Tierschutz-Verbandsklagerecht in Berlin in Gefahr

Im August 2020 führte Berlin (unter der Regierung von SPD, Linke und Grünen) das Tierschutzverbandsklage-Gesetz ein. Es ermöglicht Tierschutzverbänden, die nach dem Gesetz als verbandsklageberechtigt anerkannt sind, sich mit rechtlichen Mitteln für die Interessen der Tiere einzusetzen. Berlin hat damit einen wichtigen Beitrag geleistet, um das Ungleichgewicht zwischen Tiernutzung und Tierschutz zu lindern – nun ist das Verbandsklagerecht jedoch in Gefahr.
Tierversuchslobby schießt gegen Tierschutzverbände
Die aktuelle Berliner Regierungskoalition aus CDU und SPD stellt – unter dem Einfluss der Tierversuchs-Lobby – das Tierschutz-Verbandsklagerecht infrage. In den Diskussionen werden die Tierschutzverbände als Verhinderer von Forschung dargestellt. So auch in der der öffentlichen Sitzung am 27. Januar über »Aufwand und Nutzen des Tierschutzverbandsklagegesetzes – Auswirkungen auf Genehmigungsverfahren von Forschung in Berlin« im Ausschuss für Wissenschaft und Forschung. Und das, obwohl die Tierschutzverbände von neuen Tierversuchsvorhaben erst erfahren, nachdem diese bereits genehmigt wurden.
Bei der Anhörung haben die verbandsklageberechtigten Tierschutzverbände, vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Merkle, Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e. V., und Sylvi Paulick, Syndikusrechtsanwältin der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, dargelegt, dass das Verbandsklagerecht die Genehmigungsverfahren für Tierversuche nicht, wie behauptet, behindert oder verzögert: Erst nach der Genehmigung können die Tierschutzverbände Akteneinsicht beantragen, Stellung nehmen und – sofern sie der Überzeugung sind, dass die Genehmigung rechtswidrig erteilt wurde – nachträglich Klage erheben. Das bedeutet, speziell im Tierversuchsbereich können die Verbände den Beginn eines Tierversuches nicht verhindern, sondern immer nur rückblickend tätig werden.
Tierschutzverbandsklagerecht darf nicht abgeschafft werden
Auch wenn der Einfluss der Verbände geringer ist als der der Tierexperimentator:innen, das Berliner Tierschutz-Verbandsklagerecht ist wichtig. Seine Abschaffung wäre ein enormer Schlag gegen den Tierschutz in jeglicher Hinsicht, nicht nur in Bezug auf Tierversuche, sondern auch auf die private Tierhaltung, Zirkusse, Zoos und natürlich landwirtschaftlich genutzte Tiere. Damit wäre die Chance vertan, grundsätzliche Tierschutz-Fragen juristisch zu klären und so auch bundesweit Wirkungen zu erzielen. Nur in acht Bundesländern gibt es das Tierschutz-Verbandsklagerecht derzeit.
Offene Briefe der Tierschutzverbände
Mehrere Berliner Tierschutzverbände, darunter die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, haben im Vorfeld der Ausschusssitzung in einem gemeinsamen offenen Brief die Argumente für ein Tierschutz-Verbandsklagerecht in Berlin dargelegt und an die Ausschüsse für Wissenschaft und Forschung sowie für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz übermittelt.
Während der Sitzung wurde offenbar, dass die Argumentation gegen das Tierschutz-Verbandsklagegesetz zu großen Teilen auf falschen Annahmen beruht. Daher haben die Verbände einen weiteren offenen Brief veröffentlicht, in dem sie die falschen Annahmen und damit die Argumente gegen ein Tierschutz-Verbandsklagerecht in Berlin widerlegen.
Die Briefe können Sie nachfolgend lesen und als PDF herunterladen.