Der Haltungskompass von Lidl
Viele NGOs fordern schon lange eine verpflichtende Haltungskennzeichnung bei Fleischprodukten, wie sie bei frischen Eiern bereits längst existiert. Denn die Eier-Kennzeichnung hat maßgeblich dazu beigetragen, dass der Anteil der besonders tierquälerischen Käfigeier Jahr für Jahr sank. Als der Käfigeier-Anteil auf etwa 50 % gesunken war, hat sie der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland schließlich ganz aus dem Sortiment genommen.
Während das Bundeslandwirtschaftsministerium seit Jahren darüber berät, ob und wie der Erfolg der Eier-Kennzeichnung auf Fleisch ausgeweitet werden soll, hat Lidl dieses Thema jetzt selbst in die Hand genommen. Der Discounter wird ab April 2018 alle Frischfleischprodukte seiner Eigenmarken mit einem sogenannten Haltungskompass kennzeichnen.
Vier Stufen von gesetzlichem Mindeststandard bis Bio/Premium
Lidl wird seine Frischfleischprodukte von Schweinen, Rindern, Puten und Masthühnern anhand von vier Stufen kennzeichnen:
- Stallhaltung nach gesetzlichem Standard
- Stallhaltung Plus
- Außenklima/Tierwohl Plus
- Bio/Premium
Unter »Stallhaltung Plus« versteht der Discounter insbesondere die Standards der Initiative Tierwohl. Diese Initiative regelt, dass pro kg Schweine- und Geflügelfleisch ein einstelliger Centbetrag zusätzlich an Tierhalter fließt, um leicht erhöhte Tierschutzstandards umzusetzen. Bei Lidls Haltungskompass gilt für Produkte der Stufe 2, dass die Tiere ca. 10 % mehr Platz sowie Beschäftigungsmaterial erhalten.
Mit »Außenklima« bezeichnet Lidl die Bereitstellung von Außenklimabereichen oder Zugang ins Freie. Unter »Tierwohl Plus« (ebenfalls Stufe 3) fallen Schweine- und Rindfleischprodukte in der Einstiegsstufe des Deutschen Tierschutzbunds. Letztere liegen deutlich über Stufe 2, verfügen aber über keine Außenklimabereiche. In der Stufe 3 müssen die Tiere zudem mehr Platz im Stall bekommen. Masthühner erhalten 25 %, Puten 30 % und Schweine 40 % mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben.
Stufe 4 umfasst Bio-Produkte sowie Produkte aus der Premiumstufe des Deutschen Tierschutzbunds.
Lidls Ziele
Kurzfristig werden die meisten Produkte bei Lidl mit der Stufe 1 gekennzeichnet sein, so wie dies bei allen großen Einzelhändlern derzeit der Fall wäre. Bis Anfang 2019 will der Discounter erreichen, dass rund 50 % seiner Frischfleischartikel auf Stufe 2 oder höher liegen. Langfristig soll das komplette Eigenmarken-Frischfleischsortiment mindestens diese Stufe erfüllen.
Unsere Kritik am Haltungskompass
Während wir die Einführung des Kennzeichnungssystems grundsätzlich befürworten, sehen wir einen Punkt besonders kritisch: Der kaum vorhandene Unterschied zwischen Stufe 1 und 2 ist aus unserer Sicht nicht haltbar. 10 % mehr Platz und äußerst sparsame Gaben an Beschäftigungsmaterial wie sie die Initiative Tierwohl (ITW) derzeit vorsieht, rechtfertigen keine eigene Stufe. Derzeit kann der ungeschulte Verbraucher bei einem Blick in einen ITW-Stall kaum erkennen, ob es sich um Stufe 1 oder 2 handelt. Wenn der Haltungskompass glaubwürdig sein will, dann muss hier dringend nachgebessert werden.
Erfreulicherweise haben sich schon einige große Einzelhändler dazu bekannt, die Kriterien der Initiative Tierwohl anheben zu wollen. Lidl hat uns mitgeteilt, dass man sich auch zu diesen Händlern zählt und angekündigt, sich in seiner Einkaufspolitik diesbezüglich bald klarer zu positionieren.
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