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Lidl-Skandal: Qualzucht bleibt Hauptproblem

Pressemitteilung

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  • vierte Veröffentlichung von Undercover-Material, das Lidl belastet, in zwei Monaten
  • zeigt, dass Masthühner unter Qualzucht, Haltungsbedingungen und Gewalt leiden
  • europaweiter Skandal: Deutschland, Spanien, Italien, Österreich
  • europäische Tierschutzorganisationen fordern Lidl auf, sich der Europäischen Masthuhn-Initiative anzuschließen

Trotz des sich europaweit ausbreitenden Skandals hat Lidl seine Tierschutzvorgaben bislang nicht geändert. Dabei zeigen Aufnahmen – zuerst aus Deutschland, dann Spanien, Italien und nun auch Österreich – wie Hühner für Lidl-Fleisch leiden. Ursachen sind dabei nicht nur die Haltungsbedingungen und rohe Gewalt durch Menschen – sondern vor allem die Zucht auf ein extremes Wachstum hin. Tierschutzorganisationen haben das Filmmaterial veröffentlicht. Sie fordern Lidl auf, die dokumentierten Missstände zu beheben und vor allem Qualzucht nicht weiter zu unterstützen.

Die neuen Filmaufnahmen entstanden undercover im Sommer 2022 im Hühnermastbetrieb eines steirischen Lidl-Lieferanten. Die Tierschutzvorgaben in Österreich gelten als vorbildlich, der Betrieb trägt zudem das AMA-Gütesiegel, dennoch bietet sich ein ähnliches Bild wie in den Aufnahmen aus anderen europäischen Ländern: Viele kranke, leidende und tote Tiere sind zu sehen. Zudem wurde erneut Gewalt gegen Tiere dokumentiert: Ein Traktor überfährt mehrere Hühner im Stall. Heimlich installierte Kameras zeigen, wie die überfahrenen Tiere vor Schmerzen mit den Flügeln schlagen und schwer verletzt liegenbleiben. Die Aufnahmen kann man sich auf www.lidl-fleischskandal.de ansehen.

Solange Masthühner auf extremes Wachstum hin gezüchtet werden, werden sie weiter leiden, argumentieren die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, der österreichische Verein gegen Tierfabriken (VGT), Equalia aus Spanien, Essere Animali aus Italien und weitere europäische Tierschutzorganisationen. Sie fordern Lidl auf, die Tierschutzstandards der Europäischen Masthuhn-Initiative anzuwenden. Auf https://albert-schweitzer-stiftung.de/lidl-fleischskandal kann man sich der Forderung der Organisationen anschließen. Europaweit tun dies bereits mehr als 280.000 Menschen.

Industrielle Hühnermast: Das Grundproblem bleibt Qualzucht

Moderne Masthühner sind so gezüchtet, dass sie innerhalb von rund 30 Tagen ein Gewicht von anderthalb bis zwei Kilogramm erreichen. Besonders die Schenkel- und Brustmuskulatur wird unnatürlich groß, weil sich diese Körperteile besonders gut verkaufen lassen. Knochen und Organe kommen bei dem explosionsartigen Massezuwachs nicht hinterher. Schmerzen, Knochendeformationen und Organversagen sind die Folgen.

In den Filmaufnahmen ist gut zu erkennen, wie massig bereits die wenige Tage alten Küken sind und wie schwerfällig sich die älteren Hühner bewegen, wenn sie sich nicht gerade ausruhen. Auch wenn sie bereits die Dimensionen eines Fußballs erreicht haben, sind die Tiere eigentlich noch im Kindesalter. Würde ein Mensch so schnell wachsen wie diese Masthühner, würde er noch im Säuglingsalter ein Gewicht von 300 kg erreichen.

Für Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung, zeigen die Bilder, wie dramatisch das Problem Qualzucht ist: »Es tut einem im Herzen weh, wenn man Hühner sieht, die überfahren werden. Ähnlich schlimm ist es mit anzusehen, dass Hühner als Folge der Qualzucht Schmerzen haben und nicht mehr richtig ans Wasser kommen, weil sie sich kaum auf den Beinen halten können. Früher oder später werden sie wahrscheinlich verdursten. Solange wir Hühner so züchten, dass sie innerhalb kürzester Zeit so massiv an Gewicht zulegen, wird es solche Bilder geben. Deshalb fordern wir Lidl auf, einen Schlussstrich zu ziehen und sich von den Qualzuchtlinien zu verabschieden.«

Der VGT hat den Lieferanten sowie einzelne Arbeiter:innen wegen Verstoßes gegen Tierschutzgesetze angezeigt. Gegen die Lieferanten, deren Ställe in den Aufnahmen aus Italien, Spanien und Deutschland zu sehen sind, haben die Tierschutzorganisationen ebenfalls Anzeigen erstattet.

Lidl hält am System Qualzucht und Qualhaltung fest

Lidls Reaktion auf die Vorwürfe beschränkt sich bislang auf die Prüfung der angeblichen Einzelfälle. So behauptet Lidl z. B. gegenüber dem SWR, dass die Farm, auf der in Italien gefilmt wurde, Lidl seit 2019 nicht mehr beliefere. Tatsächlich stammen die Aufnahmen von zwei italienischen Betrieben. Der Lieferant AIA, zu dem sie gehören und mit dem Lidl weiterhin zusammenarbeitet, wird immer wieder mit Tierschutzverstößen auffällig.

»Lidl versucht, die Verantwortung auf einzelne Betriebe abzuschieben. Das löst jedoch grundsätzliche Probleme wie Qualzucht nicht: Egal, wo wir bei Lidl hinschauen, finden wir leidende Tiere. Insgesamt liegen inzwischen Recherchen aus vier Ländern vor. Das zeigt doch: Lidl will einfach nicht für umfassende Tierschutzstandards sorgen.«, fasst Mahi Klosterhalfen zusammen.

Lidl hält seine alten, mageren Tierschutzversprechen hingegen nach wie vor für ausreichend und will ab 2026 30 % des Frischfleischs aus den Haltungsform-Stufen 3 und 4 verkaufen. Im Umkehrschluss heißt das, dass auch danach 70 % weiterhin aus garantiert tierquälerischer Massentierhaltung und Qualzucht kommen sollen.

Lidls Konkurrenten Aldi, Bünting, Globus, Norma und Tegut haben sich der Europäischen Masthuhn-Initiative bereits angeschlossen und wollen im gleichen Zeitraum (bis 2026) zu 100 % auf die höheren Standards umsteigen. Rewe hat ebenfalls Bereitschaft signalisiert – wenn die anderen großen Supermärkte mitziehen. Lidl hat sich immerhin in Frankreich und in den Niederlanden angeschlossen, will aber im Rest Europas offenbar weiterhin Qualfleisch produzieren und verkaufen.

Die Europäische Masthuhn-Initiative, die von der Albert Schweitzer Stiftung mit ins Leben gerufen wurde, schreibt, anders als zum Beispiel die »Initiative Tierwohl«, gesündere Rassen vor. Hinzu kommen Vorschriften für mehr Platz, Tageslicht und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie für eine möglichst stressfreie Schlachtung. Die Kriterien der Initiative sind wissenschaftlich fundiert und werden von 37 europäischen Organisationen sowie mehr als 500 Unternehmen weltweit unterstützt.

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