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Kükentöten-Ausstieg: schlechte Umsetzung

Als der ehemalige Landwirtschaftsminister von NRW, Johannes Remmel, im Jahr 2013 das Töten männlicher Küken in der »Legehennen«-Zucht verbot, klagten zwei Brütereien dagegen. Nach einem langen Rechtsweg hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2019 Johannes Remmel im Kern Recht gegeben: Das Kükentöten ist mit dem Tierschutzgesetz nicht vereinbar. Daraufhin ließ sich das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unter Julia Klöckner mehr als zwei Jahre lang Zeit, einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen. Seit dem 1. Januar 2022 ist das Kükentöten endlich verboten. In der Praxis verringert sich das Tierleid jedoch nur wenig.

Die Alternativen und Probleme, vor denen Brütereien, Produzenten und Handel nun angesichts von 45 Millionen »ungewollter« männlicher Küken stehen, sind vielschichtig. Sie haben folgende Möglichkeiten, mit der neuen Rechtslage umzugehen:

Geschlechtsbestimmung im Ei

Bei dieser Methode werden die Eier mit männlichen Embryonen noch vor dem Schlupf aussortiert und vernichtet – meist im Häcksler. Es gibt verschiedene Untersuchungsmethoden: In einigen Verfahren wird durch ein winziges Loch Flüssigkeit aus dem Ei entnommen, bei anderen das Ei durchleuchtet. Aus den zerstörten Eiern samt der ungeschlüpften Küken wird Tierfutter.

Anfangs ging man davon aus, dass die Küken im Ei möglicherweise bereits ab dem 7. Bebrütungstag ein Schmerzempfinden entwickeln. Entsprechend sollte ab 2024 deren Vernichtung nach diesem Zeitpunkt verboten werden. Das Problem: Marktreife Verfahren, die vor dem 7. Bebrütungstag funktionieren, gibt es nicht.

Eine wissenschaftliche Studie im Auftrag des BMEL kam 2023 jedoch zu dem Ergebnis, dass Hühnerembryonen erst ab dem 13. Bebrütungstag Schmerzen empfinden können. Das war eine Erleichterung für die Branche. Ab dem 1. Januar 2024 ist es daher verboten, die Bebrütung männlicher Hühnerembryonen ab dem 13. Bebrütungstag abzubrechen.

Produzenten und Lebensmitteleinzelhandel setzen vor allem auf die Geschlechtsbestimmung im Ei. Führend ist nach eigenen Angaben das Verfahren von Respeggt. Die Unternehmensgruppe arbeitet mit Lohmann, einem der größten Zuchtunternehmen für »Legehennen« zusammen.

Aus Tierschutz-Sicht bleibt zu kritisieren, dass das Verfahren die Zucht von extremen Hochleistungsrassen mit gesundheitlichen Problemen manifestiert, wenn die »unnützen« männlichen Küken einfach weiter entsorgt werden können.

Mast der Hähne

Bei dieser Methode werden weiterhin alle Eier ausgebrütet. Die Brüder der »Legehennen« werden nach dem Schlupf aussortiert und gemästet.

Allerdings wachsen die Tiere aus den Legerassen deutlich langsamer als die »Masthuhn«-Rassen und erreichen nicht deren extremes Gewicht. Ihr Fleisch ist dadurch teurer in der Produktion und schmeckt auch anders. In Deutschland wird es bisher kaum nachgefragt und daher oft billig exportiert oder zu Tierfutter verarbeitet.

Bei der Mast der männlichen Küken gibt es nach unserem Kenntnisstand folgende Probleme:

  • Es werden lange Tiertransporte in Kauf genommen, um die Küken von Deutschland z. B. nach Polen zu bringen und sie dort zu mästen.
  • Die Haltungsbedingungen sind schlecht.
  • Die Küken bekommen aus Kostengründen nur wenig Futter und hungern.
  • Die Schlachtmethoden können qualvoll sein (insb. Fehlbetäubungen im Elektrowasserbad).
  • Es gibt keine Vorgaben zu Transport, Mast und Schlachtung, oder sie werden nicht kontrolliert.

So oder so, die männlichen Küken zu mästen bedeutet, dass sie ebenfalls getötet werden, nur eben einige, meist qualvolle, Wochen später als zuvor. Unsere Einschätzung ist, dass es für diese Tiere oft besser wäre, im Ei vernichtet zu werden.

Umstieg auf Zweinutzungshühner

»Zweinutzungshühner« sind Rassen, bei denen die weiblichen Tiere nicht ganz so viele Eier legen wie die üblicherweise verwendeten »Hochleistungslegehennen« (sogenannte Legehybride). Dafür können die Tiere besser für die Mast genutzt werden als die Brüder der »Legehybriden«. Sie sind also sowohl in der Eier- als auch in der Fleischproduktion einsetzbar – und sie leiden weniger unter Qualzucht. Insgesamt sind sie für die Industrie jedoch weniger rentabel und kommen bislang nur sehr selten zum Einsatz.

Schlupfloch: Import aus dem Ausland

Manche Legebetriebe importieren Junghennen (»Legehennen«, die noch keine Eier legen) aus dem Ausland. Dort ist das Töten der männlichen Küken noch nicht verboten und wird auch durchgeführt, solange keine anderslautenden Vereinbarungen getroffen (und kontrolliert) werden. Dieses Vorgehen unterläuft somit die deutschen Tierschutzstandards.

Auch Eier und Eiprodukte können aus dem Ausland importiert werden, ohne dass auf Kükentöten geachtet werden muss.

Mindestens eine deutsche Brüterei hat auch bereits männliche Küken ins Ausland verkauft, um sie dort töten zu lassen.

Gentechnische Verfahren

Einige Unternehmen entwickeln gentechnische Lösungen, die jedoch alle noch nicht marktreif sind. So wird an einem Verfahren gearbeitet, das dazu führt, dass männliche Embryonen in einem frühen Stadium im Ei absterben, ein weiteres macht Eier mit männlichen Genen durch einen Biomarker fluoreszierend und ein anderes Verfahren soll sogar das Geschlecht der männlichen Embryonen »umkehren«. Die breite Öffentlichkeit sieht gentechnische Veränderungen an Tieren allerdings sehr kritisch.

Lösungsmöglichkeiten

Der Umstieg auf »Zweinutzungshühner« wäre die beste Lösung für das Qualzuchtproblem. Es müssen aber Vorgaben für die Haltung der Hennen und die Mast ihrer männlichen Geschwister eingehalten werden, um Qualhaltung zu vermeiden.

Wenn sich die Eierindustrie und ihre Großabnehmer nicht zum Umstieg auf Zweinutzungshühner durchringen können, dann wäre die Geschlechtsfrüherkennung im Ei eine – wenn auch schlechtere – Alternative.

Ob jedoch die Hälfte der Küken noch im Ei vernichtet wird, mehr Hähne in Mastbetrieben leiden oder Eier und Küken aus Betrieben mit Kükentöten nun importiert werden – das Verbot des Kükentötens verlagert die Probleme der Massentierhaltung nur. Ohne dass die Produktionsmengen und der Konsum von Tierprodukten – in diesem Fall Eiern – sinken, wird sich daran nichts ändern. Das Grundproblem bleibt die massenhafte Zucht und Nutzung von Lebewesen unter der Prämisse von Effizienz und Gewinnmaximierung.

Zum Glück kann jede:r bei sich selbst anfangen und tierfreie Alternativen ausprobieren. Hilfreiche Tipps und Rezepte finden Sie in unserer Vegan Taste Week.

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