Massentierhaltungs-Psychologie
Wir beobachten seit mehreren Jahren ein besorgniserregendes Phänomen: Während Intensivtierhalter der älteren Generationen sich oft für das schämen, was sie tun (zumindest wenn man sie mit den Zuständen in ihren Ställen konfrontiert), haben jüngere Massentierhalter oft kein Problem damit, ihre Praktiken in der Öffentlichkeit zu verteidigen. Manche von ihnen scheinen sogar regelrecht stolz auf das zu sein, was sie tun.
Wie können diese Menschen trotz der immensen Leiden, die sie über unzählige Tiere bringen, ruhigen Gewissens schlafen? Diese Frage hat sich das US-Magazin »The Atlantic« im Artikel The Dangerous Psychology of Factory Farming gestellt. Die Erklärungen dafür sind ebenso einfach wie überzeugend:
1. Während vor der Ausweitung der Massentierhaltung das einzelne Tier noch im Mittelpunkt stand und die Bauern viel Zeit im individuellen Kontakt mit den Tieren verbrachten, geht das einzelne Tier in der Intensivtierhaltung in einer anonymen Masse unter. Traditionelle Bauern wussten und wissen, dass jedes Tier ein Individuum mit eigenem Charakter und eigenen Zu- und Abneigungen ist. Der moderne Massentierhalter gibt seinen Tieren dagegen keine Namen mehr, sondern Nummern – und je nach Tierart noch nicht mal mehr das.
2. Die Verwissenschaftlichung der Tierhaltung wirkt wie ein Katalysator für diese Entwicklung. Bei einem traditionellen Bauern fressen die Tiere. In der Intensivtierhaltung »konvertieren« bzw. »veredeln« sie Futter zu Fleisch, Milch und Eiern. Dass es seinen Tieren angeblich gut geht, liest der moderne Massentierhaltern an Kenngrößen ab: Futter- und Wasserverbrauch liegen im normalen Bereich, die »Mastleistung« stimmt, die Mortalitätsrate ist nicht höher als das, was als üblich angesehen wird. Ergo ist mit den Tieren - oder besser: »dem Tiermaterial« - alles in Ordnung.
Diese psychologischen Mechanismen erlauben es vielen jungen Massentierhaltern, die Leiden ihrer Tiere komplett auszublenden. Dass ältere Massentierhalter oft noch ein schlechtes Gewissen haben, dürfte daran liegen, dass sie als Kinder noch persönliche Beziehungen zu Tieren aufgebaut haben und daher wissen, was die Massentierhaltung den Tieren antut.
Anmerkung: Traditionelle Formen der Tierhaltung dürfen nicht idealisiert werden. Sie sind nicht automatisch besser als die Intensivtierhaltung.