Sprache: Warum wir »tierlich« schreiben
Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass wir in unseren Artikeln und Beiträgen* einige Dinge nicht so benennen, wie es allgemein üblich ist. Das liegt unter anderem daran, dass die menschliche Sprache von Jahrhunderten der Tiernutzung geprägt ist und nicht nur die Kluft zwischen Mensch und Tier vertieft, sondern auch ständig neue Euphemismen findet, um die Brutalität gegenüber Tieren zu verschleiern.
Da wir uns für einen respektvolleren Umgang mit Tieren einsetzen, beginnen wir damit bereits in der Sprache. Sprache prägt nämlich unser Denken. So kann es den Blickwinkel ändern, wenn wir die Dinge beim Namen nennen oder die sprachliche Trennung von Mensch und Tier wegfällt.
Nachfolgend haben wir für Sie die prägnantesten Beispiele aus unserem Wirkungsbereich gesammelt.
»artgerecht«
Den Begriff »artgerecht« verwenden wir in unseren Texten nicht, da er zu schwammig ist. Zwar meint er, dass die natürlichen Ansprüche einer Art beachtet werden, z. B. in Bezug auf die Haltungsbedingungen. Es gibt jedoch keine einheitliche Definition, die besagt, wann dieses Kriterium erfüllt ist.
Tierethiker:innen wie Hilal Sezgin sagen, »Artgerecht ist nur die Freiheit«. Wir halten es zumindest für ausgeschlossen, dass ein Leben in der Massentierhaltung artgerecht sein kann. Schließlich muss ein entsprechender Betrieb Geld mit den Tieren verdienen und wird daher Kompromisse auf ihre Kosten machen. Die Bedingungen in der Massentierhaltung können daher höchstens artgerechter werden.
Als Schlagwort wird »artgerecht« trotzdem gerne für die Vermarktung von Tierprodukten verwendet. Nicht immer ist dabei klar ersichtlich, unter welchen Bedingungen die Tiere eigentlich genau gelebt haben. Ein Faktor, der den Begriff weiter verwässert. Als Alternativen liest man oft »artgemäß« oder »tiergerecht«, die wir jedoch als ähnlich schwierig einschätzen.
»Tierwohl«
Noch kritischer sehen wir den Begriff »Tierwohl«. Er wird hauptsächlich von der Tierindustrie und in der Politik verwendet. »Tierwohl« klingt gut und nach Wohlergehen, also einem Zustand, in dem sich ein Tier rundum wohlfühlt.
Tatsächlich ist »Tierwohl« jedoch ebenfalls nicht klar definiert und so wird der Begriff immer dann verwendet, wenn die Agrarindustrie glaubt, etwas für die Tiere zu verbessern, z. B. mit der »Initiative Tierwohl«. Verbesserungen sind zwar gut, aber die meisten garantieren noch lange kein richtiges Wohlergehen für die Tiere.
Der Ausdruck »Tierwohl« verschleiert daher aus unserer Sicht, wie tierquälerisch die Massentierhaltung grundsätzlich ist. Wir sagen und schreiben daher lieber »Tierschutz«. Der ist im Grundgesetz verankert und durch Gesetze und Verordnungen definiert. Wenn die gesetzlich festgelegten Normen richtig umgesetzt und kontrolliert werden, schützen sie auch das Wohl der Tiere.
§1 Tierschutzgesetz
»Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.«
(Pflanzen-)Milch
Beim Thema Milch ist ein richtiggehender Deutungsstreit entbrannt. Die Tiermilchindustrie versucht, sich vor der wachsenden Bedeutung pflanzlicher Alternativen zu schützen. Sie hat daher durchgesetzt, dass in der EU die Begriffe »Milch«, »Joghurt« und »Käse« nur noch auf Verpackungen von Produkten aus der »normalen Eutersekretion« von Tieren stehen dürfen. Als Argument führt sie an, dass Verbraucher:innen sonst getäuscht werden.
Wir denken, der Begriff »Milch« bezeichnet schon lange auch andere weiße Flüssigkeiten, ohne dass Verbraucher:innen verwirrt sind, darunter auch Sonnenmilch und Scheuermilch. Pflanzenmilch ist dagegen sogar trinkbar und kann in der Küche ähnlich verwendet werden wie Tiermilch. Ähnliches gilt für pflanzlichen Joghurt und Käse. Pflanzliche Alternativen sollten daher auch »Milch«, »Joghurt« oder »Käse« heißen dürfen.
