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Ställe werden zu selten kontrolliert

Die Einhaltung des Tierschutzrechts wird in deutschen Ställen noch seltener überprüft als von Tierschutzorganisationen befürchtet. Dies offenbaren Antworten der Bundesregierung auf Anfragen von FDP und Grünen. Dabei sind Kontrollen dringend notwendig: In jedem fünften überprüften Betrieb wurden Verstöße festgestellt. Die Strafen fallen allerdings gering aus.

Die Bundestagsfraktionen von FDP und Grünen befragten die Bundesregierung jeweils im Juli zu Kontrollen der Tierschutzstandards in deutschen Ställen. Die Fraktionen wollten wissen, ob die zur Verfügung stehenden Ressourcen ausreichend und die Kontrollsysteme wirksam sind. Da Rechercheteams von Tierschutzorganisationen immer wieder Missstände aufdecken, gab es Grund, dies zu bezweifeln.

Überprüfungen im Schnitt alle 17 Jahre

Laut Bundesregierung gibt es bundesweit 14.600 Stellen für amtliche Kontrolleur:innen und knapp 563.000 kontrollpflichtige Betriebe. Die Stellen sind allerdings nicht proportional zur Anzahl der Tierhalter:innen auf die Bundesländer verteilt, sodass in Ländern mit verhältnismäßig viel landwirtschaftlicher Tierhaltung seltener nachgesehen wird.

In Bayern gibt es die meisten tierhaltenden Betriebe – aktuell rund 131.000. Verrechnet man die in den Jahren 2009 bis 2017 durchgeführten Kontrollen mit der durchschnittlichen Zahl der Betriebe, werden Ställe dort im Schnitt nur alle 48 Jahre überprüft.

In Schleswig-Holstein dauert es durchschnittlich rund 37 Jahre bis zur nächsten Kontrolle, in Sachsen-Anhalt 24 Jahre, in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg 20 Jahre. In diesen Ländern, außer in Mecklenburg-Vorpommern, gibt es jeweils zwischen 53.000 und 86.000 Betriebe.

Tierhaltende Landwirt:innen in Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen müssen sich im Schnitt alle 15 Jahre auf eine Überprüfung einstellen; jene in Sachsen, Thüringen, Bremen, dem Saarland sowie Hamburg rund alle 8 Jahre. In Berlin wird alle 2,6 Jahre und damit am häufigsten kontrolliert. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 17 Jahren.

Jeder fünfte Betrieb auffällig

Im Jahr 2017 überprüften die Veterinärämter im gesamten Bundesgebiet rund 30.000 landwirtschaftliche Tierhaltungen. Bei 6.127 stellten sie Verstöße fest – das sind mehr als 20%. Gegen 1.220 der beanstandeten Betriebe – also nur 20% – leiteten die Behörden direkt ein Ordnungswidrigkeits- oder Strafverfahren ein. In den anderen Fällen forderten sie die Verantwortlichen lediglich dazu auf, die Probleme zu beseitigen.

Nach unserem Kenntnisstand finden sehr viele Kontrollen angemeldet statt, was den Tierhaltern Zeit gibt, die wesentlichen Missstände zu beheben. Bei durchgehend unangemeldeten Überprüfungen wäre mit weit mehr Verstößen zu rechnen. Eine juristische Verfolgung scheitert oft an mangelnden Kenntnissen, wirtschaftlichen Interessen oder der ungleichgewichtigen Verteilung des Klagerechts.

Hintergrund: Sind Tierschutzrecherchen unnötig?

In einem beispielhaften Urteil hatte das Oberlandesgericht Naumburg Anfang des Jahres entschieden, dass das Betreten von Ställen und das Dokumentieren von Missständen durch Tierschützer:innen gerechtfertigt und richtig ist, wenn die zuständigen Behörden zuvor untätig blieben.

Die regierenden Parteien hielten in ihrem Koalitionsvertrag hingegen fest, dass sie »Einbrüche in Tierställe als Straftatbestand effektiv ahnden« wollen. Die FDP fordert sogar, dass Tierschutzorganisationen, die Rechercheaktionen fördern, die Gemeinnützigkeit aberkannt werden soll. Als Begründung geben die Parteien an, dass die herkömmlichen Kontrollsysteme angeblich gut funktionieren würden. Dies wurde nun durch die aktuellen Daten widerlegt.

Unsere Forderungen

Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, den Tierschutz zu verbessern. Dazu schweben ihr zweifelhafte Maßnahmen wie die Einführung eines freiwilligen »Tierwohllabels« vor. Solange sich Tierhalter regelmäßig über das Tierschutzrecht hinwegsetzen, werden die geplanten Maßnahmen eine Farce bleiben.

Dass die Veterinärämter ihre Kontrollaufgaben nur bedingt erfüllen, ist schon länger bekannt. Sie kontrollieren nicht nur zu selten, sondern sind oft nicht hinreichend vor Vetternwirtschaft geschützt. Zudem haben diejenigen, die ihren objektiven Kontrollauftrag ernst nehmen, oft zu wenig Ressourcen und Macht. Das bestätigt ein Gutachten über das bayerische Veterinärwesen aus dem Jahr 2016. Es ist höchste Zeit, das ganze System zu überarbeiten.

(jw)

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