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Bauernverband setzt auf Anbindehaltung

Seit 2018 diskutieren Vertreter:innen der Milchindustrie und der Politik über eine »Sektor-Strategie Milch«. Dabei geht es um gemeinsame Ziele für die Zukunft der Branche und die Frage, wie diese erreicht werden können. Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat nun seinerseits Leitlinien für die Erarbeitung einer »Strategie 2030« benannt, die aus seiner Sicht für die Milchbauern und -bäuerinnen entscheidend sind.

Diese Leitlinien zeigen allerdings keine konkreten Verbesserungen im Tierschutz auf – vielmehr zielen sie vornehmlich auf die Wirtschaftlichkeit ab. Vor allem will der Bauernverband die Produktivität der Branche steigern und beispielsweise den Export weiter ausbauen. Der DBV forciert die Gründung eines Branchenverbands, der Tierhalter:innen und Molkereiunternehmen eine gewichtigere Stimme am Markt verschaffen soll. Einen Zusammenschluss dieser Art, in dem Mitglieder aus Erzeugung und Verarbeitung (sowie Handel) vertreten sind, gibt es derzeit noch nicht.

Im Folgenden beleuchten wir einzelne Forderungen aus den Leitlinien des DBV genauer.

Anbindehaltung soll fortbestehen

Laut DBV ist es wichtig, dass ein moderner und nachhaltiger Milchsektor gesellschaftlich akzeptiert wird. Dazu zählt der Bauernverband auch die Anbindehaltung von Milchkühen. Die Betriebe sollen zwar bei der Umstellung von ganzjähriger Anbindehaltung auf andere Systeme unterstützt werden. Weitaus wichtiger scheint es dem DBV aber zu sein, die Akzeptanz der saisonalen und ganzjährigen Anbindehaltung in Gesellschaft, Politik und Ernährungswirtschaft zu fördern.

Dies steht im starken Kontrast zu dem im Sommer 2018 veröffentlichten Positionspapier des Bundes der Deutschen Landjugend (BDL), dem Nachwuchsverband des DBV. In dem Papier sprachen sich die jungen Bauern und Bäuerinnen dafür aus, die Anbindehaltung gesetzlich verbieten zu lassen. Ihre Forderung stieß auf harte Kritik vom DBV und seinen Landesverbänden. Der BDL zog das Papier daraufhin zurück.

Dabei scheint die Zukunft der Anbindehaltung besiegelt: Der Bundesrat stufte sie 2016 als tierschutzwidrig ein und das Landwirtschaftsministerium fördert seit langem Betriebe, die auf Laufstallhaltung umstellen. Die Molkereiunternehmen aus Bayern und Baden-Württemberg sprachen sich zudem jüngst für einen Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung bis 2030 aus. Damit unterstützen sie – wenn auch mit einem langen Zeitfenster – die Forderungen der Verbraucher:innen, von denen sich laut aktuellen Umfragen 70 % »artgerechte« Haltungsformen wünschen. Einige Tierwohl-Label des Handels schließen Anbindehaltung bereits aus. Wir haben diese Entwicklung gemeinsam mit anderen Tierschutzorganisationen durch ein gemeinsames Positionspapier zur Milchkuhhaltung mit angestoßen.

Der Bauernverband macht in seinen Leitlinien für eine Milchstrategie nun allerdings erneut deutlich, dass er sich gegen ein konkretes Verbot oder Fristen zur Beendigung der Anbindehaltung einsetzen wird. Somit unterstützt er ein Haltungssystem, welches das Bewegungs-, Sozial- und Komfortverhalten von Kühen enorm einschränkt.

Ein neuer Branchenverband

Die Interessen der Milcherzeuger:innen und Molkereien soll laut DBV ein gemeinsamer Branchenverband vertreten. Bereits seit mehreren Jahren hat der DBV diesen Wunsch. Einem solchen Verband stünden EU-Fördergelder in Millionenhöhe zur Verfügung, die der deutschen Milchbranche bisher kaum zugute kommen.

