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Stallbrände: Alltag in Deutschland

2021 starben bei einem Großbrand in einer riesigen Alt Telliner Schweinezuchtanlage über 50.000 Sauen und Ferkel, die Tragödie hat sogar eine eigene Wikipedia-Seite. Doch dass Stallbrände für so viel Aufsehen sorgen, ist die Ausnahme. Jeden Tag brennen mehrere Ställe in Deutschland, jedes Jahr verbrennen über hunderttausend Tiere. Die moderne Tierhaltung ist darauf ausgerichtet, kostengünstig möglichst viele Individuen auf engstem Raum zu halten. Der Brandschutz spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

Ursachen für Stallbrände

Die Gründe für Stallbrände sind vielfältig und in der Regel vermeidbar: Oft sind es technische Defekte, Kurzschlüsse oder heißgelaufene Lüftungsanlagen, die eine Entzündung verursachen. Auch Blitzeinschläge oder sommerliche Hitze führen regelmäßig zu Bränden. Das Institut für Schadensverhütung und Schadensforschung der öffentlichen Versicherer identifizierte in einer statistischen Erhebung zudem Brandstiftung als häufige Ursache. Letztendlich könnten viele Stallbrände verhindert werden, z. B. durch die regelmäßige Wartung von Anlagen oder die sichere Lagerung entzündbarer Güter.

Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung gibt vor, dass »eine Verletzung oder sonstige Gefährdung der Gesundheit der Tiere so sicher ausgeschlossen [werden muss], wie dies nach dem Stand der Technik möglich ist«. Dennoch sind ausgerechnet Konstruktion und Technik der Stallanlagen in einem Brandfall ein großes Risiko für die Tiere. Moderne Stalldächer werden vorwiegend von Nagelplattenbindern zusammengehalten, deren Statik bei einem Brand schnell versagt. Bereits 15 bis 20 Minuten nach einem Feuerausbruch stürzen diese Dächer oft ein und begraben die Tiere unter sich. Zudem sind in den Anlagen viele Kunststoffe und brennbare Materialien verbaut – giftiger Rauch und eine schnelle Ausbreitung des Feuers sind die Folgen.

Tiere sitzen bei Stallbränden in der Falle

Laut den Brandschutzbestimmungen in den Bauordnungen der Bundesländer müssen »bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich« sein. Wie das zu bewerkstelligen sei, steht dort jedoch nicht. Selbst wenn die Feuerwehr bei einem Stallbrand schnell vor Ort ist, kann sie die Tiere nicht alle in Sicherheit bringen – allein schon deshalb, weil es so viele sind. In Hühner- und Putenställen z. B. oft Tausende.

Auch die Unterbringung der Tiere ist ein Problem: Bei Kühen verhindert die Anbindehaltung, dass sie dem Feuer entkommen können. Schweine werden durch Buchten und Kastenstände an der Flucht gehindert. Und selbst wenn sie könnten, in Gefahrensituationen fliehen Schweine meist nicht ins Freie – schlicht, weil sie die Welt außerhalb des Stalls nicht kennen. Bei einem Brand geraten sie daher manchmal so sehr in Stress, dass sie daran sterben. In Panik drängen sie sich außerdem zusammen, schreien aus Leibeskräften und wehren sich gegen ihre Rettung. Feuerwehrleute müssten zukünftig also auch zu ihrem eigenen Schutz für die Rettung unterschiedlicher Tiere ausgebildet werden.

Der körperliche Zustand der Tiere erschwert ihre Rettung bei Stallbränden weiter: Besonders Tiere, die zur Mast gezüchtet wurden, können durch ihre Körpermasse kaum nennenswerte Strecken zurücklegen. Die große Brust der Puten führt z. B. dazu, dass die Tiere vorne überkippen. Auch »Mastschweine« oder »Zuchtsauen« kommen meist nur schwer voran. Dabei sind die Wege in großen Betrieben weit. Genereller Bewegungsmangel, von Spaltenböden entzündete Gliedmaßen und andere Verletzungen sind weitere Faktoren. Das Risiko für die Tiere bleibt also auch bei effektiveren Brandschutzvorrichtungen hoch. Und selbst wenn sie gerettet werden können, müssen viele aufgrund schlimmer Verbrennungen und Rauchgasvergiftungen euthanasiert werden.

