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EU empfiehlt deutlich bessere Hühnerhaltung

Eine maximale Besatzdichte von 11 Kilogramm pro Quadratmeter, gesündere Rassen, keine Käfighaltung, Verbot von Amputationen, mehr Beschäftigungsmöglichkeiten – das sind einige der Empfehlungen aus einem wissenschaftlichen Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zur Haltung von Hühnern in der Mast.

Grundlage für die Überarbeitung der EU-Tierschutzvorschriften

Das Gutachten zu »Masthühnern« und ein weiteres zu »Legehennen« hatte die Europäische Kommission im Rahmen ihrer Farm-to-Fork-Strategie (»Vom Hof auf den Tisch«) angefordert. Sie sind Teil der wissenschaftlichen Grundlage für die derzeitige Überarbeitung der EU-Tierschutzvorschriften. Für Masthühner ist dies die Richtlinie 2007/43/EG, für Legehennen die Richtlinie 1999/74/EG. Ein Entwurf der neuen EU-Tierschutzvorschriften soll noch in diesem Jahr vorgelegt werden.

Die Autor:innen der Gutachten identifizierten zunächst 19 relevante Tierschutz-Probleme (»welfare consequences«) für »Masthühner« und 11 für »Legehennen« in den verschiedenen Haltungssystemen, die das Wohlergehen der Hühner negativ beeinflussen. Dabei betrachteten sie den kompletten Lebenszyklus der Hühner – also von den Elterntieren über die Küken bis zur eigentlichen Mast oder Haltung im Legebetrieb. Unter den Problemen sind:

  • körperliche Schäden wie Knochenverletzungen, Weichteil- und Hauterkrankungen sowie Störungen des Bewegungs- oder Verdauungsapparats,
  • Beschränkungen der natürlichen Verhaltensweisen wie Komfortverhalten (Gefiederpflege, Staubbaden, Flügelschlagen), Ruhen oder Erkunden der Umgebung und Nahrungssuche (Umherlaufen, Scharren, Picken),
  • Stressoren wie Angst, Hunger, Durst, Hitze, Kälte, Artgenossen und das Handling durch Menschen.

Zudem bestimmten die Wissenschaftler:innen tierbezogene Indikatoren (»animal-based measures«), mit denen man das Wohlergehen von Hühnern bewerten kann. Dazu gehören neben der Tiergesundheit (z. B. Wunden, Brüche und Krankheiten) auch der Allgemeinzustand (z. B. Gefiederzustand, Verschmutzungen) und das Verhalten (z. B. Stressanzeichen, Angstverhalten, Lethargie, Verhaltensstörungen, Schubsen und Bepicken anderer Hühner).

Die Empfehlungen der EFSA

Die Empfehlungen der EFSA zeigen, wie die Haltung von Hühnern in Mast und Eierindustrie aussehen müsste, damit die Tiere weitgehend gesund bleiben und ihre natürlichen Verhaltensweisen ausleben können.

Abkehr von Qualzucht bei »Masthühnern«

Eine der dringendsten Empfehlungen der Wissenschaftler:innen ist, bei Hühnern in der Mast auf gesündere, langsamer wachsende Zuchtlinien zu setzen. Sie plädieren für eine Wachstumsrate von weniger als 50 Gramm pro Tag. Bei schnellerem Wachstum drohen den Tieren schwerwiegende gesundheitliche Folgen. Die EFSA weist darauf hin, dass das Wohlbefinden der Tiere umso höher ist, je langsamer sie wachsen.

Die Abkehr von einer Zucht auf schnelles Wachstum würde auch ein weiteres Tierschutz-Problem lösen: »Masthühnern« wurde das Sättigungsgefühl weggezüchtet, damit sie mehr essen und schneller zunehmen. Bei den für die Zucht eingesetzten Elterntieren ist das genauso. Da sie jedoch nicht nach wenigen Wochen geschlachtet werden, sondern noch weiter wachsen können, würden sie dadurch zwangsläufig enorme gesundheitliche Probleme bekommen. Die Elterntiere erhalten daher ab einer bestimmten Größe nur noch eingeschränkt Futter – was für sie chronischen Hunger bedeutet.