Ein solcher Verband könnte allerdings dringend notwendige Entwicklungen im Bereich Tierschutz verzögern, z. B. wenn sich die Branchenvertreter:innen nicht einigen können oder mächtige Gegenstimmen laut werden. Sollte der DBV innerhalb des Branchenverbands ebenfalls eine große Rolle einnehmen, wäre davon auszugehen, dass er einen »praxisgerechten« Tierschutz umsetzen würde. Die wirtschaftlichen Aspekte stünden somit an erster Stelle.

Schwammige Haltungsstandards

Der Deutsche Bauernverband verfolgt zudem das Ziel, den Standard zur Milcherzeugung (»QM-Milch«) für die gesamte Branche zu etablieren. Die Standards von QM-Milch e.V. regeln auch die Haltungsbedingungen der Milchkühe. Doch gerade der Tierschutz kommt darin viel zu kurz: Mindestanforderungen an das Platzangebot und ein Verbot der Anbindehaltung fehlen. Da der DBV den QM-Milch e.V. mitgegründet hat und zudem in seinem Vorstand sitzt, ist davon auszugehen, dass er seine Interessen bei der geplanten Weiterentwicklung der Standards stark vertreten wird.

EU-Gelder nicht für den Tierschutz

Der Deutsche Bauernverband legt den Fokus seiner Strategie klar auf weiteres Wachstum – offene Wertschöpfungspotenziale sollen genutzt und beispielsweise mit Nischenprodukten wie Weidemilch oder Erzeugnissen aus biologischer Landwirtschaft umgesetzt werden. Außerdem soll der Export eine zunehmend größere Rolle spielen. Das ist ganz im Sinne des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), das sich ebenfalls für eine Exportförderung einsetzt.

Die Europäische Union soll für den geplanten Ausbau des Exports Gelder bereitstellen. Doch durch die Ausrichtung auf Exporte und den internationalen Wettbewerb wird die Produktion (und damit auch der Tierschutz) dem Preisdruck am Weltmarkt angepasst – worunter letztendlich die Tiere leiden. Zu diesem Ergebnis kommt auch der kürzlich erschienene Agrar-Atlas 2019 der Heinrich Böll Stiftung und des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland.

Um die Betriebe finanziell zu unterstützen, setzt sich der DBV weiterhin für Direktzahlungen der EU ein. Diese richten sich hauptsächlich nach der Fläche des Betriebs: Wer viel Land besitzt, bekommt auch viel Geld. Der Tierschutz wird dabei weder beachtet noch gefördert.

Unser Fazit: Bauernverband behindert notwendiges Umdenken

Die Leitlinien des DBV für die Milchstrategie 2030 machen deutlich, dass konkrete Verbesserungen der Haltungssysteme und des Tierschutzes von diesem Verband nicht zu erwarten sind. Vielmehr setzt er sich weiterhin für veraltete und tierschutzwidrige Haltungssysteme ein.

Den greifbaren Komplett-Ausstieg aus der Anbindehaltung von Milchkühen bremst der Bauernverband aus, indem er auf minimale Fortschritte, nämlich die Kombination der Anbindehaltung mit anderen Haltungsformen, setzt und sich weigert, einen zeitlichen Rahmen für die Umstellung zu benennen. Wir fordern dagegen nach wie vor die ausnahmslose Abschaffung der Anbindehaltung bei Milchkühen.

Die Leitlinien nennen keine handfesten Ansatzpunkte, um den Tierschutz in der Tierhaltung zu verbessern. Jegliche Tierschutzansprüche werden einer vagen Praxistauglichkeit untergeordnet. Wirtschaftliches Wachstum ist dem Bauernverband somit sehr viel wichtiger als nachhaltiges Handeln. EU-Förderungen sollen zudem dabei helfen, Exporte zu steigern. Tierschutz bleibt für den Bauernverband, wenn überhaupt, ein Randthema ohne konkrete Ziele. Das ist, angesichts der gesellschaftlichen und ökologischen Entwicklungen, eine unzeitgemäße und wenig zukunftsfähige Einstellung.

(sl)

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