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Die Macht der Sprache – richtige Wortwahl

Der bekannte Philosoph Arthur Schopenhauer brachte es bereits im 19. Jh. in seinen Betrachtungen über »Die beiden Grundprobleme der Ethik« auf den Punkt: Die in der Philosophie besonders seit René Descartes* vorgenommenen Bemühungen, »zwischen Mensch und Thier eine ungeheure Kluft, einen unermeßlichen Abstand zu eröffnen«, finden sich auch »auf dem populären Wege«, und zwar in der »Eigenheit mancher Sprachen, namentlich der deutschen, daß sie für das Essen, Trinken, Schwangerseyn, Gebären, Sterben und den Leichnam der Tiere ganz eigene Worte haben«. Worte, die nach Schopenhauer die »vollkommene Identität der Sache verstecken« und mit denen daher gerade auch mit der Alltagssprache eine tiefe Kluft zwischen Mensch und Tier begründet wird. Worte, die Schopenhauer zudem als einen »Kunstgriff […] Europäischer Pfaffenschaft« bezeichnete, der zuzurechnen sei, dass sie mit eben diesem Kunstgriff »den Grund gelegt hat zu der in Europa üblichen Härte und Grausamkeit gegen Thiere«.

Die Sprache der Gegenwart: Abwertung von Tieren

Wenngleich sich auch spätestens seit Albert Schweitzer die Kluft zwischen Mensch und Tier nicht nur in der Philosophie zumindest in einigen vielversprechenden Ansätzen verkleinert hat: In vielen Alltagssprachen bedienen sich die meisten Menschen nach wie vor – ob bewusst oder unbewusst – des von Schopenhauer hervorgehobenen Kunstgriffs, womit die von ihm bemängelte Kluft weiterhin laufend in kulturellen Breiten aufrecht erhalten wird. Völlig unerheblich, inwieweit die These Schopenhauers stimmt, dass dieser Kunstgriff auf die »Europäische Pfaffenschaft« zurückzuführen sei: Allein in Deutschland »fressen«, »saufen«, »werfen« und »verenden« Tiere auch heute noch nach Ansicht vieler Menschen, anstatt zu essen, trinken, gebären und zu sterben. Auch werden Tiere hier nicht als schwanger, sondern als »trächtig«, und ein totes Tier nicht als Leichnam, sondern als »Kadaver« oder »Aas« bezeichnet. Zwar »fressen« und »saufen« durchaus auch Menschen, doch dies immer nur dann, wenn jemandem ein besonders übertriebenes und/oder widerwärtiges Konsumieren von fester wie flüssiger Nahrung zugeschrieben wird.

Doch liefert die Sprache der Gegenwart noch viele weitere Begriffe und Ansätze, die für eine dauerhafte Abwertung von Tieren sorgen und die darüber hinaus auch oft vergessen machen, dass es sich z. B. bei bestimmten, gern konsumierten »Produkten« ehemals um Lebewesen gehandelt hat.** So spricht etwa kaum ein Mensch davon, dass er gerne getötetes und kleingehacktes Rind oder Schwein zu sich nimmt. Stattdessen aber schwärmt er von Buletten, Frikadellen und in rohem Zustand auch von Mett, allenfalls von Hackfleisch. Hinzu kommt eine Vielzahl von Ausdrücken, die durch den tierlichen Wortbestandteil einen meist als negativ verstandenen Sachverhalt unmissverständlich beschreiben oder sprachlich verstärken sollen (»schweinekalt«, »saudumm«) oder die dadurch als besonders beleidigend aufgefasst werden (»dummer Hund«, »blöde Sau« oder einfach nur »Affe«). Durch die oft erfolgende sprachliche Zusammenfassung von bestimmten Tieren zu Herden, Schwärmen oder Gruppen wird zudem laufend die Individualität vieler Tiere schlichtweg untergraben. Und nicht zuletzt sorgen vor allem sogenannte Euphemismen dafür, dass grundsätzlich zweifelhafte Vorgänge und Sachverhalte verschleiert, verschönert oder aufgewertet werden und dass Tiere so etwa im allgemeinen Verständnis nicht getötet/ermordert werden, sondern »geschlachtet« oder – Sanftheit suggerierend – »eingeschläfert«.***

Wie sollte man mit den sprachlichen Gegebenheiten umgehen?

Gerade für Tierschützer:innen und Tierrechtler:innen stellt sich bei ihrem tagtäglichen Einsatz für das Leben von weltweit Milliarden von Tieren die Frage, wie sie mit den kulturell gefestigten Eigenheiten ihrer jeweiligen Sprachen am besten umgehen sollten. Vor allem der Umstand, dass sie mit ihrer Arbeit zwar auch langfristig einer Verbreiterung der Kluft zwischen Mensch und Tier entgegenwirken wollen, dass aber im Vordergrund ihrer Arbeit doch meist eher der Wunsch steht, die bestürzenden Sachverhalte im menschlichen Umgang mit Tieren durch klare, unverschleierte Worte direkt im Hier und Jetzt unmissverständlich offenzulegen, führt dabei in einem ersten Ansatz nicht selten zu der Ansicht, dass allein der offensivste Weg die beste sprachliche Strategie sei. Eine Ansicht, die im Übrigen auch gerne von vielen Neuvegetarier:innen/-veganer:innen geteilt wird. Doch zeigt unsere Erfahrung, und die vieler weiterer Tierschützer:innen und Tierrechtler:innen, dass dieser Ansicht mit großer Vorsicht begegnet werden sollte. Sein fleischessendes menschliches Gegenüber beispielsweise lautstark als »Mörder« zu bezeichnen und es zudem mehrfach mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass es sich kulinarisch grundsätzlich an »Leichen« vergeht, führt in so gut wie sämtlichen Fällen zu mehr oder minder starken Abwehrreaktionen und letztlich nur dazu, dass diese Menschen vermutlich auf ewig der Thematik gegenüber versperrt bleiben. Den Tieren ist mit einem solchen Ansatz wenig geholfen, eine moderate Sprachwahl ist somit empfohlen.

