Grüne Woche: unsere Eindrücke
Nachdem wir mit einer großen Zahl von Unterstützern bereits zum Auftakt der Messe »Internationale Grüne Woche« mit über 25.000 weiteren Demonstranten an der »Wir haben es satt!«-Demo teilgenommen hatten, wollten sich zwei unserer Mitarbeiter zusätzlich ein eigenes Bild von dieser Messe machen. Besonders interessierte uns natürlich, wie sich die hiesige Agrarindustrie auf dieser weltgrößten Messe für Ernährung und Landwirtschaft präsentierte. Laut Homepage »nutzen Nahrungs- und Genussmittelproduzenten aus aller Welt die Internationale Grüne Woche in Form von Ländergemeinschaftsschauen und Produktmärkten als Absatz- und Testmarkt sowie zur Imagefestigung.«
Auf dem Weg durch die Hallen wechselten sich ausgestellte Tiere mit Essensständen und Verkostungsstationen ab, an denen vorrangig Produkte aus Tieren wie den hier gezeigten angeboten wurden. Die überall präsenten Slogans und Bilder der Erzeugerverbände im Hinterkopf, die mit »Vertrauen in die heimische Landwirtschaft«, »Tierwohl« und »artgerechter Tierhaltung« warben, bot sich angesichts der ausgestellten Tiere allerdings ein ganz anderes Bild: Milchkühe mit überdimensionalen Eutern wiesen wunde Stellen an den Gelenken auf und rutschten auf den glatten, von Kot verschmierten Böden immer wieder aus. Kälber, die offensichtlich erst vor wenigen Tagen von den Muttertieren getrennt worden waren, wirkten verloren und suchten jede Möglichkeit zum Körperkontakt. Der Gestank in den Ferkelställen (der sicherlich durch tägliche Reinigung und moderne Lüftungsanlagen eingedämmt wurde) ließ die Zustände in regulären Ställen mit Hunderten von Tieren erahnen. Und so deutlich man hier die natürliche Neugier der Schweine erlebte, so grausam erschienen die üblichen Haltungsbedingungen in kleinen Buchten ohne ausreichende Beschäftigungsmöglichkeiten. Erstaunlich und auf der anderen Seite bezeichnend war für uns, wie all diese Erscheinungen und Folgen der heutigen industriellen Nutztierhaltung bereits hier, bei einer Vorzeigemesse für den Verbraucher, so deutlich zu Tage traten.
Tiere mit Blick auf die eigene Zukunft
Dennoch schienen viele der Besucher all dies nicht zu sehen oder sehen zu wollen. Sie zeigten sich begeistert von den niedlichen Ferkeln, streichelten Kälber und waren verzückt von den flauschigen, wenige Tage alten Küken, um dann im nächsten Moment genüsslich ein gebratenes Hähnchen zu verspeisen. Ähnlich irritierend war auch das Nebeneinander eines ganzen gebratenen Ochsen am Spieß und seines noch lebenden Artgenossen zwei Stände weiter - quasi mit bestem Blick auf seine eigene nahe Zukunft.
Und auch darin, den Zusammenhang zwischen den für niedlich befundenen Tieren in den Schauställen und deren toten Artgenossen auf ihren Tellern zu verdrängen, schienen die meisten Besucher erstaunlich gut zu sein. Befördert wurde dieser Verdrängungsprozess durch die Tatsache, dass auf der gesamten Messe das Thema »Schlachtung« bzw. »Tötung« verschwiegen wurde. Auf Nachfrage sagte schließlich einer der Aussteller, »man kann es sich ja denken«, was mit den Tieren geschehe.
Wie schlecht die Tiere selbst auf der Grünen Woche behandelt wurden, wurde am Ende des Tages (es war der letzte Tag der Messe) noch einmal offensichtlich. Man konnte beobachten, wie die ausgestellten Tiere wieder verladen wurden: Die Küken wurden zu mehreren aus den Glasvitrinen gehoben und unsanft in Kartons geworfen, die Kühe wurden grob in die Transporter getrieben. Es drängte sich der Gedanke auf, dass man sich letztlich - wenn selbst hier vor den Augen der Besucher die Tiere ohne Sorgfalt und nur als Ware behandelt wurden - über die Schockbilder der wahren Zustände in den Ställen nicht wirklich wundern kann.