Interview: Die veganfreundliche Mensa

Das Studierendenwerk Heidelberg überzeugt schon lange mit seinem veganen Engagement. Wiederholt wurde die Einrichtung zur »veganfreundlichsten Mensa« gekürt. Seit 2015 veranstalten die Heidelberger Mensen zudem in Kooperation mit uns regelmäßig eine Vegan Taste Week. Während dieser Woche können sich die Studierenden davon überzeugen, wie lecker und abwechslungsreich die pflanzliche Küche sein kann. Wir haben mit Tanja Modrow, der Geschäftsführerin des Studierendenwerks Heidelberg, über das vorbildliche vegane Angebot in ihren Mensen gesprochen.

Frau Modrow, seit wann beschäftigt sich das Studierendenwerk Heidelberg mit dem Thema »vegan«?

Tanja Modrow: Vegetarische Hauptgerichte und Beilagen haben schon eine jahrzehntelange Tradition in unseren Mensen. Auch vegane Speisen sind bereits seit Jahren im Angebot, allerdings wurden sie in der Vergangenheit lange Zeit lediglich als vegetarisch gekennzeichnet. Das Studierendenwerk Heidelberg hat daher ein eigenes Vegan-Logo entwickelt, mit dem seit Anfang 2013 alle Speisen ohne tierische Inhaltsstoffe deklariert werden. Ganz wichtig ist uns ein ganzheitlicher Ansatz für alle unsere Mensen und Cafés mit einem ausgewogenen Angebot für alle unsere Gäste.

Sie veranstalten einmal pro Semester eine »Vegan Taste Week«. Was hat Sie dazu bewogen, zusätzlich zu solchen Aktionen ein tägliches veganes Angebot einzuführen und dieses kontinuierlich auszuweiten?

Tanja Modrow: Mit unserer Hochschulgastronomie wollen wir mehr bieten als bloße Sättigung im Studienalltag. Gerade in der Gemeinschaftsverpflegung hat man die Möglichkeit, Zeichen zu setzen, viele Menschen zu erreichen und sie zu inspirieren. Wir wollen ein abwechslungsreiches kulinarisches Spektrum bieten, das mit möglichst regionalen und saisonalen Zutaten und natürlich veganen und vegetarischen Speisen punktet. So wollen wir Nachhaltigkeit möglichst gut in die Gemeinschaftsverpflegung integrieren und zum Alltag werden lassen.

Wie sieht das tägliche vegane Angebot in Ihren Mensen aus? Wie viele rein pflanzliche Essen verkaufen Sie am Tag und wie groß ist deren Anteil am Gesamtangebot?

Tanja Modrow: In allen unseren Mensen bieten wir täglich mindestens ein veganes Hauptgericht und mindestens zwei vegane Beilagen wie Reis, Nudeln, Gemüse oder Pommes frites an. Unser »zeughaus« hat täglich ein veganes Dessert in petto, und unsere Salatbuffets bieten mindestens ein veganes Dressing, zum Teil auch vegane Dips zum Gemüse. Da wir an unseren Buffets das Essen nach Gewicht verkaufen, können wir die exakte Anzahl der veganen Essen nicht erfassen.

Wer Lust auf einen Soja-Latte oder -Cappuccino hat, wird an unserer »zeughaus-Bar« fündig. Dort bereiten wir alle Kaffeespezialitäten auf Wunsch mit Sojamilch zu. In allen unseren Cafés kann man sich Sojamilch zum schwarzen Kaffee nehmen. Wenn gegrillt wird, bieten wir unseren Gästen grundsätzlich immer eine vegane Alternative an. Das gilt auch bei Events und Caterings.

Schon jetzt sind 41 Prozent der in unserem Warenwirtschaftssystem gelisteten Produkte vegan. Seit dem 1. Juli 2017 haben wir 183 neue vegane Artikel in unser Sortiment aufgenommen, was einer Steigerung von 16 Prozent entspricht. Insgesamt kommen wir derzeit auf 1.136 vegane Artikel.

Wie reagieren die Tischgäste auf dieses reichhaltige vegane Angebot? Hat sich die Resonanz in den vergangenen Jahren verändert?

Tanja Modrow: Unsere Gäste schätzen die Vielfalt, die wir ihnen bieten. Natürlich bemerken wir, dass das Interesse an veganer Ernährung beständig wächst. Wir haben es hier keineswegs mit einer Nische zu tun, sondern mit einer eigenständigen Zielgruppe, für deren Wünsche und Bedürfnisse wir sensibilisiert sind.

Wie gehen Sie bei der Rezept- und Speiseplanung vor?

