Gänse

Gänse sind gesellige Vögel. Sie kommunizieren mithilfe zahlreicher Laute und Bewegungen miteinander und erkennen sich individuell. Die Vögel lernen schnell und verfügen über ein gutes Gedächtnis. Wildgänse gehören zu den Zugvögeln und sind im Stande, weite Strecken zurückzulegen. Domestizierte Hausgänse sind dagegen Weidetiere und flugunfähig, können aber dank ihrer kräftigen Beine täglich viele Kilometer laufen. Haus- wie Wildgänse haben darüber hinaus Schwimmhäute zwischen den Zehen und sind in der Lage zu schwimmen.

Hausgänse leben, während sie ihre Nachkommen ausbrüten und aufziehen, in kleinen Familiengruppen zusammen. Diese bestehen aus einem Ganter (männliche Gans) sowie mehreren weiblichen Gänsen und ihren Jungtieren, auch »Gössel« genannt. Unter natürlichen Bedingungen können Gänse ein Alter von mehreren Jahrzehnten erreichen; Mast- oder Zuchtgänse werden dagegen schon nach wenigen Monaten oder Jahren getötet.

Leben in der Massentierhaltung

Gänse werden für die Erzeugung von Fleisch, Schmalz, Federn oder Fettlebern gehalten. In Deutschland konzentriert sich die Gänsehaltung vor allem in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bayern und Sachsen. 2016 schlüpften hierzulande etwa eine Million Gänseküken.

In Deutschland produzieren die Gänsehalter nur etwa 14 % des hier konsumierten Gänsefleisches. Der Großteil wird importiert: Im Jahr 2013 bezog Deutschland rund 24.500 Tonnen Gänsefleisch aus europäischen Ländern. Der größte europäische Gänseproduzent ist Ungarn; das Land exportiert vor allem Stopfleberprodukte. Polen liegt auf dem zweiten Platz und hat seine Erzeugung innerhalb der letzten Jahre enorm gesteigert. Weltweit ist China führend: das Land produziert knapp 95 % des weltweit erzeugten Gänsefleisches.

Haltungsbedingungen

In Deutschland gilt die Europarats-Empfehlung zur Haltung von Hausgänsen aus dem Jahr 1999. Die darin enthaltenen Vorgaben sind zwar verbindlich, die Empfehlung als solche ist jedoch sehr allgemein formuliert. In Deutschland ist die Weidehaltung üblich, wenn auch fast immer ohne Zugang zu Bademöglichkeiten.

In Ungarn, Polen und Frankreich überwiegt hingegen die intensive Gänsehaltung. Große Tiergruppen von tausend Tieren und mehr leben dort in geschlossenen Ställen ohne Rückzugs- oder Ausweichmöglichkeiten. Zuweilen sind sogar Einzel- oder Gruppenkäfige üblich. Das häufig schlechte Stallklima führt zu Entzündungen der Atmungsorgane. Auch Spalten- oder Drahtgitterböden kommen zum Einsatz. Diese führen zu Befiederungsstörungen, Verletzungen und Beinschäden.

Mastverfahren

Es gibt drei übliche Mastverfahren, die sich vor allem in der Mastdauer unterscheiden. Allen Verfahren gemeinsam ist eine Phase der intensiven Fütterung. Die Schnellmast ist in Deutschland eher unüblich, es überwiegen die Intensiv- und die Weidemast.

Schnellmast

Die Schnellmast erfolgt innerhalb von acht bis zehn Wochen mit hochkonzentriertem Futter. Dieses Verfahren nutzt das intensive Wachstumspotenzial der Küken aus. Die verkürzte Mastdauer soll Futterkosten sparen. Die Tiere sind dabei meist in geschlossenen Ställen ohne Auslauf, Weidezugang oder Bademöglichkeiten untergebracht.