Bei »Legehennen« empfiehlt die EFSA, Informationen über das Risiko von Knochen- und Weichteilverletzungen sowie Schäden an den Eingeweiden zu sammeln, um diese durch Zucht zu verringern.

Geringere Besatzdichte in der Mast

Eine weitere dringende Empfehlung der EFSA ist eine maximale Besatzdichte in der Hühnermast von 11 Kilogramm pro Quadratmeter. Das entspricht etwa fünf Tieren von je zwei Kilogramm. Bei höheren Besatzdichten ist kein Platz mehr, um natürliche Verhaltensweisen auszuleben. Fußballenerkrankungen (Foot Pad Dermatitis) nehmen dann zu und die Fähigkeit der Tiere zu gehen nimmt ab.

Bei einer derzeitigen Höchstgrenze von 42 Kilogramm pro Quadratmetern (also 21 Hühner à 2 Kilogramm) laut EU-Richtlinie, einem Maximum von 39 Kilogramm pro Quadratmeter (ca. 20 Hühner) in Deutschland und 35 Kilogramm pro Quadratmeter (ca. 18 Hühner) in der »Initiative Tierwohl« ist das eine sehr deutliche Botschaft: Die Hühner in der Mast brauchen sehr viel mehr Platz.

Für erwachsene Hennen in der Eierindustrie empfiehlt die EFSA eine Höchst-Besatzdichte von vier Hühnern pro Quadratmeter. Dem stehen aktuell neun Hühner in der Boden- und Freilandhaltung sowie sechs Hühner pro Quadratmeter in der Biohaltung gegenüber.

Auslauf statt Käfig für alle Hühner

Das Gutachten empfiehlt zudem – in Übereinstimmung mit der Europäischen Bürgerinitiative »End the Cage Age« – jegliche Form der Käfighaltung zu beenden. Weder in Einzelkäfigen noch in ausgestalteten Kleingruppenkäfigen ist es den Hühnern möglich, einen Großteil ihrer natürlichen Verhaltensweisen auszuleben.

Die Haltung von Hennen in Käfigen ist in Europa jedoch noch weit verbreitet. In der EU leben etwa 50 % aller »Legehennen« in Käfigen. Das sind rund 200 Millionen Tiere. Auch die Elterntiere der »Masthühner« werden teilweise in Käfigen gehalten. Das European Forum of Farm Animal Breeders (EFFAB) geht in einer Stellungnahme gegenüber der EFSA von etwa 360.000 Einzel- und 75.000 Gruppenkäfigen für »Masthuhn«-Elterntiere in Europa aus.

Für alle Hühner sollte laut EFSA eine überdachte Veranda bzw. ein Wintergarten zur Verfügung stehen, damit die Vögel zwischen verschiedenen Temperaturen, Lichtverhältnissen und Substratqualitäten wählen können. Auch das Futter-, Erkundungs- und Komfortverhalten wird dadurch gefördert. Selbst wenn zusätzlich ein Auslauf angeboten wird, ist eine Veranda nach Erkenntnissen der EFSA sehr sinnvoll, da sie den Hühnern einen schrittweisen Übergang vom Stall ins Freie ermöglicht.

Ein Auslauf bietet den Hühnern weitere Möglichkeiten, natürliches Verhalten auszuleben und steigert damit ihr Wohlbefinden. Er sollte laut EFSA zu mindestens 70 % bewachsen sein, 50 % sollten dabei Bäume und Büsche sein. In der EU hatten im Jahr 2020 jedoch nur rund 18 % der Hennen in der Eierindustrie Zugang zu einem Auslauf – Bäume und Büsche sind Mangelware. Bei Hühnern in der Mast sind Haltungen mit Auslauf vor allem in der Bio-Landwirtschaft anzutreffen.

