»Tiere klagen an« - Buchbesprechung
Mit Antoine F. Goetschels »Tiere klagen an« erschien kürzlich das Buch eines Mannes, der sich bereits seit drei Jahrzehnten für einen rechtlich fundierten Tierschutz einsetzt und der in der Vergangenheit insbesondere durch seine dreijährige (2007-2010) Amtstätigkeit als Tieranwalt im Kanton Zürich mit teils Aufmerksamkeit erregenden Prozessen in Erscheinung trat. Im Folgenden werden wir einen kurzen Überblick über die wichtigsten Thesen und Inhalte des zehn Kapitel starken und 272 Seiten langen Buches geben.
Tierschutz! Aber auf welcher Basis?
In seinem Vorwort äußert Antoine F. Goetschel die Absicht, seinen Lesern einen ganz speziellen, u.a. auf seinen berufspraktischen Erfahrungen gründenden Zugang zum Thema Tierschutz zu bieten. Darüber hinaus will er mit seinen Ausführungen aber auch verunsichern und zur erneuten Reflektion verfestigter Ansichten aufrufen. Und so wird bereits im ersten Kapitel von »Tiere klagen an« ein möglicher Ansatz für Tierschutz komplett verworfen, der von einigen Lesern vielleicht bisher kaum in Frage gestellt wurde: Laut Goetschel kann Tierschutz nur dann effektiv betrieben und vor allem auch vorangetrieben werden, wenn nicht die Tierliebe als Basis für Tierschutzdiskussionen angesetzt wird (»Macht erst meine Liebe das Tier zu einem wahrnehmbaren Wesen? Und dadurch zu einem schützenswerten Leben? Klares Nein.«). Und auch ganz allgemein sei eine Herangehensweise, wie sie sich bei einigen »emotional hochengagierten Tierschützern« zeigt, eher weniger empfehlenswert, da die emotionalen Standpunkte unterschiedlicher Menschen »letztlich sowieso nicht diskutierbar« seien. Stattdessen empfiehlt Goetschel ein rationales Vorgehen und hebt als Grundlage für richtiges menschliches Verhalten gegenüber Tieren und für eine möglichst objektive Diskussion über Tierschutz ein Kriterium hervor, »das unabhängig von uns besteht – also beispielsweise nicht in unserer Zuneigung -, sondern den Tieren allgemein, vielleicht sogar allen Lebewesen zugestanden wird.« Welches Kriterium gemeint ist, wird schnell benannt: die Würde.
Die Würde des Tieres als Grundlage menschlichen Handelns
Goetschel erklärt: »Der Begriff der Integrität oder der Würde des Tieres umfasst […] viel mehr als lediglich die Abwehr von Leid oder Schmerzen.« Losgelöst von einer »individuellen Beurteilung«, den »persönlichen Interessen« und der »willkürlichen Entscheidung« eines einzelnen Betrachters über das Wohlergehen eines Tieres, lasse sich mit diesem Begriff auch dort noch wirkungsvoll arbeiten, wo tierethische Argumentationen, »die das Wohlempfinden der Tiere in den Mittelpunkt« stellen, bereits an ihre Grenzen gelangen. In tierethischer Hinsicht schließt sich Goetschel damit einer erweiterten biozentrischen Position an, die fordert, »dass man das Tier in seiner Gesamtheit wahrnimmt und ihm nicht nur einen Anspruch auf Wohlergehen zubilligt, sondern ihm Integrität, also eine Art Eigenwert zugesteht.« Gleichzeitig geht er aber weit über die bloße Einnahme einer philosophischen Position hinaus: Zum einen, indem er vor allem im vorletzten Kapitel seines Buches explizit fordert, den Begriff der »kreatürlichen Würde« ins Grundgesetz aufzunehmen. Zum anderen, indem er mit praktischen Vorschlägen aufzeigt, wo genau im Gesetz der geforderte Begriff zur Verbesserung des Tierschutzes verankert werden könnte und welche weiteren Inhalte und rechtlichen Geltungsbereiche mit diesem Begriff verknüpft werden müssten.
