Antibiotikamissbrauch in der Hähnchenmast
Jahrelang hat die Agrarindustrie den Verbrauchern vorgegaukelt, es gebe unbedenkliches Geflügelfleisch zum Schleuderpreis. Die jetzt veröffentlichte Studie im Auftrag des Verbraucherschutzministeriums NRW zeigt jedoch wieder einmal, dass Billigfleisch nur zu Lasten von Menschen und Tieren produziert werden kann. Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt fordert daher die schnelle Abkehr von den gängigen Mastmethoden.
96,4 Prozent der gemästeten Hühner in NRW erhalten Antibiotika – im Durchschnitt drei, teilweise bis zu acht verschiedene Wirkstoffe. Da die Hühnermast sich in NRW nicht von der in anderen Bundesländern unterscheidet, lassen sich diese Ergebnisse nach Einschätzung der Albert Schweitzer Stiftung auf ganz Deutschland übertragen.
»Wenn mehr als 20 überzüchtete Tiere mit schwachen Immunsystemen auf einem Quadratmeter zusammengedrängt werden, muss sich niemand wundern, wenn der Antibiotikaeinsatz zur Routine wird«, erläutert Wolfgang Schindler, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung. Krankheiten brechen auf diese Weise schnell aus. Hinzu kommt, dass die Mäster in die Versuchung kommen, die Medikamente als Wachstumsförderer einzusetzen, obwohl dies seit 2006 verboten ist. Das Problem dabei: Tierärzte, die von Mästern aufgefordert werden, Antibiotika zu verschreiben, sind leicht erpressbar. »Wenn ein Tierarzt es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, Antibiotika zu verschreiben, suchen sich die Mäster einfach einen Veterinär mit weniger Skrupeln«, so Rechtsanwalt Schindler weiter.
Der routinemäßige Antibiotikaeinsatz begünstigt die Entstehung multiresistenter Keime (MRSA), die auch für den Menschen gefährlich werden können.
Die NRW-Studie zeigt, dass bei extensiverer Haltung weniger Medikamente benötigt werden. Nur durch eine grundsätzliche Abkehr von den gängigen Mastmethoden lässt sich daher der Antibiotikamissbrauch in den Griff bekommen. Dazu gehört auch, dass wir unseren überzogenen Fleischkonsum mindestens drosseln. Wie das geht, erfahren Sie z. B. auf unserer Webseite »Selbst wenn Sie Fleisch mögen …«.
Nachtrag: Antibiotika in der Tiermast – nächste Runde
Das Landwirtschaftsministerium musste die veröffentlichten Zahlen korrigieren – allerdings nicht so, wie es sich die Agrarindustrie erhofft hatte. Nicht 96,4 sondern »nur« 92,5 Prozent der Masthühner erhielten Antibiotika. Lesen Sie unseren Artikel Antibiotika in der Tiermast – nächste Runde, um auf den neusten Stand zu kommen.