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Fleischskandal bei Lidl

Tierschutzorganisationen haben Undercover-Aufnahmen aus dem Maststall eines Lidl-Lieferanten veröffentlicht. Auf ihnen ist zu sehen, wie Masthühner nicht nur unter ihren Haltungsbedingungen, sondern auch unter den Folgen ihres angezüchteten Extrem-Wachstums leiden. Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt fordert Lidl auf, Verantwortung für die Zustände bei seinen Lieferanten zu übernehmen und die größten Probleme der Hühnermast, allen voran die Qualzucht, anzupacken.

Die Aufnahmen entstanden bei verdeckten Ermittlungen im Sommer 2022. Gefilmt wurde über mehrere Tage in Niedersachsen, in einem Stall eines großen Lidl-Lieferanten. Die Hühner des Lieferanten werden nach Informationen der Tierschützer:innen unter anderem zu Produkten der Lidl-Eigenmarken »Metzgerfrisch« und »Grillmeister« verarbeitet.

Die Videos zeigen Masthühner, die in vollen, trostlosen Ställen vor sich hinvegetieren und Probleme haben, sich auf den Beinen zu halten. Die Tiere sind auf ein explosionsartiges Wachstum hin gezüchtet, besonders die Brustmuskulatur wird unnatürlich groß. Knochen und Organe der Tiere sind damit überlastet. Schmerzen, Deformationen und Organversagen sind die Folgen. All das gehört zum Alltag der Masthühner bei Lidl – denn auch das von Lidl verwendete Label der »Initiative Tierwohl« erlaubt den Einsatz von Qualzuchten. In den Aufnahmen sind kranke, sterbende, tote und verweste Tiere zu sehen. Die Mitarbeiter übersehen in den riesigen, vollen Ställen offenbar tote Tiere, die dann zwischen ihren Artgenossen bis zur Verwesung liegen bleiben. Solche skandalösen Zustände sind Normalität in der konventionellen Tierhaltung. Es ist einkalkuliert, dass rund 5 % der Tiere schon vor der Schlachtung sterben. Einen Einblick in das Videomaterial bekommt man auf www.lidl-fleischskandal.de.

Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung, sagt, Lidl macht sich unglaubwürdig: »Lidls Hühnerfleisch aus ›Stallhaltung Plus‹ kommt von Qualzucht-Hühnern aus trostlosen Massenställen. Das belegen die Recherchen. Stellt Lidl sich das unter ›Qualität‹ und ›Tierwohl‹ vor? Wir fordern Lidl auf, Verantwortung zu übernehmen: Setzen Sie die Mindeststandards der Europäischen Masthuhn-Initiative für alle Hühner um!«

Auf https://albert-schweitzer-stiftung.de/lidl-fleischskandal kann man sich der Forderung der Albert Schweitzer Stiftung an Lidl anschließen. Die Stiftung plant zudem in den kommenden Tagen online und offline Aktionen, u. a. vor Lidl-Märkten, bei denen sie auch die Filmaufnahmen aus dem Stall zeigen wird.

Lidl drückt sich vor richtigem Tierschutz, sagen Tierschutzorganisationen

Die Albert Schweitzer Stiftung hat gemeinsam mit anderen europäischen Tierschutzorganisationen die Europäische Masthuhn-Initiative ins Leben gerufen, um die größten Probleme der Hühnermast anzugehen. 35 Tierschutzorganisationen stehen hinter der Initiative und mehr als 500 Unternehmen weltweit sind bereits an Bord. Die Stiftung und ihre Mitstreiter hatten auch Lidl im Voraus mehrfach kontaktiert. Dort blockte man ernsthafte Gespräche jedoch ab.

Lidls Konkurrent Aldi hat sich – wie einst beim Auslisten von Käfigeiern – als erster deutscher Lebensmitteleinzelhändler zu mehr Tierschutz in der Hühnermast verpflichtet. Weitere Unternehmen der Branche sind dem Beispiel gefolgt. Sie werden die Tierschutzkriterien der Masthuhn-Initiative gemeinsam mit ihren Lieferanten umsetzen.