Brandschutz nicht rentabel

Um in einem Brandfall Schlimmeres zu verhindern, müsste man beim Stallbau auf eine sichere Dachkonstruktion achten und nicht brennbare Materialien sowie Sprinkleranlagen oder Sprühwasserlöschanlagen einsetzen. Da diese Anlagen sowohl in der Anschaffung als auch in der Wartung teuer sind, kommt der Einbau für viele Tierhalter:innen jedoch nicht in Frage. Auch Flucht- und Rettungstüren, Brandschutzwände, eine ausreichende Löschwasserversorgung und an den landwirtschaftlichen Betrieb angepasste Brandmelder sind unumgänglich, um die Tiere realistisch zu schützen. Das macht die Tierhaltung aus Sicht vieler Landwirt:innen jedoch unrentabel. Dass sie deshalb die gesetzlichen Vorgaben ignorieren, interessiert Behörden und Politik zu wenig.

Offizielle Statistiken zu Stallbränden fehlen

Obwohl Stallbrände ein offensichtliches Problem sind, werden sie von den Behörden nicht erfasst. So können die häufigsten Brandursachen weder erkannt noch beseitigt werden. Da eine offizielle Registrierung der Brandereignisse fehlt, stellen engagierte Tierschützer:innen wie Stefan Stein und sein Stallbrand-Team eigene Statistiken auf. Diesen Berechnungen zufolge starben allein 2021 mindestens 153.000 Tiere bei Stallbränden. Andere Zahlen sind noch höher: In Baden-Württemberg sind Schätzungen zufolge allein 2018 125.000 Schweine und doppelt so viele Vögel in ihren Ställen verbrannt.

Trotz dieser immensen Zahlen geht es auf politischer Ebene nur langsam voran. Länder und Bund liefern sich ein Ping-Pong-Spiel, bei dem sie die Verantwortung jeweils dem anderen zuspielen. Seit der Katastrophe in Alt Tellin wird der Ruf nach strengen Brandschutzvorkehrungen jedoch endlich lauter und das Thema hat es sogar in den Koalitionsvertrag geschafft. Dort heißt es, dass »Rechtsvorschriften zum Schutz vor Bränden und technischen Störungen in Ställen, unter Berücksichtigung von angemessenen Übergangsfristen« verbessert werden sollen. Wann dies geschieht, ist nach wie vor offen. Der Bundesrat forderte die Bundesregierung außerdem vergeblich auf, aus Gründen des Brandschutzes eine Größenbeschränkung von Tierhaltungsanlagen einzuführen.

Brandgefährliche Massentierhaltung

Letztendlich ist Massentierhaltung mit einem effektiven Brandschutz unvereinbar. Um die Überlebenschancen der Tiere bei Stallbränden zu erhöhen, müssten bewegungsarme Haltungssysteme wie etwa Kastenstände abgeschafft werden. Die Tiere müssten nicht nur an ihren Stall, sondern auch an die Stallumgebung gewöhnt sein. Hätten sie etwa einen ständig zugänglichen Auslauf zur Verfügung, könnten sie sich selbst in Sicherheit bringen. In kleinen Tierhaltungsanlagen mit kurzen Laufwegen und wenigen Tieren in kleinen Gruppen sind die Überlebenschancen der Tiere besser. Ebenso, wenn sie fit und gesund sind. Die Abschaffung von Qualzucht und Qualhaltung ist daher auch eine Frage des Brandschutzes.

Klar ist: Tiere dürfen nicht länger als Kosten-Nutzen-Faktoren betrachtet werden, die man im Zweifelsfall verbrennen lässt. Es bleibt zu hoffen, dass die Politik sich ihrer Verantwortung bewusst wird und dafür sorgt, dass bestehende Vorschriften umgesetzt und kontrolliert werden. Noch besser wäre, den Brandschutz in der Tierhaltung zu reformieren und die Tierhaltung umzubauen.

(lp)

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