Die höchstens zweieinhalb Monate alten Junggänse aus der Schnellmast dienen der Erzeugung von Gänsebraten. Die Schlachtung erfolgt noch vor ihrem ersten Federwechsel (auch Mauser genannt) und damit vor dem frühstmöglichen Zeitpunkt der Federgewinnung. Federn fallen bei diesem Mastverfahren also nur als Nebenprodukt nach der Schlachtung an.

Intensivmast

Bei der 16-wöchigen Intensivmast nehmen die Gänse anfangs etwas langsamer zu; auf lange Sicht sollen die Tiere möglichst viel Brustfleisch ansetzen. Außerdem werden hier Federn bzw. Daunen gewonnen (siehe unten). Die Tiere leben entweder durchgehend in Ställen oder auf der Weide und werden dann abendlich zugefüttert. In den letzten vier Wochen vor der Schlachtung sind auch die Tiere aus der Weidehaltung in Stallungen untergebracht; dort haben sie aufgrund ihrer Größe häufig nur wenig Platz zur Verfügung.

Weidemast

Die Gänse leben in diesem Mastverfahren 30 bis 32 Wochen. Nach einer mehrwöchigen Aufzuchtphase im Stall ohne Auslauf werden die Jungtiere schrittweise an die Freilandhaltung auf der Weide gewöhnt.

In den letzten Wochen vor der Schlachtung erfolgt auch hier eine intensivere Mast. Die Gänse sollen ein Schlachtgewicht von etwa 7 kg erreichen und nehmen dafür insgesamt ca. 140 kg Grünfutter und etwa 28 kg Kraftfutter zu sich. Diese Mast dient vor allem der Erzeugung der sogenannten Weihnachtsgänse. Körperteile, die sich in Deutschland schlecht vermarkten lassen – etwa Füße, Flügel und Hälse – werden nach Asien exportiert.

Zucht und Vermehrung

Bei der Zucht von Gänsen steht wie bei allen wirtschaftlich genutzten Tieren die stetige Leistungssteigerung im Vordergrund. Der Fokus liegt auf hohen Zucht- und Mastleistungen sowie einer Federproduktion von 200 bis 300 g pro Tier und Jahr. Die Mastdauer lässt sich bei Gänsen allerdings kaum noch weiter verkürzen, da ihr Brustmuskelwachstum relativ spät einsetzt. Deswegen steht bei der Zucht eine immer effizientere Futterverwertung im Vordergrund. Seit einigen Jahren soll außerdem (den Wünschen der Verbraucher:innen folgend) der Anteil der Bein- und Brustmuskulatur steigen.

Hybridzucht

Für die intensive Daunen- und Fleischproduktion verwendet man spezielle Zuchtlinien, also genetisch besonders ähnliche Tiere mit bestimmten Eigenschaften, wie die häufig eingesetzte »White Koluda«. Allerdings finden mittlerweile insbesondere Masthybride zunehmend Eingang in die internationale Gänseproduktion. Das sind Kreuzungen aus verschiedenen Hausgänsen und wilden Kanada- oder Graugänsen. Bei diesen Gänsehybriden unterscheidet man zwischen »Fleischtypen« für die Mast und »Lebertypen« für die Stopfleberproduktion.

Zunehmende Spezialisierung in der Produktion

Ebenso wie bei Hühnern und Puten ist auch die Gänseproduktion auf verschiedene Produktionsrichtungen spezialisiert. Es gibt Zucht- und Vermehrungsbetriebe, Brütereien sowie Mastbetriebe. Neben der natürlichen Begattung spielt die künstliche Besamung eine immer größere Rolle bei der Zucht und Vermehrung. Während die künstliche Besamung zunächst bei Zuchttieren mit Penisnekrosen oder Kloakenentzündungen zum Einsatz kam, nimmt ihre Bedeutung seit Jahren auch bei gesunden Tieren zu.

