Warum die Agrarindustrie die Welt nicht ernähren kann
Die Agrarindustrie sieht sich gerne in der Opferrolle: Umwelt- und Tierschützer:innen stellen angeblich immer wieder unrealistische Forderungen, und außerdem sei man ein Hauptopfer des Klimawandels, klagen ihre Vertreter:innen. Überhaupt müsse man sich jetzt darauf konzentrieren, immer mehr Menschen zu ernähren. Das ginge nur durch eine zunehmende Industrialisierung. Am besten, indem man hiesige Methoden in sogenannte Entwicklungsländer exportiere.
Diese Argumentation hat aber einen Haken: Industrielle Methoden können nicht die Lösung zum Hungerproblem sein. Die Nachteile liegen auf der Hand: Eine Landwirtschaft, deren Basis von Düngemitteln, Pflanzenschutzmitteln, schweren Maschinen und Medikamenten gebildet wird, ist energieintensiv, verursacht Umweltgifte von Treibhausgasen bis hin zu Schwermetallen und setzt die öffentliche Gesundheit aufs Spiel.
Insbesondere, wenn sich der Fleischkonsum bis zum Jahr 2050 verdoppelt, so prognostiziert es die Welternährungsorganisation, haben wir ein Problem: Durch die »Veredelungsverluste« (aus viel Pflanzenmaterial wird wenig »Tiermaterial«) werden Freunde des saftigen Steaks mehr und mehr zu Nahrungskonkurrenten von hungernden Menschen.
Ist also die ständige Produktionsausweitung die Lösung? Sie ist zumindest unnötig, denn schon jetzt produzieren wir mehr als genug Lebensmittel für alle. Genauer: Die weltweit produzierten Kalorien reichen etwa für elf Milliarden Menschen. Trotzdem hat die Zahl der Hungernden kürzlich die Marke von einer Milliarde Menschen überschritten. Gleichzeitig wächst die Zahl der Übergewichtigen in den westlichen Ländern. Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht.
Eine weitere Intensivierung der Landwirtschaft würde die Probleme, die wir schon jetzt durch Gülle-Seen, antibiotikaresistente Krankheitserreger und tierquälerische Haltungsbedingungen haben, weiter verstärken.
Aus all diesen Gründen wird die Agrarindustrie weiter an Glaubwürdigkeit einbüßen, wenn ihre Vertreter:innen die jüngeren Entwicklungen fortschreiben und gleichzeitig behaupten, es ginge vor allem um hehre Ziele wie die Ernährung der Weltbevölkerung und um die Erhaltung der Natur.
Die Frage wird sein, ob Öffentlichkeit und Politik verstehen und handeln werden, bevor es zu spät ist.