Tanja Modrow: In der Gemeinschaftsverpflegung müssen wir natürlich in anderen Größenordnungen denken als in der Küche zuhause. Daher greifen wir gerne auf die Rezepte für Großküchen zurück, die von der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt sowie von PETA herausgegeben werden [Anm.: Die angesprochenen Rezepte finden Sie in unserem »Leitfaden für vegane Großverpflegung«]. Auch die Rezepte von Björn Moschinski sind Bestandteil unseres Küchenalltags. Unsere Köchinnen und Köche werden außerdem gerne selbst kreativ und entwickeln eigene vegane Rezepte. Schulungen für unsere Küchenteams sind dabei eine wichtige Maßnahme, um Wissen zu vermitteln und die internen Produktionsabläufe sicherzustellen.

Abgesehen von den Schulungen für die Köchinnen und Köche: Welche anderen Herausforderungen sehen Sie bei der Umsetzung eines veganen Angebots?

Tanja Modrow: Die Belieferung stellt bisweilen eine echte Herausforderung dar: Viele Artikel müssen wir direkt beim Hersteller beschaffen, da die üblichen Großhändler diese Produkte nicht gelistet haben. Oft muss auch eine sehr große Menge abgenommen werden, sodass sich die Lagerung insbesondere in kleineren Mensen manchmal schwierig gestaltet.

Welchen speziellen Herausforderungen müssen sich Studierendenwerke generell gegenüber anderen Gemeinschaftsverpflegern stellen?

Tanja Modrow: Wir haben eine junge Zielgruppe, die am Puls der Zeit ist. Daher ist es wichtig, dass wir Trends und die Wünsche unserer Kundschaft schnell erkennen, aufgreifen und umsetzen. Hier ist einfach eine besonders hohe Reaktionsgeschwindigkeit gefragt.

Bisher werden rein pflanzliche Angebote vielerorts ausschließlich für Veganer:innen konzipiert – dabei wird vergessen, dass auch andere Kund:innen davon begeistert werden könnten. Können Sie einschätzen, von wem Ihr veganes Angebot in Anspruch genommen wird?

Tanja Modrow: Wir konzipieren unser Angebot grundsätzlich für alle unsere Gäste, da wir eine sehr breite und facettenreiche Zielgruppe haben. Gerade Angebote wie die Vegan Taste Week wecken vielseitiges Interesse. Wesentlich ist es unserer Erfahrung nach, jeder und jedem die freie Wahl zu lassen und auf ein breites Angebot zu setzen, das alle Vorlieben und Bedürfnisse abdeckt.

Welches Vorgehen hat sich bei der Menügestaltung und der Kommunikation des veganen Angebots bewährt?

Tanja Modrow: Es hat sich bewährt, beliebte Gerichte vegan umzusetzen. Ein Rat, der eigentlich immer gilt: Offen für Veränderungen zu sein und Neuem eine Chance zu geben. Man kann sich sehr gut über die vegane Küche informieren. Unsere Küchenteams haben festgestellt, dass veganes Kochen weit weniger kompliziert ist als gedacht. Daher rate ich zu Mut und Experimentierfreude!

Gastronomische Aktionen und vegane Produkteinführungen kommunizieren wir das ganze Jahr über in den sozialen Netzwerken. Ein Beispiel für einen Instagram-Post zur Einführung eines veganen Bananenbrots ist hier zu sehen.

Auch in unseren Campus-Magazinen thematisieren wir das Thema »Veganismus«. In der Vergangenheit sind dort schon Interviews mit Mahi Klosterhalfen und Björn Moschinski erschienen, und auch redaktionelle Artikel über vegane Gruppen in Heidelberg. In unserer Studierendenbücherei können sich Studentinnen und Studenten kostenlos mit veganen Kochbüchern versorgen.

Was halten Sie von der Idee, eine pflanzliche Basis für Gerichte anzubieten, die dann auf Wunsch mit pflanzlichen oder tierischen Komponenten erweitert werden kann?

Tanja Modrow: Wenn wir in unseren Mensen vegane Tellergerichte ausgeben, ist dies bereits Realität: Unsere sogenannten Komponentenessen bieten den Gästen die Möglichkeit, Beilagen nach Wunsch zu wählen. In den Mensen mit Buffets hat man ohnehin völlig freie Wahl, was auf den Teller kommt. Wir haben außerdem bereits eine neue Idee im Kopf und planen, Bowls mit Basiszutaten ins Programm aufzunehmen, die man dann wunschgemäß ergänzen kann.

Haben Sie noch andere Pläne für die Weiterentwicklung des veganen Angebots?

Tanja Modrow: Derzeit liegt unser Fokus auf der Zwischenverpflegung, um auch neben den Hauptmahlzeiten für jede Menge Abwechslung zu sorgen. Daher bieten wir jetzt auch vegane Hot Dogs an.

Vielen Dank für das Gespräch!

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