Spermagewinnung und künstliche Besamung

Für die Spermagewinnung ist eine sexuelle Stimulierung der Ganter mittels kräftiger Massage nötig. Um die Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten, werden die männlichen Tiere regelmäßig fachsprachlich »gemolken«. Das Sperma kann einige Stunden bis zur Besamung der weiblichen Tiere gelagert werden. Bei der Besamung wird die Gans an Flügeln Kopf und Hals fixiert. Der sogenannte »Inseminator« führt das Besamungswerkzeug entlang seines Fingers in die Kloake ein, um das Sperma in den Geschlechtsapparat zu befördern.

Bei einer anderen Technik wird die Gans auf den Rücken gedreht. Dieses Verfahren belastet die Gänse noch erheblicher; sie zeigen während dieser Besamungstechnik außerdem einen häufigeren Kotabsatz, was das Risiko für Infektionen erhöht.

Eierproduktion

2016 wurden in Deutschland 1,5 Millionen Gänsebruteier produziert. Die Zuchtgänse legen die Eier zwar in Nester, dürfen sie aber nicht ausbrüten: das übernehmen vollautomatisierte Brutautomaten.

Die Zeit der Fortpflanzung bei Hausgänsen ist ebenso wie bei Wildgänsen saisonal, dauert jedoch deutlich länger. Um mehr Bruteier zu erhalten, verdunkeln einige Gänsezuchtbetriebe die Ställe für 20 bis 40 Tage. So versuchen sie, eine zusätzliche Legeperiode zu stimulieren. Da Gänse aber auf ihren ausgeprägten Sehsinn angewiesen sind, beeinträchtigt dieses Vorgehen deren Wohlbefinden stark. Davon abgesehen ist wissenschaftlich nicht bestätigt, dass sich lange Dunkelphasen tatsächlich auf die Fruchtbarkeit auswirken.

Stopfleberproduktion

© Animal Equality

Gänse haben die Fähigkeit, überschüssige Nahrung durch die Einlagerung von Fett in die Leber als Reserve zu speichern. Diese anatomische Besonderheit von Wasservögeln nutzt man zur Produktion von Stopfleber (»foie gras«).

Für die Verfettung der Leber werden große Mengen Nahrungsbrei in die Mägen der Tiere gepumpt. Diese Prozedur müssen die Gänse etwa 16 bis 22 Tage lang zwei- bis dreimal täglich über sich ergehen lassen. Sie ist in Deutschland zwar verboten, die auf diese Weise hergestellten Produkte dürfen aber aus anderen EU-Ländern wie Frankreich oder Ungarn importiert werden. 2016 hat Deutschland knapp 64 Tonnen Stopfleber aus diesen Ländern importiert.

Feder- und Daunenproduktion

Feder- und Daunenproduktion
© PETA-Asia

Die Federindustrie gibt an, dass ein Großteil der weltweit produzierten Federn und Daunen ein Nebenprodukt sei, das bei der Schlachtung von Mastgänsen anfalle. Es ist jedoch gängige Praxis, Federn und Daunen auch lebenden Gänsen zu entnehmen: Angaben der Federindustrie zufolge stammen beispielsweise 10 % der in Ungarn gewonnenen Federn von lebenden Gänsen.

Mastgänse können (außer in der Schnellmast) zwei bis vier Mal vor der Schlachtung der Federgewinnung dienen. Gänse in der Stopfleberproduktion werden meist vor Beginn der Zwangsfütterungsphase und Zuchtgänse insgesamt sogar bis zu 15 Mal in ihrem Leben zu diesem Zweck genutzt.

Mauser

Da Gänse zu den Entenvögeln gehören, mausern sie sich einmal jährlich und erneuern so ihr Federkleid. Jungtiere wechseln ihr Gefieder erstmals mit zehn Wochen und anschließend alle sechs Wochen.

Im Zuge der Mauser wird die Feder nicht mehr mit Blut und Nährstoffen versorgt. Sie ist nicht mehr fest in der Haut verankert und fällt aus, da sie von der nachwachsenden Feder verdrängt wird. Komplexe Hormonsysteme regulieren diesen Federwechsel und führen dazu, dass die Gänse in dieser Zeit stressanfälliger und empfindlicher sind.

