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Weltklimarat: Systemwechsel jetzt!

In seinem sechsten Bericht gibt der Weltklimarat (IPCC) erneut umfassend Auskunft über Ausmaß und Folgen der Klimaerhitzung sowie über Möglichkeiten diese einzudämmen. Der Tenor lautet deutlicher denn je: Die Menschheit muss jetzt schnell und beherzt handeln, um das Schlimmste zu verhindern. Wir haben uns angesehen, was der IPCC vor diesem Hintergrund zu den Themen Landwirtschaft und Ernährung schreibt.

Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)

  • übersetzt: Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen
  • im Deutschen meist »Weltklimarat«
  • ist eine Institution der Vereinten Nationen (UN)
  • gegründet 1988
  • Aufgabe: den wissenschaftlichen Kenntnisstand zur Klimaerhitzung durch Fachleute auf der ganzen Welt zusammentragen und bewerten

Sechster Sachstandsbericht

 

Wie ist die Lage?

Der IPCC stellt fest: Der menschliche Beitrag zur Klimaerhitzung ist eindeutig und unbestreitbar. Er hat dazu geführt, dass die globale Durchschnittstemperatur im vergangenen Jahrzehnt (2011–2020) bereits um 1,1 °C höher lag als in vorindustrieller Zeit (1850–1900). Mit Blick auf die letzten 2.000 Jahre ist das ein trauriger Hitzerekord. Dennoch nehmen die Treibhausgasemissionen weiter zu.

Weitreichende, zum Teil unumkehrbare, Veränderungen in der Atmosphäre, den Ozeanen, der Kryosphäre (Schnee und Eis) und der Biosphäre der Erde sind bereits eingetreten. So ist z. B. der Meeresspiegel zwischen 1901 und 2018 im Schnitt um 20 cm gestiegen. Die Folgen, insbesondere Hitzeextreme, aber z. B. auch Überschwemmungen wie 2021 im Ahrtal in Deutschland, betreffen alle Regionen der Erde.

Die Landwirtschaft ist dabei nicht nur Verursacherin der Klimaerhitzung (später mehr dazu), sondern auch Opfer. Vor allem Trockenheiten und ausbleibende Niederschläge erschweren den Anbau von pflanzlichen Lebensmitteln. Die Klimaveränderungen vertragen jedoch auch viele »Nutztiere« nicht gut. Erhöhter Ressourcenverbrauch, besonders von Wasser, ist die Folge. Gleichzeitig sinken die »Erträge«. Um die knapper werdenden Ressourcen konkurrieren zudem auch Fischerei- und Aquakultur-Industrie. All das wird die Produktion von Nahrungsmitteln zukünftig sehr erschweren.

Wie ist der Ausblick?

Die Klimakrise bedroht daher die globale Ernährungssicherheit sowie die Gesundheit und Existenz vieler Menschen. Bereits heute sind laut IPCC 3,6 Milliarden Menschen – knapp die Hälfte der Menschheit – hochgradig gefährdet. Unverhältnismäßig stark trifft es dabei diejenigen, die wenig zu der aktuellen Krise beigetragen haben. Weltweit nehmen Hunger, Armut, Ungleichheit und Verdrängung zu. Wasser wird immer knapper.

Um die im Pariser Klimaabkommen zwischen fast allen Ländern der Welt vereinbarte 1,5-Grad-Marke nicht zu knacken, braucht es »rasche und tiefgreifende und in den meisten Fällen sofortige Senkungen der Treibhausgasemissionen in allen Sektoren«, so der IPCC. Die globalen Treibhausgasemissionen müssen bis 2030 halbiert und bis 2050 auf Netto-Null gebracht werden. Das Zeitfenster für wirksame Maßnahmen schließt sich.

Bis zu einem gewissen Grad können sich Mensch und Natur zwar an die Erhitzung anpassen und müssen das sogar zwangsläufig. In der Land- und Forstwirtschaft hieße das z. B. widerstandsfähigere Pflanzen- und Tierarten zu nutzen oder die Größe der Tierbestände an die verfügbaren Flächen zu binden. Die richtigen Anpassungsmaßnahmen können dabei zugleich Treibhausgasemissionen verringern. Der Anpassung sind jedoch Grenzen gesetzt. Je wärmer es wird, desto mehr verstärken sich die Probleme gegenseitig. Zudem stellt der IPCC fest, dass die Anpassung in einigen Regionen und Sektoren zu langsam vorangeht oder sogar in die falsche Richtung läuft und dass zu wenig Geld dafür bereitsteht.

Landwirtschaft ist einer der Haupttreiber der Klimaerhitzung

Der IPCC sieht großes Potenzial im Bereich Landwirtschaft, Forstwirtschaft und sonstige Landnutzung (agriculture, forestry and other land use, kurz AFOLU), um die Klimaerhitzung zu mindern. Der Bereich machte im Jahr 2019 allein 22 % der menschengemachten Treibhausgasemissionen aus. Das waren rund 13 Gigatonnen CO2-Äquivalente.

In dem Bereich ließen sich zudem große Mengen CO2 aus der Atmosphäre entfernen und auf natürliche Weise in Böden speichern. Im Netto könnte die Menschheit durch CO2-Entfernung ihre verbleibenden Treibhausgasemissionen auf Null reduzieren. Besonders großes Potenzial sieht der IPCC daher in der Erhaltung, verbesserten Bewirtschaftung und Wiederherstellung von Wäldern und anderen Ökosystemen – insbesondere in der Verringerung der Entwaldung in tropischen Regionen. Diese dient zu großen Teilen der Rinderhaltung und Futtermittelproduktion für die Massentierhaltung.

