Aktuelle Beiträge

Tierschutzgesetz: Enttäuschendes Reförmchen

Mit Spannung erwarten Tierschützer:innen wie Landwirt:innen die Überarbeitung des Tierschutzgesetzes. Der vorige Woche bekannt gewordene neueste Entwurf des Gesetzes zeigt allerdings, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) die wirtschaftlichen Interessen der Tierindustrie wieder einmal höher gewichtet als das Staatsziel Tierschutz.

Ausnahmen erlauben Anbindehaltung bis zum Sankt Nimmerleinstag

Knackpunkt ist vor allem die Anbindehaltung von Rindern. Diese soll – so weit, so gut – verboten werden. Allerdings gibt es zum einen eine im Vergleich zum vorhergehenden Entwurf noch großzügigere Übergangsfrist von 10 Jahren und zum anderen Ausnahmen, die jetzt dazu führen, dass zumindest die sogenannte Kombihaltung in manchen Betrieben bis zum Sankt Nimmerleinstag weiter erlaubt bleibt. »Kombihaltung« bedeutet, dass die Kühe im Sommer auf die Weide dürfen. In der kalten Jahreszeit sind sie jedoch von früh bis spät im Stall angebunden, oft mehr als ein halbes Jahr lang. Ganzjährige und auch saisonale Anbindehaltung wird vor allem in Kleinbetrieben praktiziert – genau für diese macht der aktuelle Gesetzentwurf nunmehr eine zeitlich unbegrenzte Ausnahme.

»Es ist sehr enttäuschend, dass der neueste Entwurf des Tierschutzgesetzes geplante positive Veränderungen für die Tiere wie das Verbot der Anbindehaltung durch neue Ausnahmen und längere Übergangsfristen weiter verwässert. Die Überarbeitung des Gesetzes ist aus Sicht des Tierschutzes zu einem mickrigen Reförmchen geschrumpft«, kritisiert Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt. »Anbindehaltung, auch die zeitweise, ist eine Qual für die Rinder. Wie kann man eine solche, tierschutzwidrige Praxis richtigerweise verbieten, aber dann doch für einen Teil der Tiere erlauben? Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Wir zählen jetzt auf die Bundestagsabgeordneten, um am Ende zumindest einige wenige substanzielle Verbesserungen für die Tiere zu erreichen.«

Bevor das neue Tierschutzgesetz verabschiedet wird, muss es im Bundestag beraten werden.

Viele Schwachstellen im Gesetzentwurf

Die Albert Schweitzer Stiftung hatte zu einer früheren Fassung der Tierschutzgesetzes im Rahmen der Verbändeanhörung bereits eine Stellungnahme abgegeben. Darin hatte sie ebenfalls die Regelungen zur Anbindehaltung kritisiert und ein zeitlich klar definiertes Ende sämtlicher Formen gefordert. Die Kritikpunkte blieben jedoch unberücksichtigt. Im Vergleich zum vorherigen Entwurf hat sich der aktuelle aus Tierschutzsicht in einigen Punkten sogar verschlechtert.

Wichtige weitere Forderungen der Stiftung für das neue Tierschutzgesetz sind:

  • ein Verbot von nicht-kurativen Eingriffen zur Anpassung von Tieren an deren Haltungsform, z. B. Schnabelkürzen bei Hühnern und Puten, Schwanzkupieren bei Schweinen
  • die vollständige Umsetzung des Unionsrechts, das nicht nur die Zucht, sondern auch die Haltung qualgezüchteter Tiere verbietet
  • Videoüberwachung von Schlachthöfen unabhängig von ihrer Größe und eine längere Speicherungs- und Bereitstellungsfrist der Aufnahmen
  • vollständige Umsetzung des Betäubungsgebots vor der Tötung von Zehnfußkrebsen
  • ein Verbot der Lebendabgabe von Kopffüßern und Zehnfußkrebsen nicht auf Endverbraucher:innen beschränken, sondern auch auf Gastronomie usw.
  • die Strafvorschriften im Wortlaut konkreter ausgestalten

Die Stellungnahme im Wortlaut:

Sie können die Stellungnahme in der Vollbildansicht ansehen und als PDF herunterladen.

Sie möchten nichts Wichtiges vepassen?
Sie erfahren, wie Sie sich für die Tiere einsetzen können, und erhalten Informationen über wichtige Tierschutzthemen.