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Nach dem Wiesenhof-Skandal

Am Dienstag berichtete Report Mainz über tierquälerische Zustände bei der Firma Wiesenhof.

Seit der Ausstrahlung dieses Beitrags hat sich einiges getan: Wiesenhof hat mit »Engel und Zimmermann« eine PR-Agentur für Krisenkommunikation beauftragt, die auch in der Vergangenheit schon öfter für Unternehmen aus der Massentierhaltung tätig war. Weiterhin hat Wiesenhof Strafanzeige gegen Peta gestellt, weil ein »begründeter Verdacht« bestehe, dass Peta die Farmleiterin instrumentalisiert habe.

Der Weser-Kurier berichtet in der Zwischenzeit, dass Wiesenhof alle seine Farmleiter aufgefordert habe, Tierschutzrichtlinien »so gut wie möglich« einzuhalten und bei verschiedenen Aktivitäten die Türen möglichst geschlossen zu halten. Begründung: »Tierschützer sind unterwegs«.

Unabhängig von Details zu Wiesenhofs Vorgehen weist die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt darauf hin, dass die Hühnermast systemimmanent tierquälerisch ist: Bei den Tieren handelt es sich aus unserer Sicht um Qualzuchten, weil sie sich häufig schon im Alter von sieben Wochen vor lauter Gewicht kaum noch bewegen können und an Knochendeformationen leiden. Hinzu kommt die drangvolle Enge von bis zu 25 Tieren pro Quadratmeter. Damit die Elterntiere nicht unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbrechen, werden sie konstant hungrig gehalten, und die Liste geht noch weiter.

Die Geflügelwirtschaft behauptet hingegen, sie nehme eine Vorreiterrolle im Tierschutz ein. Diese Darstellung kommentiert für uns Dr. Hermann Focke, leitender Amstveterinär a.D.: »Wenn [...] behauptet wird, 'dass Deutschland seit mehr als einem Jahrzehnt eine Vorreiterrolle beim Tierschutz in der Hähnchenaufzucht einnimmt', ist dieses zumindest irreführend, um nicht zu sagen pharisäerhaft. Tatsache ist folgende: An einem ungewöhnlich heißen Wochenende im August 1992 verendeten in den Geflügelställen der Region Weser-Ems mehr als 1.000.000 Tiere, vorwiegend Masthühner und Puten. Große Bestürzung in der Bevölkerung; die Medien traten auf den Plan. Die Politiker mussten reagieren. Es wurde ein Arbeitskreis gebildet. Dieser erstellte nach zahlreichen Sitzungen und Beratungen ein Gutachten. Aufgrund dieses Gutachtens verkündete am 10.12. 1993 der zuständige Landwirtschaftsminister den sogenannten Masthähnchenerlass, in dem für die Zukunft eine maximale Belegdichte von 30kg/m2 (d.h.höchstens 20 Tiere/m2) festgeschrieben wurde. Dieser Erlass, der die Belegdichte einschränkte, ist jedoch nie umgesetzt worden, obwohl es weiterhin gängige Praxis war, dass die behördlich genehmigten Belegzahlen nicht unerheblich überschritten wurden. Denn es passierte Folgendes: Die Geflügelwirtschaft intervenierte beim zuständigen Minister mit dem Ergebnis, dass am 30.10. 1997 der damalige niedersächsische Landwirtschaftsminister Funke eine Vereinbarung mit der niedersächsischen Geflügelwirtschaft unterschrieb, nach der die Besatzdichte von ursprünglich 20 auf 26 Tiere/m2 , d.h. um 30% erhöht wurde. Diese Daten wurden dann auch später von der EU- Kommission übernommen. Ergo: Deutschland war Vorreiter aber im negativen Sinne. Weitere Details zu diesem Thema sowie Beispiele und Hintergründe agrarindustrieller Nutztierhaltung können meiner Dokumentation 'Tierschutz in Deutschland - Etikettenschwindel?!' entnommen werden.«

Unsere Empfehlung lautet: Essen Sie kein Hühnerfleisch - unabhängig davon, ob es von Wiesenhof oder einem anderen Anbieter stammt.

Nachtrag 24. Januar 2010

Wiesenhof behauptet, der Vorwurf der systemimmanenten Tierquälerei sei nun widerlegt. Um dieses Argument zu stützen, werden Kontrollen von Amtsveterinären von vor und nach dem Skandal aufgeführt. Dazu ist anzumerken, dass die Kontrollen aus zwei Gründen nichtssagend sind: Zum einen wird Wiesenhof für die Kontrolle nach dem Skandal gründlich aufgeräumt haben, und zum anderen heißt es leider meist nicht viel, wenn Amtsveterinäre nichts zu bemängeln haben. Amtsveterinäre vernachlässigen immer wieder ihre Berufsordnung, die sie eigentlich zu Schützern der Tiere macht. In der Praxis müssen wir aber immer wieder die Erfahrung machen, dass Amtsveterinäre als Schützer der Tier»nutzer« auftreten. Das geschieht teilweise unfreiwillig wegen Überlastung, aber oft scheint schlichtweg der Wille zu fehlen, Misstände zu erkennen bzw. gegen sie vorzugehen.

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