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Argumente gegen die Oktopus-Haltung

Die Nachfrage nach Oktopus-Fleisch wächst: Seit den 1980er Jahren sind die offiziellen Fangzahlen von Kopffüßern (zu denen neben Oktopussen beispielsweise auch Sepien und Kalmare gehören) deutlich angestiegen; im Jahr 2014 erreichten sie mit fünf Millionen Tonnen weltweit ihren Höhepunkt. Das berichtet die Organisation Compassion in World Farming (CIWF).

Diese steigende Nachfrage hat die Lebensmittelindustrie hellhörig gemacht: Um Geld zu verdienen und die Schwankungen bei der Versorgung mit wild gefangenen Tieren auszugleichen, will man nun Oktopusse in Gefangenschaft züchten. Warum das katastrophale Auswirkungen auf die Tiere selbst und auch auf die Umwelt haben würde, zeigt CIWF in einem aktuellen Bericht. Wir fassen die wichtigsten Argumente zusammen und stellen zunächst den Oktopus in einem Kurzportrait vor.

Der Oktopus: ein faszinierender Meeresbewohner

Oktopusse sind in allen Ozeanen der Erde zu Hause und ein wichtiger Teil des marinen Ökosystems. Die meisten Arten werden ein bis zwei Jahre alt. Sie wachsen schnell und erreichen ein Gewicht von bis zu 3 kg. Zur Fortbewegung auf dem Meeresboden nutzen sie ihre acht Arme. Um schnell zu schwimmen machen sie sich das Rückstoßprinzip zunutze: Sie saugen Wasser in ihre Mantelhöhle und stoßen es dann ruckartig wieder aus.

Zu den faszinierenden Eigenschaften der Oktopusse gehört ihre Fähigkeit, die Farbe und Beschaffenheit ihrer Haut in sekundenschnelle an ihre Umgebung anzupassen. Sie können besser sehen als Menschen, haben drei Herzen und blaues Blut. Besonders bemerkenswert ist ihr hochentwickeltes Nervensystem: neben 80 Millionen Neuronen im Gehirn haben sie viermal so viele Nervenzellen in ihren Armen, welche unabhängig voneinander schmecken und tasten sowie grundlegende Bewegungen ohne Einfluss des Gehirns steuern können. Zum Vergleich: Ein Hund hat etwa 500 Mio. Neuronen in seinem Gehirn, eine Katze 250 Mio. und der Mensch 100 Milliarden.

Studien zeigen, dass Oktopusse Schmerzen fühlen, ein Kurz- und Langzeitgedächtnis haben, Werkzeuge nutzen und voneinander lernen können. Weiterhin gibt es Hinweise darauf, dass Oktopusse planvoll handeln und kausal denken.

Eine »artgerechte« Haltung ist wirtschaftlich unmöglich

Die Leidensfähigkeit eines Tieres sollte eigentlich Grund genug sein, sie nicht für den menschlichen Verzehr in Gefangenschaft zu halten. Bei den Oktopussen kommt ihr komplexes und intelligentes Verhalten noch hinzu. Die Tiere erforschen gern ihre Umwelt, interagieren mit ihr und sind sehr neugierig. In der Massenproduktion müssten sie aber in kargen Umgebungen ohne Beschäftigungsmöglichkeiten ausharren. In solch einer Umgebung könnten sie ihre natürlichen Verhaltensweisen nicht ausleben, was zu Leiden führen würde. Zudem erhöht eine beengte Unterbringung das Risiko für Verletzungen, da Oktopusse kein schützendes Skelett besitzen.

Oktopusse sind zudem Einzelgänger. Ein enges Zusammenleben mit Artgenossen – in der wissenschaftlichen Literatur werden Besatzdichten von zehn Oktopussen pro Kubikmeter erwähnt – bedeutet für die Tiere enormen Stress, der zu Kannibalismus oder Autophagie (das bedeutet, dass die Tiere ihre eigenen Arme essen) führen kann.

Hohe Sterberaten in Gefangenschaft

Die Autoren von CIWF beschreiben in ihrem Report die zwei üblichen und extrem problematischen Praktiken, Oktpusse zu halten: in Käfigen im Meer oder in Becken an Land.

In Spanien werden beispielsweise wildlebende Jungtiere gefangen und dann für drei bis vier Monate in Käfigen im Meer »gemästet«. Die Tiere reagieren jedoch sowohl auf starken Wellengang als auch auf Veränderungen in der Wassertemperatur sehr sensibel. Dementsprechend hoch sind die Verluste: Bei (noch experimentellen) Versuchen, in Spanien Oktopusse in Aquakultur zu halten, sterben 20 % der Tiere.