Lebendfedergewinnung

Das Herauskämmen der reifen Federn während der Mauser, das sogenannte »Raufen«, ist in der EU erlaubt. Es wird behauptet, dass dieser Vorgang schmerzlos für die Tiere sei. Allerdings kann man dabei nur einen Teil des Gefieders ohne Schmerzen entnehmen, da die verschiedenen Federn zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Mauser reif werden. Zudem mausern sich die Vögel einer Herde nicht exakt zur selben Zeit. Werden den Vögeln dementsprechend unreife, noch durchblutete Federn aus der Haut gerissen, entstehen blutige Verletzungen der Haut und somit Schmerzen. Ein weiteres Problem ist der Zeitdruck beim Umgang mit den Tieren: In Großställen mit mehreren tausend Gänsen bleiben nicht mehr als sechs bis zwölf Minuten pro Gans. Somit kann bei der heute üblichen Vorgehensweise von einer leidfreien Feder- und Daunenproduktion keine Rede sein.

»Lebendrupf«

Lebendrupf
© PETA-Asia

Noch problematischer als das »Raufen« ist der sogenannte »Lebendrupf«: Das Rupfen (teils mittels Maschinen) geschieht unabhängig vom Zeitpunkt der Mauser und führt zu Hautverletzungen, blutenden Federscheiden und Schmerzen. Das Ausrupfen der Rückenfedern ist besonders schmerzhaft, denn dafür ist ein größerer Kraftaufwand nötig. Größere Wunden werden meist ohne tierärztliche Kontrolle und Schmerzmittel grob genäht. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) stuft das »Lebendrupfen« als tierschutzrelevant ein, es ist in der EU eigentlich verboten. Dennoch ist diese Praktik in manchen europäischen Ländern wie Ungarn und Polen immer noch üblich.

Umgang mit den Tieren

Am Abend vor der Federgewinnung erhalten die Gänse kein Futter. Das soll verhindern, dass die Tiere aufgrund der belastenden Prozedur unkontrolliert Kot absetzen oder Nahrungsbrei erbrechen und das Gefieder verschmutzen.

Allein das Fangen und Festhalten ist eine erhebliche Stresssituation für die Tiere. Hinzu kommen immer wieder Misshandlungen vor, indem etwa verbotenerweise die Vögel an Hals oder Flügel gepackt und getragen werden.. Das kann zu schmerzhaften Fehlstellungen wie herunterhängenden Flügeln führen.

Wehren sich die Gänse aus Angst und schlagen panisch mit den Flügeln, biegt man ihnen den Kopf unter den Körper. So sind die Tiere wehrlos. Allein dieser Umgang mit den Gänsen führt schon vor dem Rupfen oder Raufen zu Angst, Stress, Verletzungen und Knochenbrüchen.

Beim Lebendrupf – aber auch beim Raufen – kann man davon ausgehen, dass die Gänse mit jeder Federgewinnung empfindlicher werden. Diese ansteigende Empfindlichkeit nennt sich »Wind-up-Phänomen«: Es kommt zu einem gesteigerten Schmerzempfinden, obwohl sich der Reiz, der die Schmerzen verursacht, nicht verstärkt.

Das Leid und die Schmerzen der Gänse beim lebendigen Rupfen und Raufen werden aus rein wirtschaftlichen Gründen in Kauf genommen. Die Tiere stehen so öfter zur Federgewinnung zur Verfügung und die Federn sind weniger verschmutzt.

Federgewinnung von toten Tieren

Die Federn, die nach der Schlachtung vom toten Tier gewonnen werden, gelten als qualitativ minderwertiger. Sie sind maschinell aus den Körpern gerupft, oft nicht reif und durch das Blut der getöteten Vögel verschmutzt, sodass sie noch kostenintensiv zu reinigen sind.