»Nutztier«
Tief in unserer Gesellschaft verankert ist die Unterscheidung zwischen »Nutztieren« und »Heimtieren«. Sie suggeriert, dass es Tiere zum Benutzen und Tiere zum Liebhaben gibt. Fleischesser:innen argumentieren manchmal genau so: »Aber es sind doch Nutztiere. Die sind dazu da, dass ich sie essen kann.«
Wir möchten sichtbar machen, dass diese Kategorien menschengemacht sind und wollen sie infrage stellen. Jedes Tier ist erst einmal ein Individuum mit eigenen Erfahrungen und Bedürfnissen. Menschen können sich jederzeit dazu entscheiden, ein sogenanntes Nutztier gernzuhaben, in ihr Mitgefühl mit einzuschließen und es vor Schmerz und Leid zu beschützen.
Wir schreiben statt »Nutztier« lieber »landwirtschaftlich genutzte Tiere« und machen ansonsten klar, welche Tiere wir konkret meinen. Dabei stellen wir möglichst auch Kategorien wie »Masthuhn«, »Legehenne«, »Milchkuh« oder »Zuchtsau« infrage.
»fressen«
Auffällig ist auch, dass es in der deutschen Sprache manchmal zwei verschiedene Begriffe für dasselbe gibt, einen für Tiere und einen für Menschen. Die bekanntesten Wortpaare sind z. B. »fressen« und »essen« sowie »saufen« und »trinken«. Zu den Themen Fortpflanzung und Tod finden sich weitere tierspezifische Begriffe: »decken«, »trächtig« bzw. »tragend«, »werfen«, »säugen«, »Junges«, »verenden«, »Aas« oder »Kadaver«.
Werden diese Begriffe auf Menschen angewandt, ist das meist abwertend gemeint. Indem wir die Ausdrücke weder für Menschen noch für Tiere nutzen, heben wir die sprachliche Trennung und Abwertung auf. So möchten wir begreifbar machen, dass Tiere Lebewesen mit vergleichbaren Bedürfnissen und Erfahrungen wie Menschen sind.
tierlich
Ganz besonders gut erkennt man die Abwertung von Tieren in dem Wort »tierisch«. Vergleichen Sie einmal »herrlich« und »herrisch«, »weiblich« und »weibisch«, »kindlich« und »kindisch«. Oftmals hat das Adjektiv, das auf »isch« endet, eine negativere Bedeutung als jenes, welches auf »lich« endet.
Wir und andere Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen nutzen deshalb lieber das Wort »tierlich« als »tierisch«. Es ist übrigens nicht erfunden, sondern steht auch im Duden.
Klimakrise
Das Wort »Klimawandel« klingt nicht besonders bedrohlich, oder? Ein Wandel ist erst einmal neutral, er passiert halt und irgendwie kann man auch wenig dagegen tun. Auch »Klimaerwärmung« klingt eigentlich gar nicht so unangenehm, eher nach schönen langen Sommern.
Die Notlage, in der sich unser Planet befindet, ist jedoch von einem anderen Kaliber. Zum einen ist sie bedrohlich und gefährdet unser Überleben. Zum anderen ist sie menschengemacht – die Massentierhaltung hat daran einen beträchtlichen Anteil – und es liegt daher in unserer Verantwortung, etwas dagegen zu tun. Passender sind daher die Begriffe »Klimakrise«, »Klimakatastrophe« oder »Klimaerhitzung«.
Gendern
Es wird Sie nicht wundern, dass wir angesichts der Macht, die Sprache haben kann, auch darauf achten, wie wir über Geschlechter schreiben. So ist es uns z. B. wichtig auszudrücken, dass es nicht nur männliche »Tierschützer«, aber auch nicht nur männliche »Landwirte« gibt.
Das generische Maskulinum erzeugt bei den Hörenden oder Lesenden jedoch die Vorstellung, es handle sich um männliche Personen oder Gruppen, das belegen auch Studien. Daher gendern wir meist mit dem Gender-Doppelpunkt (z. B. »Tierschützer:innen«) oder verwenden neutrale Begriffe.
Sprache ist nicht alles, aber ein Anfang
Wie Sie hier sehen, ist es von Bedeutung, welche Worte man verwendet – insbesondere dann, wenn man die bestehenden Verhältnisse infrage stellen und Veränderung anstoßen möchte. Natürlich ist es mit einer bewussten Wortwahl noch lange nicht getan. Unser Wirken für die Tiere geht weit darüber hinaus.
* Falls Sie sich nun wundern: Unsere Pressemitteilungen orientieren sich überwiegend an der Sprache, die in der Presse- und Medienlandschaft verbreitet ist. Leider wirkt eine als ungewöhnlich wahrgenommene Wortwahl hier oft abschreckend. Das ist kontraproduktiv, wenn wir unsere Themen an die breite Öffentlichkeit bringen möchten, insofern müssen wir dort (derzeit noch) Prioritäten setzen.