An zweiter Stelle nennt der IPCC eine nachhaltigere Landwirtschaft. Wobei es hier auch eine reduzierte, nachhaltige Tiernutzung, insbesondere von Weidetieren auf Grünlandflächen, dazuzählt. Befürworter:innen der Tierhaltung übersehen an dieser Stelle jedoch oft, dass Tierhaltung auf Grünland nur in sehr viel kleinerem Rahmen als die aktuelle Massentierhaltung möglich ist.

Drittens nennt der IPCC Maßnahmen wie die Umstellung auf eine nachhaltige und gesunde Ernährung und die Verringerung von Lebensmittelverlusten und -abfällen als Möglichkeiten, Emissionen zu vermeiden.

Sich mit Klimaschutzmaßnahmen nur auf den Bereich AFOLU zu konzentrieren, würde zwar nicht ausreichen. Dafür könnten jedoch insbesondere dort Synergieeffekte z. B. zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, von Ökosystemleistungen und Existenzgrundlagen genutzt werden, betont der IPCC.

Infografik Emissionen
*Die Zahlen entsprechen den Angaben des IPCC. Durch das Runden entsteht eine Ungenauigkeit (101 % in der Summe).

Was sagt der IPCC zur Ernährung?

Als Beispiel für eine nachhaltige, klimafreundliche Ernährungsform nennt der IPCC die Planetary Health Diet. Diese beinhaltet nur noch geringe Mengen tierlicher Produkte. Bis 2050 könnte sie eine Reduktion von 29 bis 70 % der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen bewirken. Insbesondere die Reduktion des Fleischkonsums sieht der IPCC als einen der wirksamsten Faktoren.

Da Entscheidungen beim Thema Ernährung oft unbewusst getroffen werden, muss beim Systemwechsel nachgeholfen werden, so der IPCC. So können pflanzliche Produkte z. B. über den Preis und die Positionierung im Supermarktregal oder auf der Speisekarte den Menschen nähergebracht werden. Auch Subventionen für pflanzliche Lebensmittel können helfen. Lediglich über die negativen Folgen von Tierprodukten zu informieren, reiche nicht aus.

»Clean Meat« (Zellkulturfleisch oder auch kultiviertes Fleisch) hebt der IPCC als mögliche ressourcenschonende Proteinquelle der Zukunft hervor. Für deren Produktion sind weniger Flächen und Wasser notwendig. Allerdings nennt der IPCC auch Insekten als eine Option, Ernährung klimafreundlicher zu gestalten. Hier möchten wir entgegnen, dass es aus ethischer und ökologischer Sicht immer eine schlechte Idee ist, Tiere als Lebensmittel zu nutzen.

Als positive Nebeneffekte einer klimaschonenden, also überwiegend pflanzlichen Ernährung nennt der IPCC die gesundheitlichen und ökologischen Vorteile einer Ernährungsumstellung: mehr Platz für gesunde Ökosysteme und weniger Tote durch »Volkskrankheiten«, die durch ungesunde Ernährung gefördert werden.

Infografik Planetary Diet

Ein Appell an die Menschheit

Auch wenn die sichtbaren Fortschritte im Klimaschutz und das Engagement der jüngeren Generationen (Stichwort »Fridays for Future«) die Autor:innen des Berichts optimistisch stimmen, machen sie klar, dass bisher viel zu wenig passiert. Die durch Menschen verursachten Treibhausgasemissionen sind seit 2010 in allen wichtigen Sektoren weltweit gestiegen – wenn auch in geringerem Maße als im Jahrzehnt davor. Schon die Versprechungen der Regierungen sind zu unambitioniert. Die Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen müssten drei- bis sechsmal höher sein. UN-Generalsekretär Antonio Guterres dazu: »Dieser Verzicht auf politisches Handeln ist kriminell.«

Als Maßnahmen gegen die Klimaerhitzung nennt der IPCC daher im Grunde nichts Neues: neben dem Schutz der Ökosysteme und der Reduktion des Fleischkonsums z. B. klimaneutrale Energiequellen und Gebäude, emissionsfreier Transport, Energieverbrauch und Ressourcenverschwendung reduzieren, allgemein nachhaltiger wirtschaften – aber diese Ziele müssten möglichst sofort erreicht und nicht nur halbherzig verfolgt werden. Auch im Bereich AFOLU ist die Diskrepanz zwischen notwendigen und tatsächlichen Investitionen riesig.

Wenn es so weitergeht wie bisher, werden die 1,5 °C überschritten und auch die Begrenzung auf 2 °C wird zunehmend schwerer. Anpassungen und Schadensregulierung werden dann teuer für die Menschheit: Je höher der Temperaturanstieg, desto größer werden die Konsequenzen und desto aufwendiger wird es, ihnen entgegenzuwirken oder sich anzupassen. Investitionen in eine klimaneutrale Zukunft sind zwar auch teuer, aber sie werden sich auf lange Sicht mehrfach auszahlen, weil sie im besten Fall auch Vorteile für Umwelt und Artenvielfalt bedeuten oder eine gesündere Ernährung fördern. Wir möchten ergänzen: Auch die Tiere würden profitieren.

Als Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen – nicht nur im eigenen Land, sondern durch den globalen Handel weltweit – haben reiche und einflussreiche Länder wie Deutschland eine besondere Verantwortung beim Klimaschutz.

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