Zurückdrängung der Grundbedürfnisse der Gänse

Zu den Grundbedürfnissen von Gänsen gehören die Futtersuche auf der Weide, das Baden, die Körperpflege sowie das Ruhen (bevorzugt auf Wasserflächen) und ihr ausgeprägtes Sozialverhalten. Diese Bedürfnisse sind für das Wohlbefinden der Gänse essenziell. Die intensiven Haltungsformen mit ihrem geringen Platzangebot sowie fehlendem Wasser- und Weidezugang lassen die Bedürfnisse der Gänse allerdings völlig außer Acht. Darüber hinaus vernachlässigen sie die Raum- und Bewegungsbedürfnisse der großen Vögel.

a) Nahrungssuche

Gänse sind Weidetiere und beschäftigen sich viele Stunden am Tag mit der Futtersuche und -aufnahme. Die Suche kann sich sogar bis in die Abendstunden ausdehnen. Beim gemeinsamen Weiden halten immer einige Tiere am Rand der Gruppe Ausschau nach potenziellen Bedrohungen.

Zu ihrer Nahrung gehören Gräser, Grünpflanzen und zusätzlich von Zeit zu Zeit kleine Fische oder Schnecken. Gänse sind gute Schwimmer und können mithilfe von lamellenartigen Strukturen an ihren empfindlichen Schnäbeln Nahrungspartikel aus dem Wasser filtern. Sie verfügen überdies über einen gut ausgebildeten Geruchssinn.

Die Stall- oder gar Käfighaltung verhindert die natürliche Nahrungssuche auf der Weide (auch Äsen genannt) und im Wasser, mindert die Robustheit der Tiere und kann aufgrund von Bewegungsmangel sogar zu Beinschäden führen. Da die Tiere in der intensiven Haltung kaum die Möglichkeit haben, zur Nahrungssuche und zur Erkundung zu picken, lenken sie das Pickverhalten auf ihre Artgenossen um.

b) Körperpflege

© Erdlingshof

Gänse zeigen ein komplexes Putzverhalten. Die Pflege und Reinigung ihres Gefieders, das Strecken der Beine und Flügel und das Kratzen tragen zu ihrem Wohlbefinden bei. Insbesondere der Zugang zu Wasser ist für die ausgiebige Gefiederpflege essenziell. Beim Baden tauchen die Gänse Kopf und Hals unter Wasser. Danach schütteln sie sich und ordnen ihre Federn. Abschließend verteilen sie Öl aus der Bürzeldrüse in ihrem Gefieder, um es gegen Nässe zu schützen.

Ohne Wasserzugang fehlt die pflegende Wirkung des Einfettens – die schützende Funktion des Gefieders vor dem Eindringen von Feuchtigkeit ist dann nicht mehr gegeben. Außerdem können die Tiere ohne Zugang zu Wasser verschiedene Verhaltensstörungen entwickeln. Dazu gehört das »dry-washing«: Dabei versuchen sich die Gänse mit Erde oder Sand statt Wasser zu putzen. Dieses Verhalten kann neben Gefiederverschmutzungen sogar zu kahlen Stellen führen. Steht den Gänsen nur Wasser in Tränken zur Verfügung, versuchen sie zumindest ihren Kopf darin einzutauchen und sich anschließend zu putzen.

Das übliche Vorenthalten von Bademöglichkeiten stellt jedoch einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und die Europarats-Empfehlung dar.

c) Ruheverhalten

Gänse ruhen und schlafen bevorzugt nach jeder Mahlzeit. In der Nacht ruhen sie an Land vor allem im Sitzen, in den Morgenstunden auch auf einem Bein stehend. Sie stecken ihren Kopf in das Schultergefieder oder legen ihn nach hinten gedreht auf dem Rücken ab. Unter natürlichen Bedingungen nutzen sie außerdem gern Schwimmmöglichkeiten zum Ruhen und auch als Rückzugsmöglichkeit. Sie paddeln dann hin und wieder mit ihren Füßen, um nicht an Land zu treiben.

