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Das Schnabelkürzverbot allein ist unzureichend

Heute haben Spiegel Online und die Tierrechtsorganisation Animal Equality Bilder aus einem der größten Eier produzierenden Betriebe des Landes veröffentlicht. Sie dokumentieren erschütternde Zustände in der Legehennenhaltung. Die Eier aus Bodenhaltung des brandenburgischen Betriebs stehen in den Regalen von Aldi, Edeka, Marktkauf, Netto, Netto Marken-Discount und Rewe. Auf den Aufnahmen sind Tiere mit großflächig kahlen Stellen sowie Wunden, besonders an den Legeorganen, zu sehen – Folgen des gegenseitigen Bepickens. Der vollzogene Ausstieg aus dem Schnabelkürzen kann nur dann funktionieren, wenn sich die Haltungsbedingungen bessern. Daher fordert die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt jetzt klare Maßnahmen vom Lebensmitteleinzelhandel, um das Leid der Hennen schnell zu verringern. In einem Brief an die 16 umsatzstärksten Ketten fasst die Tierschutz-Stiftung zusammen, welche Schritte der Handel dringend umsetzen muss.

»Wir haben erwartet, dass reihenweise solche Probleme auftreten, wie sie jetzt ans Licht kommen«, sagt Mahi Klosterhalfen, Geschäftsführer der Albert Schweitzer Stiftung. »Von einem geglückten Schnabelkürzausstieg kann leider keine Rede sein.« Unter den üblichen Bedingungen – egal ob bei der Boden-, Freiland- oder Biohaltung – entwickeln die Legehennen Verhaltensstörungen; die Tiere verletzen sich dann gegenseitig massiv, zupfen sich gegenseitig Federn aus und picken sich blutig, teils mit tödlichen Folgen.

Die Albert Schweitzer Stiftung hat darum ein Papier mit Forderungen der aus ihrer Sicht absolut unverzichtbaren Maßnahmen erstellt. Diese soll der Lebensmitteleinzelhandel allen Lieferanten von Schaleneiern (unabhängig von der Haltungsform) verpflichtend vorschreiben:

  • Strukturierte Umwelt

    Die Haltungssysteme müssen den Tieren in allen Lebensphasen abwechslungsreiche Strukturen bieten und etwa das Scharren in Einstreu sowie Sandbaden ermöglichen. Falls erforderlich müssen die Tiere mehr Platz bekommen (Verringern der Besatzdichte).

  • Beschäftigung

    Die Tiere müssen ausreichend Zugang zu Raufutter (in Form von Luzerne, Heu und/oder Stroh) sowie zu Pickblöcken und anderen Beschäftigungsmaterialien haben.

  • Kontrolle

    Die Tierbetreuer müssen zweimal täglich die Tiere beobachten, bei Bedarf häufiger.

Diese Maßnahmen hat die Stiftung nach Auswertung der Literatur zu einem verantwortungsvollen Ausstieg aus dem Schnabelkürzen zusammengestellt. Nach Einschätzung der Stiftung würden sie die Erzeugungskosten pro Ei nur sehr geringfügig anheben.

»Die derzeitige Praxis des Schnabelkürzausstiegs ist nur eine Billig-Lösung auf Kosten der Tiere, kritisiert Mahi Klosterhalfen. »Das Kürzen wird zwar unterlassen oder es wird nur noch ganz wenig vom Schnabel entfernt, aber vorsorgende Schritte, damit Verhaltensstörungen erst gar nicht auftreten, unterbleiben aus Kostengründen. Viele Legehennenhalter verringern stattdessen einfach die Beleuchtung in den Ställen, um so den Stress der Tiere zu minimieren. Bei geringer Lichtintensität und ohne richtigen Tag-Nacht-Rhythmus sind jedoch Wahrnehmung, Aktivität, Verhalten und das Wohlergehen der Hennen erheblich eingeschränkt«, so Klosterhalfen.

Hintergrund

Federpicken und Kannibalismus bei Legehennen sind nicht aggressiv motiviert, sondern Verhaltensstörungen. Sie entwickeln sich aus fehlgeleitetem Futtersuche- und Futteraufnahmeverhalten. Um diese Störungen zu vermeiden, entfernte man routinemäßig den weiblichen Legehennen-Küken über Jahrzehnte die empfindsamen Schnabelspitzen. Intakte Schnäbel sind jedoch unter anderem für Nahrungsaufnahme und Wohlbefinden wichtig. Das Schnabelkürzen ist zudem ein sehr schmerzhafter Prozess für die Küken.

Diese brutale Praxis gilt in Deutschland inzwischen als beendet. Nach dem 31. August 2018 dürfen von Hennen mit gestutzten Schnäbeln keine Eier mehr vermarktet werden, die das Logo des Vereins für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen (KAT) tragen. Da diesem Verein nahezu alle Legehennen-Betriebe in Deutschland angehören, werden seit 2017 nur noch Tiere ohne amputierte Schnabelspitze eingestallt. Schon zuvor gab es eine freiwillige Vereinbarung zwischen der Eier-Industrie und dem Bundeslandwirtschaftsministerium, das Schnabelkürzen seit August 2016 zu unterlassen.

Die Albert Schweitzer Stiftung war maßgeblich daran beteiligt, dass sich Wirtschaft und Politik überhaupt auf einen Schnabelkürzausstieg eingelassen haben. Das damalige Forderungspapier der Stiftung erreichte praktisch alle relevanten Entscheider aus Politik und Wirtschaft.

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