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Jugendreport zur Zukunft der Ernährung

Wie sich unsere Gesellschaft in Zukunft entwickeln wird, hängt maßgeblich von den heutigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen ab. Wie positioniert sich diese Generation in Bezug auf Nachhaltigkeit, Fleischkonsum und Klimawandel? Diese Frage haben Forscher:innen der Universität Göttingen im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung untersucht – mit spannenden Ergebnissen. Wir fassen die Kernaussagen des »Jugendreports zur Zukunft nachhaltiger Ernährung« für Sie zusammen.

Wie ernährt sich die Jugend?

Für ihre Studie haben die Wissenschaftler:innen knapp 1.500 junge Erwachsene zwischen 15 und 29 Jahren befragt. 90 % davon geben an, dass sie sich für Ernährungsthemen interessieren; für rund 70 % ist gesunde Ernährung »wichtig«. Junge Erwachsene achten dabei stärker als die Gesamtbevölkerung auf Bio, einen hohen Proteinanteil, Superfoods und laktosefreie Nahrungsmittel.

Fleischkonsum

Die Ergebnisse der Umfrage zum Fleischkonsum zeigen eine deutliche Tendenz hin zu immer weniger Tierprodukten: knapp 64 % der Befragten bezeichnen sich als omnivor, 24 % ernähren sich flexitarisch (»Ich esse nur zeitweise oder ganz selten Fleisch«). 12 % ernähren sich fleischlos, 2 % vegan. Vielsagend sind die Pläne für die Zukunft: 2/3 der Flexitarier:innen und 1/3 der omnivoren Esser:innen möchten ihren Fleischkonsum künftig (weiter) reduzieren.

Bei den meisten Befragten liegt die Ernährungsumstellung noch nicht allzu lange zurück: ein Drittel der Flexitarier:innen und Vegetarier:innen haben innerhalb des letzten Jahres umgestellt. Die Entwicklung ist also sehr dynamisch. Mitte der 2000er Jahre haben sich erst 3 % der Deutschen ganz ohne Fleisch ernährt.

Unterschiede zwischen Männern und Frauen

Bei der Ernährungsweise ist ein deutlicher Unterschied zwischen den jungen Frauen und Männern zu erkennen: Fast 17 % der Frauen ernähren sich ohne Fleisch, 3 % von ihnen leben vegan, fast jede Dritte ist Flexitarier:in. Oder anders gesagt: nur rund die Hälfte der Frauen ernährt sich klassisch omnivor. Bei den jungen Männern sind das noch 75 %. Der Anteil der Vegetarier ist bei ihnen nur halb so groß wie bei den weiblichen Befragten.

Die Gründe

Warum entscheiden sich die jungen Erwachsenen für eine Ernährung ohne Fleisch? Die Studie zeigt, dass tierethische Überlegungen akzeptierte Motive sind. Den Autor:innen der Studie zufolge sind »klassisch anthropozentrische Positionen« unter den Befragten »kaum noch verbreitet«: die Nutztierhaltung wird als inakzeptabel angesehen. So stimmen zum Beispiel knapp 66 % aller Teilnehmer:innen der Aussage zu: »Wie Tiere in der Landwirtschaft gehalten werden, macht mich traurig.« 13 % finden zudem, dass die Nutzung von Tieren für die Fleisch- und Milchproduktion komplett abgeschafft werden sollte. Lediglich 5 % finden die heutige Tierhaltung im Grundsatz in Ordnung, so wie sie ist.

Veganer:innen als stolze Trendsetter

Interessant ist die Rolle der Veganer:innen, die sich in der Befragung herauskristallisiert: Sie sehen ihren Ernährungsstil als Teil ihrer persönlichen Identität an, sind Trendsetter:innen und werden häufig von anderen um Rat gefragt. Einiges deutet zudem darauf hin, dass viele Flexitarier:innen durch vegane und vegetarische Personen in ihrem Umfeld zur Fleischreduktion motiviert wurden bzw. werden.

Die Wissenschaftler:innen haben die jungen Erwachsenen auch zu dem sozialen Druck befragt, dem sie sich aufgrund ihrer Ernährungsweise ausgesetzt fühlen. Hier hat ein Wandel eingesetzt: Früher sah man sich unter Druck, wenn man sich fleischlos oder vegan ernährte, heute ist es umgekehrt. 12 % der Omnivoren sehen sich unter Druck, ihren Ernährungsstil anzupassen. Bei den Vegetarier:innen sind es nur 3 % und bei den Veganer:innen 7 %. Tatsächlich sind die meisten Personen, die sich fleischlos ernähren, »stolz« auf ihre Ernährung – bei den Omnivoren ist das nur bei 22 % der Fall. Als Außenseiter sehen sie die Vegetarier:innen und Veganer:innen nicht mehr.

Ersatzprodukte

Die jungen Erwachsenen wurden auch dazu befragt, ob und welche Fleisch- und Milchalternativen sie konsumieren. Die Ergebnisse unterstreichen das große Marktpotenzial dieser Produkte: 62 % aller Befragten finden es gut, dass es immer mehr vegetarische und vegane Ersatzprodukte gibt; 51 % sprechen sich für ein größeres Angebot solcher Produkte im Supermarkt aus (auch 40 % der omnivoren Esser:innen). Allerdings: Die Hälfte der Befragten findet die pflanzlichen Produkte zu teuer.