In großen Mastgruppen von 1.000 Tieren und mehr zeigen Gänse eine besondere Empfindlichkeit und kommen kaum noch zum Ruhen. Dies ist ein deutliches Zeichen für eine zu große Tierzahl und für unzureichende Rückzugsmöglichkeiten.

d) Sozialverhalten

Gänse sind soziale Gruppentiere und verfügen über einen ausgeprägten Familiensinn. Die Kommunikation untereinander beruht auf einer Vielzahl von Lauten und Bewegungen. Etwa zwei Tage vor dem Schlupf nimmt die Mutter über verschiedene Laute mit den Küken Kontakt auf. Diese kommunizieren in dieser Zeit sogar untereinander und synchronisieren mittels Klicklauten den Schlupf. Geschlüpfte Küken nutzen Pieplaute, um sich ihrer Mutter und ihren Geschwistern mitzuteilen. Mit einem Verlassenheitsruf können sie außerdem auf sich aufmerksam machen.

Erwachsene Gänse kommunizieren mithilfe von Warnrufen oder bei Auseinandersetzungen mit dem gänsetypischen Zischen. Sie scheuen sich nicht vor Attacken auf Artgenossen und zeigen heftige Gegenwehr gegen Angreifer. Zur Körpersprache gehören außerdem Unterlegenheitsgesten mit gekrümmtem Hals und geneigtem Kopf oder Drohgebärden mit langgestrecktem Hals.

Auch wenn Federfressen und Kannibalismus bei Gänsen selten auftreten, kann Frustration zu erhöhter Aggressivität untereinander führen.

e) Legeverhalten/Sexualverhalten

Während Wildgänse jedes Jahr als Paar ihren Nachwuchs großziehen, leben Hausgänse in kleineren Gruppen mit einem Ganter und mehreren weiblichen Gänsen. Unter natürlichen Bedingungen legt eine Gans vier bis sechs Eier im Jahr und brütet diese in etwa vier Wochen aus.

Schon innerhalb der ersten Stunden nach dem Schlüpfen beginnt die Prägung auf die Muttergans. Anfangs suchen die Gössel noch den intensiven Kontakt zur Mutter und wärmen sich unter ihrem Gefieder. Schon wenige Tage später verlassen sie unter Aufsicht der Erwachsenen zum ersten Mal das Nest. Der Ganter verteidigt seinen Nachwuchs bei Gefahr vehement. Zuchtgänse können dieses umfangreiche Verhalten nicht ausleben, da die Tiere immer häufiger künstlich abgesamt bzw. besamt werden und Brutautomaten die Eier ausbrüten.

Schlachtung

Im Jahr 2019 wurden in Deutschland etwa 590.000 Gänse geschlachtet. Der Schlachtzeitraum erstreckt sich vom Spätsommer bis in den Winter und findet im Dezember seinen Höhepunkt.

Vor dem Transport zum Schlachtbetrieb erhalten die Gänse üblicherweise 8 bis 24 Stunden lang kein Futter. Der Nahrungsentzug soll verhindern, dass Mageninhalt und Kot die Tierkörper beim Schlachten und Zerlegen durch verunreinigen. Beim Einfangen und Verladen in kleine Transportkäfige können die Tiere leicht verletzt werden. Gerade, wenn sie in Panik geraten. So können etwa die feinen Flügelknochen brechen.

Im Schlachtbetrieb kommen die Tiere direkt aus den Transportkäfigen kopfüber ans Schlachtband. Ein unvorsichtiger Umgang mit den schweren Mastgänsen kann zu starkem Flügelschlagen und schmerzhaften Knochenbrüchen führen.