Lidl beharrt dagegen nur auf dem »Haltungsform«-System und plant bis 2026 lediglich, den Anteil von Premiumfleisch der Stufen 3 und 4 auf 30 % zu erhöhen. Das sieht die Albert Schweitzer Stiftung als Versuch, günstig um das Thema Tierschutz herumzukommen: »Lidls Ziel lautet kurz gesagt: 2026 verkaufen wir immer noch 70 % unseres Hühnerfleischs aus Qualzucht. Die Europäische Masthuhn-Initiative zielt dagegen auf einen neuen Mindeststandard für alle Hühner. Aldi, Bünting, Globus, Norma und Tegut machen im Rahmen der Initiative bereits Tierschutz für nahezu 100 % der Masthühner, dann wird Lidl das ja wohl auch schaffen«, erklärt Mahi Klosterhalfen.

Problem-System Massentierhaltung

Sogenannte Masthühner leiden besonders unter den Folgen von Qualzucht, unter Stress in überfüllten Ställen sowie unter brutalen und ineffektiven Betäubungsmethoden vor der Schlachtung. Hühner aus der Mast machen in Deutschland mehr als 80 % der geschlachteten Landtiere aus. Jährlich sind das mehr als 620 Millionen Tiere, die meisten stammen aus konventioneller Massentierhaltung. In Umfragen wünscht sich die Mehrheit der Deutschen regelmäßig bessere Haltungsbedingungen für landwirtschaftlich genutzte Tiere.

Links

Update: Unsere Partnerorganisation hat Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück Oldenburg erstattet.

Einschätzung von Dr. Kathrin Herrmann, europäische Fachtierärztin für Tierschutz, -ethik und -recht und Berliner Landestierschutzbeauftragte:

»Bei den in dem Betrieb von Lidl gemästeten Hühnerrassen handelt es sich um sogenannte Qualzuchtrassen. Fast 80 % der Tiere erleiden aufgrund der Züchtung und Haltung unerträgliche Schmerzen. Lahmheit, Herz-Lungen-Erkrankungen, Verhaltensdeprivation und Hitzestress sind bei den sogenannten Turborassen an der Tagesordnung.

Die gesundheitlichen Probleme und Leiden der ›Mast‹Hühner hängen sowohl mit den rassespezifischen Merkmalen wie zu schnelles Wachstum und zu hohes Gewicht als auch mit der inadäquaten Haltung der Tiere zusammen. Zigtausende Hühner werden auf engstem Raum auf ihren Ausscheidungen sitzend zusammengepfercht. Die Aufnahmen aus dem Lidl-Zuliefer-Betrieb zeigen also klare Verstöße gegen §2 Tierschutzgesetz, der eine angemessene Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung der Tiere vorschreibt.

Auf den Aufnahmen sieht man verstorbene und sterbende Tiere. Der Landwirt ist verpflichtet, kranke Tiere zu identifizieren, zu separieren und gegebenenfalls schmerzfrei zu töten. Dass Tiere regelmäßig offenbar unbemerkt verenden, zeigt jedoch, dass die Überwachung der Tiere absolut unzureichend ist. Das ist angesichts der tierschutzwidrigen Haltung in Hallen mit zig tausenden Hühnern in Betrieben mit mehr als 50.000 Tieren wohl kein Wunder.

Außerdem verstoßen die Züchter dieser Turborassen gegen §11 b Tierschutzgesetz. Es ist nämlich verboten, Wirbeltiere zu züchten, bei deren Nachkommen die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist. Es ist an der Zeit, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium das Züchten dieser Turbohühner verbietet. Auch müssen Bestandsdichten reduziert werden – und das nicht zuletzt auch zur Minimierung des Risikos der Entstehung und Verbreitung von Zoonosen sowie aus Klimaschutzgründen – und die Unterbringung und Pflege der Tiere muss endlich den Vorgaben des Tierschutzgesetzes entsprechen.«

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