Auch Produktionsanlagen an Land sind noch nicht marktreif, aber ihre Entwicklung schreitet voran – in Europa vor allem in Spanien. Doch auch hier zeichnen sich Probleme ab: Oktopusse pflanzen sich nur einmal im Leben fort – danach sterben sie. Um neue Tiere züchten zu können, müssen immer wieder Brutbestände aus dem Meer geholt werden, was der natürlichen Population schadet. Eine große Herausforderung ist hier außerdem die adäquate Fütterung der Oktopusse in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien.

Keine verlässlichen Betäubungsmethoden vor der Schlachtung

Bereits in den kommenden Jahren soll die groß angelegte, kommerzielle Produktion von Oktopussen beginnen – und das, obwohl es keine wissenschaftlich abgesicherten Tötungsmethoden für die Tiere gibt. CIWF nennt verschiedene, in der Literatur diskutierte Tötungsmethoden:

  • eine Überdosis mit Betäubungsmitteln (es ist unklar, welche Mittel und Dosen wirksam sind)
  • das Einschlagen oder Abtrennen des Kopfes bzw. das Aufschneiden des Gehirns (wegen des dezentralen Nervensystems spricht sehr viel dafür, dass die Tiere dabei massiv leiden. Außerdem sind diese Verfahren ohne vorherige Betäubung kaum durchzuführen.)
  • elektrischer Strom (auch hier ist die Wirkung unklar)

»Humane« Alternativen zu diesen Methoden, die sicherstellen würden, dass die Oktopusse vor dem Töten ihr Bewusstsein verlieren, gibt es nicht. Unterm Strich ist eine »humane« Schlachtung von Oktopussen derzeit nicht möglich.

Nachhaltigkeit

Die Zucht und Haltung von Oktopussen zieht auch ernsthafte Umweltprobleme nach sich. Der Grund dafür ist ihre Ernährung, die auf Krebsen, Muscheln und kleinen Fischen basiert.

Heute werden bereits etwa 20 bis 25 % aller wild gefangenen Fische zu Fischmehl und -öl verarbeitet und in dieser Form in Aquakulturbetrieben an fleischfressende Arten verfüttert. Das setzt die Wildfischpopulationen enorm unter Druck. Es ist unverantwortlich, nun auch noch große Mengen Krustentiere und Fische für die Oktopuszucht aus den Meeren zu fischen. Dieser Vorgang widerspricht außerdem den Strategischen Leitlinien für eine nachhaltigere und wettbewerbsfähigere Aquakultur in der EU, die eine Beschränkung der »Abhängigkeit der Futtermittelhersteller von Fischmehl und Fischöl aus Wildbeständen« vorsehen.

Kein rechtlicher Rahmen

Das spanische Unternehmen Nueva Pescanova erwartet, ab dem Jahr 2023 Oktopusse aus Aquakultur verkaufen zu können. Dazu wird es in Las Palmas auf den Kanarischen Inseln eine 65 Millionen Euro teure Oktopusfarm eröffnen. Die Planungen schreiten voran, obwohl es im EU-Recht keine Richtlinien für die Mast und Schlachtung von Oktopussen gibt. Bestehende Gesetze gelten lediglich für die Forschung an Oktopussen. In den USA werden Oktopusse laut CIWF noch nicht einmal als »Tiere« betrachtet, wenn es um ihre Behandlung in der Forschung geht. Ohne einen ausreichenden rechtlichen Rahmen besteht die große Gefahr, dass Oktopusse in der Haltung und während der Schlachtung extrem leiden. Darüber hinaus ist es äußerst fraglich, ob es überhaupt möglich ist, die Mast und Schlachtung so zu regeln, dass sie auch nur annähernd artgerecht ist.

Fazit

Oktopusse zu züchten, zu schlachten und zu verkaufen ist nicht nur unethisch, sondern auch aus Nachhaltigkeitsgründen höchst problematisch.

In Großbritannien wurden Oktopusse kürzlich als »fühlende Lebewesen« anerkannt und ins Tierschutzgesetz aufgenommen. Dies wird sich zwar nicht auf bereits bestehende Praktiken auswirken, aber einen Einfluss auf künftige Regierungsentscheidungen haben. Eine solche Anerkennung der Oktopusse (und ihrer Verwandten) ist auch in der EU längst überfällig und muss dringend erfolgen, bevor die Oktopus-Produktion im großen Stil beginnt. Doch nicht nur die Politik, sondern auch die Lebensmittelhändler sind hier gefragt und sollten dringend überdenken, inwiefern der Verkauf von Oktopusfleisch ihrem Nachhaltigkeits- und Tierschutzprofil entspricht.

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