Dimensionen menschlichen Umgangs mit Tieren
Weshalb der Tierschutz überhaupt verbessert werden muss und in welchen Maßen die Würde der Tiere gegenwärtig angegriffen wird, macht Goetschel im Anschluss an eine wertvolle Erörterung der Frage, »wonach wir den Wert der Tiere bestimmen«, mehr als prägnant deutlich. In insgesamt sechs Kapiteln werden mithilfe des Maßstabs der Instrumentalisierung u.a. die Zu- und Missstände in der industriellen Massentierhaltung faktenreich aufgezeigt und Themen wie Tierversuche, Tierzucht, Haustierhaltung sowie Tierhaltung im Zoo und im Zirkus fundiert und mit klaren Worten abgehandelt. Und auch vor heikleren und in der öffentlichen Diskussion meist ausgesparten Themen wie der Zoophilie (sexueller Missbrauch von Tieren) macht Goetschel nicht halt. Selten sind die vielen unterschiedlichen und erschreckenden Dimensionen des menschlichen Umgangs mit Tieren so verständlich-kompakt und zugleich detailreich zusammengefasst worden.
Jeder kann handeln: mit Worten und Taten
Das Hauptanliegen, das Goetschel mit seinen Ausführungen verfolgt, ist, für eine Aufnahme des Begriffs der Würde vor allem auch ins deutsche Grundgesetz zu plädieren (Info: das weltweit bisher einzige Land, das diesen Begriff in seine Verfassung aufgenommen hat, ist seit 1992 die Schweiz). Daneben macht er aber auch deutlich, wie hilfreich für den Tierschutz die Einführung eines Tieranwalts-Amts wäre, ein Amt, das es bis zu seiner Abschaffung im Jahr 2010 bisher allein in der Schweiz gab. Und auch auf die von Seiten des Tierschutzes seit langem geforderte Einführung eines Verbandsklagerechts für Tierschutzorganisationen macht Goetschel, wenn auch leider nur sehr kurz und mit wenig Nachdruck, aufmerksam. Doch betont er – u.a. mit praktischen Handlungshinweisen und griffigen Argumentationshilfen – erfreulicherweise auch, dass letztlich ein jeder entscheidend dazu beitragen kann, »dem Tier in Recht und Gesellschaft eine bessere Position zu verschaffen«. Dabei geht Goetschel sogar soweit, nicht nur juristischen Experten, sondern auch einem jeden Menschen »mit Verantwortungsbewusstsein«, der sich für eine »deutliche Veränderung der bestehenden Gesetzeslage, vor allem in Deutschland« einsetzt, den Begriff des Tieranwalts zuzugestehen.
Fazit zu »Tiere klagen an«: eine Perspektivenerweiterung
Lassen es die Herkunft des Autoren und der Titel seines Buches bereits vermuten, so wird schon nach wenigen Seiten Lektüre klar: »Tiere klagen an« ist kein weiteres populäres Sachbuch, das sich rund um die ethischen Aspekte der menschlichen Ernährung aufbaut, und auch kein Werk eines reinen philosophischen Theoretikers. Es ist das Buch eines äußerst sachkundigen Praktikers, der den generellen Bedarf sowie die reellen Möglichkeiten und Chancen ermittelt, Tieren eine bessere rechtliche Stellung in unserer Gesellschaft einzuräumen. Dass Antoine F. Goetschels Buch durchaus auch Potential bietet, zu provozieren – warum spricht sich der Autor beispielsweise nicht mit Entschiedenheit gegen den Konsum von Tierprodukten aus? –, soll an dieser Stelle keineswegs verschwiegen, doch auch nicht allzu stark kritisiert werden. Denn letztlich wird Goetschel mit seinen Überlegungen als erfahrener Anwalt die Tierschutzdiskussion allein schon insofern vorantreiben, als dass er z. B. bei vielen Lesern, die zumeist »nur« von einem ernährungsethischen Standpunkt ausgehen, für einen Perspektivenwechsel sorgen wird – einen höchst erkenntnisreichen, lohnenswerten Wechsel.
Verlosung und portofreies Bestellen
Erfreulicherweise stellt uns der Scherz Verlag fünf Exemplare von »Tiere klagen an« zur Verlosung zur Verfügung. Um daran teilzunehmen, schreiben Sie uns einfach nur bis zum 23.05.2012 eine E-Mail mit Ihrer vollständigen Anschrift und dem Betreff »Verlosung« an tiere-klagen-an@albert-schweitzer-stiftung.de.*
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