»Fleischfrei« statt »vegetarisch«

Wie sehr tatsächlich in Bezug auf die Sprachwahl zu empfehlen ist, möglichst keine Worte zu verwenden, die bei unseren Gesprächspartner:innen mit negativen Wertungen einhergehen oder die sie direkt in ihrer Identität ansprechen, belegt auch ein Report der bereits im Jahr 2008 in England vom Handelsmagazin »The Grocer« veröffentlicht wurde. So zeigte sich, dass Konsument:innen eher dazu bereit waren, zu vegetarischen Produkten zu greifen, wenn diese nicht mit dem Begriff »vegetarisch«, sondern mit »fleischfrei« angepriesen wurden, woraufhin sich in den letzten vier Jahren zunehmend mehr britische Hersteller vegetarischer Produkte mit Erfolg für die Verwendung dieses Begriffs entschieden haben. Für die tägliche Konversation ergibt sich aus diesem Beispiel durchaus der Ansatz, in entscheidenden Momenten lieber von »fleischfrei« statt von »vegetarisch« zu reden und auch weniger dazu aufzurufen, Vegetarier:innen oder Veganer:innen zu werden, sondern stattdessen seinen Gesprächspartner:innen zu empfehlen, es mit einer fleisch- oder tierproduktfreien Ernährungsweise zu versuchen.

Aktive Arbeit an der Sprache

Gehört die Bewältigung der sprachlichen Hürden bei der täglichen Konversation auch zu den Hauptaufgaben der Tierschutz- und Tierrechtsarbeit, so sollte sich definitiv auch stärker damit beschäftigt werden, wie vor allem auf die allgemeine und häufig wertkonservative Alltagssprache langfristig Einfluss genommen werden kann und wie Veränderungen zugunsten einer positiven und respektvolleren Einstellung Tieren gegenüber herbeigeführt werden können. Ein vielversprechender Ansatz dazu wurde kürzlich – ebenfalls im englischen Sprachraum – erneut zur Diskussion gestellt. Demnach kann den Tieren einerseits schon dadurch geholfen werden, indem ein:e jede:r auf problematische, zweifelhafte Ausdrücke ganz einfach komplett verzichtet (statt »schweinekalt« etwa lässt sich auch einfach »kalt«, »sehr kalt« oder auch – umgangssprachlicher – »übelst kalt« sagen). Andererseits kann aber z. B. auch versucht werden, gängige Sprichwörter so umzuwandeln, dass sie den Respekt nichtmenschlichen Tieren gegenüber fördern, unsere Gleichheit betonen und gleichzeitig auf die Misshandlungen verweisen, denen die Tiere in unserer Kultur täglich ausgesetzt sind. Als Beispiel dafür wurde das englische Sprichwort »Kill two birds with one stone« (»Zwei Vögel mit einem Stein erschlagen«) ausgewählt, das vom Sinn her dem deutschen Sprichwort »Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen« entspricht und das einfach in »Free two birds with one key“ (»Zwei Vögel mit einem Schlüssel befreien«) umgewandelt werden kann. Gerade auch im deutschen Sprachraum sollten zukünftig solche sprachlichen Umwandlungen verstärkt in Erwägung gezogen, diesbezügliche Studien und Ansätze präsentiert und die sprachlichen Neuansätze vor allem von jedem:jeder einzelnen, dem:der etwas an den Tieren liegt, praktisch erprobt und angewendet werden.

Abschließend: Wenn der Sprache eine entscheidende Macht zugeschrieben werden kann, die große Kluft zwischen Mensch und Tier zu begründen und aufrechtzuerhalten, so sollte umgekehrt auch angenommen werden, dass eine sprachliche Macht besteht, diese Kluft zu verkleinern und sie eines Tages vielleicht sogar Geschichte werden zu lassen. Für den Tierschutz und das Tierrecht besteht somit eine der größten Aufgaben der Zukunft u. a. auch darin, Sprache als eines der bedeutendsten Phänomene der Grenzziehung zwischen Mensch und Tier ernst zu nehmen und in gemeinsamen Ansätzen an ihrer Veränderung zu arbeiten. Je nachdem, wie gut uns das gelingt, werden wir nicht nur gegenwärtigem, sondern auch zukünftigem Tierleid entscheidend entgegentreten können.

 


* René Descartes (16./17. Jh.) war der verhängnisvollen Ansicht, dass Tiere gefühllos wie Maschinen seien, eine Ansicht, die einen absolut gewissenlosen Umgang mit Tieren rechtfertigt und daher viel Leid für die Tiere seit Descartes mit sich brachte.

** Generell geht durch die sprachliche Trennung von Mensch und Tier außerdem die Auffassung dafür verloren, dass auch Menschen »bloß« Tiere sind.

*** Wie mächtig gerade Euphemismen sein können, wird letztlich auch an so schier unglaublichen Begriffen wie »Kleingruppenhaltung« oder »Ferkelschutzkorb« deutlich, mit denen gerade die Agrarindustrie bewusst die Tatsache zu verschleiern sucht, dass Hühner bzw. Schweine dazu gezwungen werden, ihr Leben unter elendigen Bedingungen in engen Käfigen zu verbringen.

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