Tierschutzprozess in Österreich - Zwischenbericht
Wir haben bereits mehrfach vom Gerichtsprozess gegen 13 österreichische Tierschützer:innen berichtet, die angeblich eine kriminelle Organisation gebildet haben sollen. Da inzwischen sämtliche Anklagepunkte vorgebracht und alle Angeklagten verhört wurden, ist es Zeit für einen Zwischenbericht.
Die Vorwürfe zu konkreten Straftraten halten sich sehr in Grenzen: Einem der Tierschützer wird Tierquälerei vorgeworfen, da während einer Tierbefreiung drei Schweine an Herzversagen gestorben sind, einem weiteren wird vorgeworfen, als Gegendemonstrant zu einer Nazi-Demo eine Scheibe eingeworfen zu haben. Ansonsten gibt es gegen die Aktivist:innen trotz eines großem Lausch- und Beschattungsangriffs keine konkreten Vorwürfe. Die Anklage beruht also nahezu vollständig auf dem Konstrukt einer angeblichen Geheimorganisation, die zwar anscheinend selbst nicht sonderlich kriminell war, aber andere Personen zu Straftaten angestiftet haben soll.
Wenn diese Form der Anklage Kopfschütteln bei Ihnen verursacht, warten Sie ab, bis Sie erfahren, welche »Beweise« die Staatsanwaltschaft anführt, um ihre Theorien zu belegen. Martin Balluch, dem Hauptangeklagten und Obmann (Vorsitzenden) des Vereins gegen Tierfabriken (VGT) wird vorgeworfen, der Kopf der kriminellen Organisation zu sein und drei Bekennerschreiben zu Straftaten mit Tierschutzhintergrund verfasst zu haben. Um dies zu beweisen, wurden die Schreiben vom Grazer Sachverständigen Wolfgang Schreiber mit Texten verglichen, die z. B. aus Martin Balluchs Büchern stammen. Schon bei der Auswahl der Textstellen ging der Sachverständige unprofessionell vor. Er wählte z. B. eine Textstelle aus, in der Balluch einen anderen Autor zitierte. Das Fazit des Sachverständigen: Die Texte würden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von Martin Balluch stammen.
Die peinliche Textstellenauswahl sollte bereits ausreichen, dem Sachverständigen seine Kompetenz abzusprechen, haben dies zusätzlich noch zwei Experten getan. Der Linguist Raimund Drommel wird mit den Worten zitiert: »Wäre das eine Seminararbeit, dann würde ich sagen: ‚Setzen, ungenügend‘« und »Das ist, wie wenn ein Blinder über Farbenlehre spricht.« Auch der Sprachwissenschaftler Manfred Kienpointner wirft Wolfgang Schreiber vor, tendenziös gearbeitet zu haben.
Da wir in diesem Rahmen nur auszugsweise über das Verfahren berichten können, verweisen wir auf die Webseite tierschutzprozess.at, wo die wichtigsten Geschehnisse jedes Verhandlungstags ausführlich dokumentiert werden.
Insgesamt steht bereits jetzt fest, dass die Ermittlungen und der Prozess Kosten von mindestens 4,8 Mio. Euro verursachen werden. Ansonsten drängt sich uns der Verdacht auf, dass im besten Fall viel heiße Luft produziert werden wird, und im schlechtesten Fall 13 höchstwahrscheinlich unschuldige Tierschützer:innen finanziell und womöglich auch psychisch ruiniert werden.