Kritischer Agrarbericht 2013
Am 17.1. veröffentlichte das AgrarBündnis e.V. mit dem Kritischen Agrarbericht 2013 eine weitere Ausgabe ihres alljährlichen Überblicks über aktuelle Landwirtschaftsdebatten in Deutschland. Seit dieser Ausgabe gehören auch wir erstmals zu den externen Förderern dieser fundierten wie informativen Berichtsreihe, deren diesjähriges Schwerpunktthema die »Agrarreform« ist.
Europäische Agrarpolitik: Reformen verbesserungswürdig
Angesichts der derzeit laufenden Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) Europas, hebt der Agrarbericht bereits im Vorwort die Ansicht der meisten Verbände des AgrarBündnisses hervor, dass zwar die Richtung der EU-Reformbemühungen stimme, doch betont er zugleich: »vieles ist in der Umsetzung halbherzig, greift zu kurz oder ist gar kontraproduktiv, manche Probleme werden gar nicht erst angegangen.« Und so widmen sich die meisten Artikel des Berichts nicht allein der Darstellung aktueller Entwicklungen, sondern auch der direkten Benennung von Missständen. Ein konkretes Beispiel: Mit knapp 49 Milliarden Euro im laufenden Jahr werden laut Agrarbericht insgesamt »ein Drittel aller Ausgaben der Europäischen Union nahezu ohne Auflagen an die europäischen Landwirte ausbezahlt, die damit eine Landwirtschaft betreiben, die direkt zur Überdüngung von Gewässern, Verlust fruchtbaren Bodens, Klimawandel und zum Rückgang der Biodiversität beiträgt.« An anderer Stelle wird zudem darauf hingewiesen, dass durch diese Gelder ein Agrarsystem aufrechterhalten wird, »das die Tiere in den Ställen mit ihren vitalen Bedürfnissen missachtet (statt sie als Mitgeschöpfe zu achten).«
Chancen für die Tiere?
Was speziell den Tierschutz betrifft, so ist ein größeres Thema des Kritischen Agrarberichts 2013 die eben schon benannten Subventionszahlungen: Forderten wir bereits im Oktober 2011 gemeinsam mit 1.000 Professoren und 74% der Bundesbürger, dass direkte Subventionszahlungen der EU an erhöhte Tierschutzstandards gekoppelt werden müssen, so unterstreicht Dr. Christoph Maisack, Mitglied unseres Wissenschaftsbeirats, mit einem eigenen Berichtsbeitrag diese Forderung. Dabei attestiert er zum einen noch einmal bezüglich der derzeit aus dem EU-Agrarhaushalt an landwirtschaftliche Betriebe fließenden Fördermittel den bekannten Befund: »Tierschutz – bislang Fehlanzeige«. Zum anderen jedoch zeigt er mit Hinweis auf die sogenannte Zweite Säule der GAP die finanziellen Möglichkeiten auf, die von den deutschen Bundesländern auch über die erhofften EU-Direktzahlungen bereits jetzt stärker für mehr Tierschutz genutzt werden könnten. Aus einem weiteren Artikel des Agrarberichts geht außerdem hervor, dass die anstehende Novellierung des Bundesbaugesetzes die Chance birgt, den Bau weiterer Massentierhaltungsanlagen zu bremsen oder sogar zu verhindern.
Ein weiteres Thema, das im Agrarbericht 2013 an vereinzelten Stellen zur Sprache kommt, ist die starke, finanziell gestützte Exportorientierung der deutschen Agrarwirtschaft. Diese zerstört laut dem Bericht nicht nur kleinbäuerliche Existenzen in Entwicklungsländern, sondern sorgt über die vom Bund vergebenen Bürgschaften zur Absicherung von Exportgeschäften (sog. Hermesbürgschaften) auch dafür, dass neue Massentierhaltungsanlagen gebaut werden können (so etwa wie im vergangenen Jahr in der Ukraine mit eigentlich EU-weit verbotenen Käfighaltungssystemen). Hinsichtlich des Themas Antibiotikaeinsatz in der Massentierhaltung zeigt der Agrarbericht zudem auf, dass sich der Antibiotikaeinsatz von 2005 auf 2011 verdoppelt hat und dass die Größe einer Tierhaltungsanlage – entgegen häufiger Aussagen von Fürsprechern der Agrarindustrie –sehr wohl »einen erheblichen Einfluss auf das Auftreten von MRSA [sog. multiresistenten Keimen] hat.« Zur Sprache kommen darüber hinaus auch die Notwendigkeit eines generellen Verbots von Patenten auf Pflanzen, Tiere und Verfahren zu deren Züchtung, das Thema Tierschutzsiegel sowie weitere aktuelle Themen wie die dauerhafte Käfighaltung von Muttersauen.
Kritischer Agrarbericht 2013: Deutschland ist ein Blockadeland
Was beim Lesen des Agrarberichts 2013 unweigerlich ins Auge fällt, ist die häufig geäußerte Einstufung der aktuellen Bundesregierung als eine reformblockierende Instanz: »im Schulterschluss mit dem Bauernverband hält sie an dem Weg der Agrar-Industrialisierung fest«, »die deutsche Bundesregierung als größter Nettozahler der EU blockiert den Reformprozess«, »die deutsche Bundesregierung will […] jegliche Reform verhindern und bedient damit die exportorientierte Agrarindustrie« usw. Angesichts dieser Aussagen dürfte es wohl kaum verwundern, dass die augenscheinliche Reformunwilligkeit der Bundesregierung inzwischen (nach Erscheinen des Agrarberichts) auch auf EU-Ebene ein für Deutschland peinliches Thema geworden ist. Verwunderlich dürfte somit aber auch nicht mehr sein, dass sich speziell im Bereich des Tierschutzes in den vergangenen Jahren kaum etwas getan hat, sodass der Agrarbericht in einer Überschrift völlig zurecht titelt »Enttäuschend: Zehn Jahre Staatsziel Tierschutz« und festhält »an der realen Situation der Tiere hat sich nichts geändert.«
Doch geht aus dem Kritischen Agrarbericht 2013 auch Positives hervor: Dass immer mehr Bundesländer in Sachen Verbandsklagerecht selbst aktiv werden und nicht länger darauf warten, dass die Bundesregierung aktiv wird, ist sehr erfreulich. Auf diese Weise wird nicht nur der Tierschutz in den betreffenden Bundesländern verbessert, sondern auch Druck auf die Regierung ausgeübt, letztlich doch für Rechtsgleichheit auf Bundesebene zu sorgen. Erfreulich ist aber auch die Feststellung des Agrarberichts, dass Agrarpolitik inzwischen zur Bürgerpolitik geworden ist, der »gesellschaftliche Rückhalt für intensivierte Tierhaltung schwindet«, der aktuelle EU-Agrarkommissar Dacian Cioloș ein »deutlich offeneres Ohr gegenüber den Stimmen der Zivilgesellschaft hat als seine Vorgänger« und dass eine merkliche »Aufbruchsstimmung rund ums Essen und die Landwirtschaft« herrscht. Es wäre wohl falsch, diese Aufbruchsstimmung nicht weiter verstärkt gemeinsam zu nutzen, um aktiv für die Tiere einzutreten und die Kunde von den Vorteilen einer tierproduktfreien Ernährung für die Tiere selbst, aber auch für die Menschen bis zu den Ohren des amtierenden Agrarkommissars durchdringen zu lassen.