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Neues Antibiotikagesetz in der EU

EU-Kommission, Europäischer Rat und EU-Parlament haben sich nach acht Jahren Verhandlung auf ein neues Tierarzneimittelgesetz geeinigt. Es sieht einige wichtige Regelungen für den Gebrauch von Antibiotika vor – für Deutschland ändert sich allerdings wenig. Wir fassen das Problem der Antibiotikaresistenzen zusammen und geben einen Überblick über das neue Gesetz.

Hintergrund: Antibiotikaresistenzen

Sogenannte »Nutztiere« werden meist unter mangelhaften Bedingungen gehalten. Sie leben in Ställen mit hohen Besatzdichten, leiden unter extremer Überzüchtung und haben kaum Zugang zu Umweltreizen. Um zu verhindern, dass sich in dieser Umgebung Krankheiten ausbreiten, behandelt man teilweise ganze Tiergruppen präventiv mit Antibiotika.

Der häufige Einsatz von Antibiotika bringt jedoch Gefahren mit sich, weil sich dadurch resistente Keime bilden können. Gelangen diese dann entlang der Lebensmittelkette zum Menschen, können sie lebensbedrohliche Infektionen hervorrufen, gegen die kein Antibiotikum mehr hilft.

2017 warnte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits davor, dass im Jahr 2050 die bisher auf dem Markt befindlichen Antibiotika wirkungslos sein könnten, wenn nicht gehandelt werde. Zehn Millionen Menschen könnten dann weltweit jährlich an antibiotikaresistenten Keimen sterben – das wären mehr Personen, als aktuell Krebserkrankungen zum Opfer fallen.

Das neue Tierarzneimittelgesetz

Das neue EU-Tierarzneimittelrecht reguliert strenger als zuvor, wie und unter welchen Umständen Antibiotika in der EU eingesetzt werden dürfen. Damit soll es vor allem verhindern, dass resistente Keime entstehen. Die offiziellen Reaktionen auf das neue Gesetz fielen überwiegend positiv aus. So spricht etwa der schwedische Europaabgeordnete Fredrick Federley von einer »historischen Entscheidung«, die Tiere und Menschen gleichermaßen schütze.

Strengere Regeln für Antibiotika

Das neue Gesetz verbietet den prophylaktischen Gebrauch von Antibiotika: Ist ein Tier krank, dürfen Tierärzt:innen die noch gesunden Tiere derselben Gruppe in den meisten Fällen nicht vorsichtshalber mitbehandeln. Dies ist zukünftig nur noch in Ausnahmefällen und lediglich bei einzelnen Tieren gestattet. Ärzt:innen müssen dann nach der Untersuchung des betreffenden Tieres schriftlich begründen, warum sie ein Antibiotikum für angemessen halten.

Verbot von Reserveantibiotika in der Tiermedizin

Die sogenannten »Reserveantibiotika«, die beim Menschen als »letztes Mittel« bei schweren Krankheiten verschrieben werden, sind in der Tiermedizin grundsätzlich nicht mehr zulässig. Tierärzt:innen dürfen sie dem neuen Gesetz zufolge lediglich in Ausnahmefällen und unter strengen Bedingungen einsetzen.

EU-Regeln für Fleischimporte

Strenge EU-Regeln sind wirkungslos, wenn das Fleisch von mit Antibiotika behandelten Tieren aus Drittstaaten importiert wird. Außerhalb der EU ist es beispielsweise noch üblich, Antibiotika als Wachstumsförderer in der Tierzucht einzusetzen – etwa in den USA. Das neue Gesetz schiebt dem Import solcher Erzeugnisse einen Riegel vor: Fleisch, das in die EU importiert wird, muss denselben Ansprüchen genügen wie ein in der EU produziertes Produkt. Ob und wie das kontrolliert und umgesetzt wird, bleibt allerdings abzuwarten.

Neue Anreize für die Pharmaindustrie

Bisher gibt es für Pharmafirmen keine gewichtigen Anreize, Tiermedikamente zu entwickeln, da preiswerte Nachahmerpräparate (sogenannte »Generika«) schnell auf den Markt kommen können. Neue Medikamente sind jedoch wichtig, damit Tierärzt:innen nicht auf Präparate aus der Humanmedizin zurückgreifen müssen. Diese Situation soll sich jetzt ändern: Für neue Antibiotika wird es eine längere Marktexklusivität geben, damit es sich für die Pharma-Unternehmen lohnt, in deren Entwicklung zu investieren.