Amputationen vermeiden

Alle Formen von Amputationen – Schnabelkürzen, Abschneiden der Zehenenden und des Kamms – sollten vermieden werden. Sie sind zwar in Deutschland nicht mehr üblich, in einigen EU-Ländern jedoch an der Tagesordnung. Durch die Amputationen soll verhindert werden, dass sich die Tiere gegenseitig verletzen. Dies kann und sollte jedoch durch bessere Haltung und besseres Management erreicht werden. Insbesondere bei »Legehennen« ist das routinemäßige Schnabelkürzen noch weit verbreitet, obwohl der Schnabel ein hochsensibles und wichtiges Sinnesorgan für die Hühner ist.

Strukturierter, heller und sauberer Stall

Die EFSA empfiehlt strukturierte Ställe mit Sitzstangen, erhöhten Plattformen, die durch Rampen leicht zugänglich sind, sowie Beschäftigungsmaterial. Die Hühner können sich so auch gegenseitig aus dem Weg gehen. Zuchthennen brauchen dazu getrennte Nistbereiche und Nester sowie Schutz vor aggressiven Hähnen. Gesetzliche Vorgaben der EU gibt es dazu bislang nicht.

Der Stallboden sollte zu jeder Zeit mit trockener, lockerer Einstreu bedeckt sein. Das ist für Hühner in der Mast auch gesetzlich vorgeschrieben, wird jedoch oft nicht konsequent umgesetzt. Untersuchungen zeigen, dass das Substrat bereits nach 14 Tagen zu 80 % aus Exkrementen und Futterresten besteht, so die EFSA. Deshalb sollte im Maststall wöchentlich neues Einstreumaterial hinzugefügt werden, um das Wohlbefinden und das Erkundungs- und Suchverhalten zu fördern sowie um Entzündungen und Verätzungen der Haut zu vermeiden.

Die Helligkeit sollte mindestens die gesetzlich vorgeschriebenen 20 Lux betragen. Besonders junge Tiere (Junghennen, »Masthühner«), sollten jedoch auch dunkle Ruhebereiche zur Verfügung haben. Dies reduziert Ängstlichkeit bei den Tieren.

In Bezug auf die Luftqualität empfiehlt die EFSA, dass die Ammoniakkonzentration in der Luft 15 ppm nicht überschreiten sollte. Die Masthuhn-Richtlinie der EU schreibt ein Maximum von 20 ppm vor.

Europaweit einheitliche Kontrollen in Schlachthöfen

Die EFSA empfiehlt zudem, in Schlachthöfen europaweit einheitlich die Sterblichkeit im Betrieb, Verletzungen, Fußballenentzündungen und aussortierte Schlachtkörper zu erfassen, um Rückschlüsse auf das Wohlergehen der Tiere zu ziehen.

Fazit: Hühnerhaltung ist aktuell nicht tiergerecht

Die Empfehlungen der EFSA gehen zum Teil weit über die Standards hinaus, die heutzutage in der Tierhaltung üblich sind. Hier muss deutlich nachgebessert werden, um ein Mindestmaß an Wohlergehen für die Hühner zu gewährleisten. In Deutschland sind insbesondere die Punkte Qualzucht und Besatzdichte bei Hühnern in der Mast kritisch zu bewerten. Selbst wenn die EU die Empfehlungen der EFSA nicht eins zu eins übernehmen sollte, wird durch die Gutachten deutlich, dass die üblichen Haltungspraktiken in Deutschland und Europa erhebliches Leid bei den Tieren verursachen.

Die Kriterien unserer Europäischen Masthuhn-Initiative sind im Vergleich zu den EFSA-Empfehlungen bescheiden. Das liegt daran, dass möglichst viele Unternehmen sie umsetzen können sollen, um die Tierschutzstandards in der Breite und nicht nur punktuell zu heben. Das funktioniert: Mehr als 580 Unternehmen weltweit sind an Bord, viele mussten jedoch auch hartnäckig überredet werden. Sollten die Empfehlungen der EFSA bzw. neue EU-Vorgaben einen schnelleren Wandel ermöglichen, freut uns das.

Eine Informationsveranstaltung zu weiteren Gutachten der EFSA zur Haltung von Kälbern, Milchkühen, Enten, Gänsen und Wachteln ist für Mai 2023 geplant.

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