlichen Leiden)
- Verbot der Anbindehaltung und deutliche Erhöhung des Gesamtplatzangebotes in Laufställen (zur Ermöglichung von artgemäßem Sozialverhalten und von Bewegungsfreiheit)
- Deutliche Erhöhung der Raufuttergabe (zur natürlichen Nahrungsaufnahme und Verhinderung von Stoffwechselerkrankungen)
- Dauerhafter Weidegang in der Vegetationszeit und regelmäßiger Winterauslauf im Laufhof (zur Bewegung und Beschäftigung sowie zur Ermöglichung des natürlichen Essverhaltens und des Auslebens sozialer Verhaltensweisen)
- Verbot der Vollspaltenböden und Gewährleistung von Einstreu in den Liegebereichen (zur Ermöglichung artgemäßen Ruhens und zur Verbesserung der Körperhygiene)
- Ausstattung der Böden mit Gummibelägen (zur Ermöglichung artgemäßen Gehens und der Vermeidung von Klauenverletzungen)
Zudem fordert die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt ein generelles Verbot der Enthornung sowie der Kastration, da diese – in der gängigen Praxis ohne Betäubung vollzogenen – Praktiken wissenschaftlichen Studien zufolge als äußerst schmerzhaft einzustufen sind. Die Enthornung wird bei Kälbern im Alter von unter 6 Wochen durchgeführt, indem ihnen mit einem heißen Enthorngerät die Hornanlagen ausgebrannt werden. Bei der Burdizzo-Kastration – einer der gängigsten Kastrationsmethoden – werden die Samenstränge der unter 4 Wochen alten Kälber eine Minute lang mit einer Burdizzo-Zange gequetscht, was zu akuten Schmerzen während des Eingriffs führt, die noch bis zu 3 Stunden danach anhalten können.
Insgesamt betrachtet widersprechen die aktuellen Bedingungen der konventionellen Rinderhaltung den Gedanken von § 2 Nr. 1 und Nr. 2 des Tierschutzgesetzes, nach denen Tiere ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend angemessen gehalten werden sollen und die Möglichkeit der Tiere zur artgemäßen Bewegung nicht so eingeschränkt werden darf, dass ihnen Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Verbesserungen der bestehenden Haltungssysteme sind dringend geboten.
Was können Sie tun?
- Essen Sie kein konventionell erzeugtes Rindfleisch, wenn Sie nicht zu den oben beschriebenen Zuständen beitragen möchten. Leider ist auch das Ausweichen auf Bioprodukte nicht automatisch eine gute Lösung, da auch in Biohaltung »Mastrinder« häufig unter schlechten Bedingungen leben und sterben müssen und zudem auch hier letztlich das ethische Problem des unnötigen Tötens bestehen bleibt.
- Besuchen Sie unsere Vegan Taste Week, um sich wertvolle Tipps zum Einstieg in eine tierfreundliche Ernährung zu holen.
- Helfen Sie uns bei unserem Einsatz gegen die Massentierhaltung.
Zahlenquellen
Die Zahlen zum Tierbestand, zu den Haltungen und zur Schlachtung beruhen auf Angaben des Statistischen Bundesamtes.
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