Neues Recht gilt voraussichtlich ab 2022

Es gilt bereits als sicher, dass das Plenum des EU-Parlaments und der EU-Ministerrat dem neuen Gesetz zustimmen werden. Sind die Zustimmungen bis Herbst 2018 erfolgt, müssen die Mitgliedstaaten die neuen Regelungen bis 2020 in ihrem nationalen Recht verankern, bevor das neue EU-Tierarzneimittelrecht dann voraussichtlich 2022 wirksam wird.

Situation in Deutschland

Obwohl die gesetzlichen Regelungen in Deutschland schon jetzt vergleichsweise streng sind und dem neuen EU-Gesetz zum größten Teil entsprechen, werden in der deutschen »Nutztierhaltung« nach wie vor viele Antibiotika eingesetzt: Der durchschnittliche Verbrauch in Europa lag im Jahr 2014 bei 152 mg und in Deutschland bei 149 mg pro kg Lebendgewicht. Dass es auch anders geht, zeigt beispielsweise Schweden: Das skandinavische Land setzte lediglich 11,5 mg ein.

Laut offizieller Angaben sinkt in Deutschland die Zahl der abgegebenen Antibiotika von Jahr zu Jahr: Die Gesamtmenge habe sich von 2011 bis 2017 mehr als halbiert, teilte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit mit. Es ist jedoch problematisch, ausschließlich die Gesamtmenge zu betrachten. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass vermehrt hochwirksame Antibiotika verwendet werden, um die Gesamtmenge zu reduzieren. Diese Entwicklung ist sehr besorgniserregend und es bleibt zu hoffen, dass die neue EU-Gesetzgebung ihr erfolgreich entgegenwirken kann.

Positiv zu erwähnen ist die kürzliche Aktualisierung der in Deutschland gültigen Verordnung über tierärztliche Hausapotheken (TÄHAV). Sie legt beispielsweise fest, wie Veterinäre die Antibiotikagabe dokumentieren müssen. Auch verpflichtet die Verordnung Tierärzt:innen dazu, Labortests (»Antibiogramme«) durchzuführen, um zu bestimmen, ob Krankheitserreger gegenüber Antibiotika resistent sind. So will man in allen Bereichen der Tiermedizin (inkl. »Haustiere«) die Entstehung von Antibiotikaresistenzen eindämmen.

Fazit: Es bleibt noch viel zutun

Es ist erfreulich, dass die EU ihre Regelungen für Antibiotika verschärft. Dass in Deutschland viele der neuen Regelungen bereits umgesetzt sind, heißt jedoch nicht, dass keine Verbesserungen mehr nötig sind. Im Gegenteil: Eine weitere Reduzierung des Antibiotikaverbrauchs ist essenziell. Um dies zu erreichen, müssen die Überzüchtung der Tiere und die Besatzdichten reduziert werden. Neben der Senkung des Tierbestands ist es außerdem wichtig, die Haltung zu verbessern. Derzeit werden Medikamente genutzt, um die miserablen Lebensbedingungen der Tiere zu kompensieren, die für die Entstehung von Krankheiten verantwortlich sind. Würden die Tiere von Anfang an in einem besseren Umfeld gehalten, benötigten sie erst gar keine Antibiotika, um zu überleben.

Neben der Verbesserung der Haltungsbedingungen ist auch ein besseres staatliches Monitoring vonnöten. Eine Tiergesundheitsdatenbank, die alle routinemäßig zu erhebenden Daten für alle Nutztierbereiche zusammenführt und nutzbar macht, wäre wünschenswert. Darin könnte auch detailliert dokumentiert werden, wo und wann Resistenzen auftreten.

Allerdings ist es zu kurz gegriffen, ausschließlich die Tierhaltung für Antibiotikaresistenzen beim Menschen verantwortlich zu machen. In der Humanmedizin werden ebenfalls zu viele Antibiotika verschrieben, was die Entstehung von Resistenzen fördert. Auch hier sind die Ärzte also in der Pflicht.

(rp)

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