Fleisch- und Milchalternativen nehmen die jungen Menschen positiv wahr: Fast die Hälfte aller Befragten sagen, dass Fleischersatzprodukte ihnen »gut schmecken« oder dass sie sich »vorstellen können, dass sie gut schmecken«. Bei den Vegetarier:innen und Veganer:innen liegen die Zustimmungswerte sogar bei über 60 % und bei Milchalternativen bei über 80 bis 100 %.

Den Geschmack von Käsealternativen hingegen bewerten viele Befragte kritisch. Nur 31 % der Flexitarier:innen und 47 % der Vegetarier:innen finden diese Produkte lecker. Hier gibt es also noch Potenzial für Verbesserungen.

Klimaschutz

Es ist nicht überraschend, dass die große Mehrheit der jungen Erwachsenen im Klimawandel ein dramatisches Problem sieht. Fast 70 % denken, dass das Überleben der Menschheit auf dem Spiel steht. Insgesamt zeigen die Ergebnisse ein sehr starkes Klima- und Verantwortungsbewusstsein der jungen Generation; dafür spricht auch, dass nur 18 % der Befragten der Aussage, »Ich will jetzt Spaß am Leben haben, ohne über die Folgen nachdenken zu müssen« zustimmen.

Klimabewusste Ernährung

Die Wissenschaftler:innen haben auch untersucht, wie gut die Befragten die Klimarelevanz ihrer eigenen Ernährungsweise einschätzen können. Hier zeigen sich Unsicherheiten, derer sich die Befragten aber sehr wohl bewusst sind: 52 % möchten mehr über die Auswirkungen des Fleischkonsums wissen und 65 % finden, dass dieser Zusammenhang im Bildungssystem nicht ausreichend thematisiert wird. 24 % wissen nicht, wie sie sich klimafreundlich ernähren können.

Im Rahmen der Befragung sollten die jungen Erwachsenen den CO2-Fußabdruck verschiedener Lebensmittel schätzen. Dabei überschätzten sie den Studienautor:innen zufolge häufig die Klimabelastung durch den Schiff- und LKW-Transport und unterschätzten die enorme Klimabelastung durch beheizte Gewächshäuser. Darüber hinaus seien sich die meisten Teilnehmer:innen der Klimabelastung von tierlichen Produkten bewusst, jedoch werde sie oft (vor allem von Veganer:innen) überschätzt. Unterschätzt werde dagegen tendenziell der Klimavorteil von Feldgemüse gegenüber Fleisch. Hier ist allerdings zu beachten, dass die Angaben zum CO2-Fußabdruck in der Literatur eine große Bandbreite aufweisen. Bei einem Kilogramm Rindfleisch schwankt sie zwischen etwas unter zehn bis über 30 Kilogramm CO2-Äquivalenten und vereinzelt sogar weit darüber hinaus. Eine einheitliche globale Ermittlung von Daten ist nach wie vor schwierig, weil es für die Emissionsberechnung bei den verschiedenen Herstellungsschritten unterschiedliche bzw. keine Standards gibt.

Tatsächlicher CO2-Fußabdruck (kg CO2-Äquivalente/kg Lebensmittel)Mittlerer geschätzter CO2-Fußabdruck
Ananas, per Flugzeug15,117,2
Rindfleisch13,629,5
Käse5,79,6
Schweinfleisch4,619,9
Tomaten, beheiztes Gewächshaus, Deutschland2,94,5
Ananas, per Schiff0,617,7
Avocado0,617,6
Tomaten, Freiland, aus Südeuropa0,45,2
Möhren0,11,4

Auszug aus: Zühlsdorf, A., Jürkenbeck, K., Schulze, M., Spiller, A. (2021): Politicized Eater: Jugendreport zur Zukunft nachhaltiger Ernährung, Göttingen 2021.

Ernährungspolitik

Die Antworten der Befragten im Themenbereich »Ernährungspolitik« machen deutlich, dass sie die Politik in der Pflicht sehen: Der Aussage »Der Staat sollte die Menschen unterstützen, sich klimafreundlicher zu ernähren« stimmen 69 % zu. Große Zustimmungswerte erhielten auch die Aussagen, »Ich fände es gut, wenn klimafreundliche Lebensmittel klarer gekennzeichnet wären« (79 %). Im Mittel denken die Befragten außerdem, dass der Fleischkonsum in Deutschland aus Klimaschutzgründen um 43 % reduziert werden sollte. Für strengere Tierschutzgesetze und verpflichtende Tierschutzlabel sprechen sich knapp 75 % aus. Eine Mehrheit fordert außerdem ein Werbeverbot für geschönte Tierhaltungsbilder, Warnlabel auf Fleisch sowie eine Reduzierung der Preise für Obst und Gemüse mithilfe staatlicher Subventionen.

Fazit

Der Jugendreport zur Zukunft nachhaltiger Ernährung zeigt, dass die junge Generation zunehmend Fleisch von ihrem Speiseplan streicht. Die Gründe dafür sind tierethische Überlegungen, aber auch der Klimawandel. Die Entscheidung für eine vegetarische oder vegane Ernährung ist keine kurzlebige »Lifestyle-Entscheidung«: Junge Menschen wollen mit ihrer Ernährung ein Zeichen setzen und Verantwortung übernehmen.

Die Ergebnisse der Studie senden deutliche Signale an die Politik. Junge Menschen erwarten, dass der Staat eine klimafreundliche Ernährung mit starken Maßnahmen fördert. Die Lebensmittelwirtschaft steht ebenfalls in der Pflicht. Das zeigt der Wunsch nach erschwinglichen, gut schmeckenden Alternativprodukten und einer klaren Kennzeichnung klimafreundlicher Lebensmittel.

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