Das Schlachtband transportiert die Gänse zu einem stromdurchfluteten Wasserbecken, in das ihre Köpfe für ca. 4 Sekunden eintauchen. Die Stromspannung soll zur Bewusstlosigkeit führen. Allerdings ist dieses Verfahren bei einem Teil der Gänse nicht erfolgreich: Entweder weil sie nicht richtig aufgehängt sind oder aufgrund einer zu geringen Länge nicht oder nur unzureichend in das Becken eintauchen.

Die Tötung erfolgt meist maschinell per Schnitt in die Halsschlagadern. Unzureichend betäubte Gänse können durch heftiges Flügelschlagen Knochenbrüche und Blutergüsse erleiden und die Dauer des Ausblutens verlängern. Diese Gänse sind im anschließenden Brühbad, das das Rupfen erleichtern soll, noch bei Bewusstsein.

Gesetze und Empfehlungen

© Animal Equality

Das Tierschutzgesetz gilt auch für Gänse und verbietet beispielsweise die Zwangsfütterung (Stopfen). Für die Haltung von Gänsen gelten ansonsten die allgemeinen Anforderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Die Verordnung berücksichtigt allerdings nicht die besonderen Bedürfnisse der Gänse.

Der Europarat hat mit seiner Empfehlung in Bezug auf Hausgänse von 1999 Vorgaben zur Aufzucht und Haltung erstellt und Haltungsformen ohne Einstreu oder Auslauf verboten. Die Empfehlung stellt jedoch nur einen Kompromiss aller beteiligten EU-Länder in Sachen Tierschutz dar. Die formulierten Mindeststandards sind vor allem aufgrund der unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen zurückhaltend formuliert.

Teils lässt die Empfehlung sogar folgenschwere Ausnahmen zu. So ist beispielsweise der Zugang zu Bademöglichkeiten für Gänse nicht zwingend notwendig, wenn »ein solcher Zugang nicht möglich ist«. Stattdessen soll den Gänsen Wasser mindestens in dem Maße zur Verfügung stehen, dass sie ihren Kopf unter Wasser tauchen können.

Obwohl das Badeverhalten essenziell für das Wohlbefinden von Gänsen ist, wird den Tieren also nur ein Wasserangebot zugestanden, das kaum als Bademöglichkeit gelten kann. In der Empfehlung fehlen außerdem konkrete Vorgaben im Hinblick auf die Besatzdichte oder das Stallklima. Zudem erlaubt das Dokument sogar explizit die Tötung unerwünschter Gänseküken.

Die Empfehlung der EU verbietet zwar, lebenden Gänsen Federn und Daunen auszureißen, da dies dem Wohlergehen der Tiere unnötig schadet. Das »Raufen«, das ebenfalls mit Schmerzen und Leiden verbunden ist, ist in der EU allerdings nach wie vor erlaubt.

Vermeidbarkeit und Forderungen

Um Gänsen ein artgerechtes Leben bieten zu können, müssten folgende Voraussetzungen geschaffen werden:

  • Ständiger Zugang zu sauberen Bademöglichkeiten
  • Täglicher Weidezugang
  • Keine Lebendfedergewinnung durch Rupfen oder Raufen
  • Aufnahme von konkreten Mindeststandards in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung
  • Kein Import und Verkauf von Stopfleberprodukten
  • Keine Käfighaltung

Was Sie tun können

Essen Sie kein Gänsefleisch, keinen Schmalz und keine Produkte, die Stopfleber enthalten, wenn Sie nicht zu den beschriebenen Zuständen beitragen wollen. Auf Produkte aus Biohaltung auszuweichen, ist nicht automatisch eine gute Lösung, da auch hier die oben beschriebenen Problematiken nicht auszuschließen sind. Zudem bleibt das ethische Problem des unnötigen Tötens bestehen. Kaufen Sie außerdem keine Feder- und Daunenprodukte und greifen Sie stattdessen zu synthetischen Alternativen. So unterstützen Sie weder den Lebendrupf noch die Mast oder die Stopfleberproduktion.

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