Studie: Kein Konflikt von Trog und Teller?

Die Diskussion um die Nahrungskonkurrenz zwischen »Nutztieren« und Menschen, auch als Konflikt zwischen Trog und Teller bekannt, hat neuen Schwung bekommen. Denn Mitarbeiter:innen der Welternährungsorganisation FAO haben hierzu kürzlich eine Studie veröffentlicht. Darin stellen die Autor:innen heraus: Von den insgesamt jährlich 6 Milliarden Tonnen an Futter seien rund 86 % für den menschlichen Verzehr nicht geeignet. Der Großteil bestünde aus Gras und Ernteresten. Um 1 kg Rindfleisch zu erzeugen, sei daher auch deutlich weniger Getreide erforderlich, als oft behauptet.

Kein Wunder, dass Vertreter von Landwirtschaftsverbänden feixten. Triumphierend verkündeten sie, es gäbe gar keine Nahrungskonkurrenz und die Diskussion sei nun zum Leidwesen vieler NGOs vom Tisch. Dabei haben sie ganz wesentliche Ergebnisse der Studie übersehen oder schlicht unter den Tisch fallen lassen.

Die Studie basiert auf einer einzigartigen Datenbank die umfassende quantitative Schätzungen erlaubt, so die Autor:innen. Sie analysierten die weltweite Menge des Futters der »Nutztiere« und deren Futterverwertung. Hierbei teilten sie die Daten nach den ganz unterschiedlich effizienten Haltungssystemen auf sowie nach Art der Futtermittel. So betrachtet die Studie gesondert den auch für Menschen essbaren Anteil; dazu gehören: Getreide, Sojabohnen und andere Hülsenfrüchte sowie Bananen und Maniok.

Falsche Schlüsse aus globalen Werten

Den größten Anteil an der weltweiten Futtermenge haben Gras und Blätter. Sie machen laut Studie nahezu die Hälfte aus; Getreide hingegen nur 13 %. Doch der Blick auf allein diese Zahlen verleitet zu falschen Schlüssen hinsichtlich der Konkurrenz zwischen Trog und Teller. So landet denn immerhin ein Drittel des weltweit produzierten Getreides in den Trögen.

Die global zusammengefassten Werte verschleiern zudem die große Bandbreite der einzelnen Studienergebnisse. Nicht nur zwischen den Haltungssystemen finden sich große Unterschiede. Auch zwischen Wiederkäuern und anderen »Nutztieren« unterscheiden sich die Zahlen teils beträchtlich. Zu diesem Schluss gelangen auch die Autor:innen. Sie versäumen es jedoch, die Ergebnisse für die industrielle Tierhaltung ausreichend deutlich hervorzuheben. Daher zitiert die »Nutztier«-Lobby so munter die globalen Zahlen, obgleich sie die in den Industrieländern üblichen Bedingungen nicht abbilden.

»Trog und Teller«-Konkurrenz bei Schweinen und Geflügel

Für die Massentierhaltung, insbesondere von Schweinen und Hühnern, ergibt sich hingegen ein ganz anderes Bild. Das ist umso mehr von Bedeutung, weil überwiegend in großen, spezialisierten Haltungsbetrieben von Schweinen und Geflügel das Wachstum der vergangenen Jahrzehnte stattfand. Dass dieser Trend anhält, erwarten auch die Autor:innen.

Bei Schweinen und Hühnern in der industriellen Tierhaltung ist ein deutlich größerer Anteil des Futters für Menschen essbar, wie etwa Getreide, das die Hälfte ihrer Futtermenge (Trockenmasse) ausmacht. Weiter erhalten sie zwischen 9 und 25 % Schrot von Ölpflanzen wie Soja. Rund 85 % der weltweiten Sojaernte dienen der Gewinnung von Sojaschrot und Sojaöl; etwa 97 % des Schrots wird zu Tierfutter weiterverarbeitet.

Massentierhaltung ist ineffizient

Die Autor:innen sehen daher die Nachfrage nach Sojaschrot als Hauptgrund für den Sojaanbau an und weisen auf eine weitere Problematik hin. Sojaschrot sei zwar nicht direkt für die menschliche Ernährung geeignet, seine Herstellung belege aber Flächen, auf denen sich Nahrungsmittel für Menschen anbauen ließen. Die meisten Futtermittel von Schweinen und Geflügel stehen somit in direkter oder indirekter Konkurrenz zur Ernährung des Menschen.

Die Studie ermöglicht auch einen Vergleich der unterschiedlichen Futterverwertung von Tierarten und Haltungssystemen. Auch hier schneidet die industrielle Haltung von Schweinen und Hühnern schlecht ab: Um ein kg Protein in Form von Fleisch bzw. Eiern zu erzeugen benötigen Legehennen das Dreifache, Schweine mehr als das Vierfache und Masthühner sogar das Fünffache an verfütterten Proteinen. Es besteht also ein beträchtlicher Verlust. Die tatsächliche Ineffizienz dieser Haltungssysteme betont die Studie leider nicht.

Flächenkonkurrenz auch bei Weidetieren

In Deutschland ist laut Germanwatch die Nahrungskonkurrenz noch ausgeprägter: Rund 60 % des Getreides wandern nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums in die Futtertröge. Für Mastschweine hat Germanwatch einen Futtermittelanteil von gut 87 % ausgemacht, der in Konkurrenz zu Lebensmitteln für Menschen steht. Selbst in der Rindermast sieht es nicht besser aus. Aufgrund des hohen Anteils an Maissilage attestiert die NGO eine Konkurrenz in der Flächennutzung von 76 bis 94 %. Statt Mais könnten auf den Flächen Nahrungsmittel für den menschlichen Verzehr angebaut werden.

Nach Angaben FAO-Studie beansprucht die Tierhaltung derzeit 40 % des weltweiten Ackerlands; rund ein Drittel aller Getreideanbauflächen dienen der Futtermittelproduktion. Die Autor:innen weisen darauf hin, dass selbst das Grünland von Weidetieren zum Teil mit der Produktion von pflanzlichen Nahrungsmitteln konkurriert. Denn vom derzeit für Nutztiere beanspruchten Weideland könnte rund ein Drittel zum Anbau von Getreide genutzt werden. Das wäre eine Verdopplung der aktuellen globalen Getreideanbaufläche. Allerdings gibt es hierbei ökologische Bedenken.

Unser Fazit

Die Studie beansprucht, politische Entscheidungsträger und Gesellschaft über die Rolle der Nutztierhaltung für die aktuelle und künftige Ernährungssicherung zu informieren. Leider verführen die von den Autor:innen besonders hervorgehobenen Ergebnisse zu teils völlig falschen Schlüssen. Von einem Ende der »Trog und Teller«-Debatte kann keineswegs die Rede sein. Gerade in der stark wachsenden Schweine- und Geflügelindustrie ist die Konkurrenz zur Produktion pflanzlicher Lebensmittel immens. Anders als von Landwirtschaftsvertretern behauptet, repräsentiert die Studie nicht die Meinung der FAO, sondern stellt nur die Ansichten der Autor:innen dar.

Aufgrund der steigenden Nachfrage nach tierlichen Produkten ist von einer Verschärfung des Konflikts auszugehen: Die FAO schätzt, dass 2050 für die weltweite Versorgung rund 70 Prozent mehr tierische Erzeugnisse nötig sein werden. Gezielte Züchtung und Forschung für eine bessere Futterverwertung werden aber das Problem nicht lösen können. Zukunftsfähig sowie besser für Tiere und Menschen sind aus unserer Sicht nur Ernährungsweisen, die mit wenig oder ganz ohne Tierprodukte auskommen.

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