Tiertransporte: Aktuelle Entwicklungen in der EU
Das Europäische Parlament hat am 20. Januar über seine Forderungen an die neue EU-Verordnung zum Schutz der Tiere beim Transport abgestimmt. Vorangegangen war ein historisch bisher einmaliger Untersuchungsausschuss im Bereich Tierschutz, der die Gründe für die regelmäßigen Verstöße gegen die EU-Tiertransportverordnung ermitteln sollte.
Innerhalb der EU und über die Grenzen der EU hinaus werden jährlich weit über eine Milliarde Tiere* auf dem Land-, See-, Schienen- und Luftweg transportiert. Die Bedingungen bei diesen Transporten werden mitunter als katastrophal beschrieben: Nicht abgesetzte Kälber, die nicht trinken können, Schweine, die in völlig überhitzten Fahrzeugen leiden und Hühner, deren Gliedmaßen unterwegs brechen – die Liste an Grausamkeiten ist lang. Im Juni 2020 wurde deshalb ein Untersuchungsausschuss für Tiertransporte (ANIT) eingesetzt, der nach achtmonatiger Prüfung im Dezember 2021 seine Empfehlungen an die Europäische Kommission aussprach. 557 Abgeordnete des Parlaments und damit eine überwältigende Mehrheit stimmten nun für einen Teil der Empfehlungen. Sie fordern die Kommission und die EU-Länder auf, »ihre Bemühungen zur Einhaltung des Tierschutzes beim Transport zu verstärken, die EU-Vorschriften zu aktualisieren und einen EU-Kommissar zu ernennen, der für den Tierschutz zuständig ist.«
Leider vermissen wir bei der Aufforderung des Parlaments an die Kommission entscheidende Punkte, die teils auch im Untersuchungsbericht angeprangert wurden. Wir fassen die wichtigsten Forderungen des Parlaments für Sie zusammen.
Strengere Regeln und Kontrollen, aber kaum Verbote
Das EU-Parlament fordert die Kommission auf, die Transportzeit für »Schlachttiere« auf acht Stunden zu begrenzen. Die Begrenzung gilt somit für die Mehrheit der transportierten Tiere. Für »Zuchttiere« und Tiere in der Zwischenmast wird keine Begrenzung verlangt, sie dürfen somit voraussichtlich auch in Zukunft bis zu 29 Stunden transportiert werden. Auch Transporte mit dem Schiff sollen weiterhin von einer Höchstdauer ausgenommen sein, dabei gelten diese für die Tiere als besonders kräftezehrend.
Wir kritisieren außerdem, dass auch die tierschutzwidrigen Transporte in Drittländer erlaubt bleiben sollen – das Parlament stimmte lediglich für die Einführung eines Kontrollsystems. Die Ausfuhr in Drittländer soll darüber hinaus nur dann genehmigt werden, wenn sie den europäischen Tierschutznormen entspricht. Dies zu kontrollieren ist bisher allerdings kaum möglich.
Das vom Untersuchungsausschuss empfohlene Transportverbot hochschwangerer Tiere und Jungtiere aller Arten unter fünf Wochen wurde nicht übernommen. Doch zumindest soll die Transportzeit für Vögel, Hasen, ältere Tiere und Tiere im letzten Schwangerschaftsdrittel auf vier Stunden begrenzt werden. Zudem fordert das Parlament ein Transportverbot von nicht abgesetzten Kälbern, die jünger als vier Wochen sind. Eine Ausnahme bilden Transporte über eine Entfernung von weniger als 50 km.
Das Parlament fordert des Weiteren eine Videoüberwachung in Transportfahrzeugen, insbesondere beim Be- und Entladen. Transporte sollen zudem nur dann genehmigt werden, wenn am Transporttag eine Temperatur zwischen 5ºC und 30ºC vorhergesagt wird. Die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit und der Ammoniakgehalt in den Fahrzeugen soll außerdem überwacht werden.
Auf lange Sicht soll der Transport von Fleisch, Sperma oder Embryonen die Tiertransporte ersetzen. Bis spätestens 2023 soll die Kommission einen Aktionsplan zur Unterstützung dieses Übergangs vorlegen.
Kleine Schritte in die richtige Richtung
Untersuchungsausschüsse werden nur äußerst selten einberufen und das auch nur, wenn grobe Verstöße und Fehlverhalten zu vermuten sind. Dass ein solcher Ausschuss im Tierschutzbereich überhaupt ins Leben gerufen wurde, war also ein Meilenstein. Der Fokus der Forderungen des Parlaments liegt auf der Durchsetzung bestehender Rechtsvorschriften – dabei braucht es grundlegende Veränderungen und Verbote, um den Schutz der Tiere zu gewährleisten. Doch auch wenn die Forderungen einige Schwachstellen enthalten, sind sie ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Nun liegt es an der Europäischen Kommission: Diese wird die Tierschutzgesetzgebung der EU überarbeiten und dabei auch die Tiertransportverordnung prüfen. Mitgliedsstaaten wie Deutschland haben bei der Überarbeitung einen großen Einfluss. Deshalb freuen wir uns, dass Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ein EU-weites Verbot von Langstreckentransporten befürwortet und die laschen Regeln kritisiert. Özdemir will mit seinem Ministerium »die Probleme des Tierschutzes beim Transport in Drittländer lösen.« Dies muss aber auch auf nationaler Ebene geschehen – denn auch von Deutschland aus werden nach wie vor Tiere in Drittländer transportiert. Überdies gibt es auch bei innerdeutschen Transporten zahlreiche Mängel, die dringend behoben werden müssen.
* Im Jahr 2019 wurden über 1,6 Milliarden lebende Tiere (Schafe, Rinder, Vögel und Schweine) durch die EU und über ihre Grenzen hinaus transportiert. 97% der Tiere sind Vögel (Hühner, Puten, Enten, Gänse). Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen werden meist zu Mast- oder Schlachtzwecken transportiert.