Bundesverfassungsgericht zu »Kleingruppen«-Käfigen
Am 12.10. 2010 hat das Bundesverfassungsgericht über die Normenkontrollklage der Landesregierung Rheinland-Pfalz (RLP) bezüglich der Haltung von Legehennen in sogenannten »Kleingruppen«-Käfigen entschieden. Diese Entscheidung wurde erst gestern veröffentlicht und klingt zunächst sehr positiv: Die Vorschriften, die es momentan erlauben, Hennen in »Kleingruppen«-Käfigen zu halten, sind verfassungswidrig und müssen bis zum 31.03.2012 neu geregelt werden.
Die Landesregierung von RLP hatte zum einen angeführt, dass die »Kleingruppen«-Käfige nicht mit dem Verfassungsziel des Tierschutzes und dem Tierschutzgesetz vereinbar sind. Zum anderen führte die Landesregierung an, dass bei der Einführung der neuen Käfige ein Verfahrensfehler begangen wurde: Die Bundesregierung hätte die Tierschutzkommission anhören müssen, bevor sie entschied, die Käfige in die Legehennenverordnung aufzunehmen. Diese Anhörung hätte die Bundesregierung ergebnisoffen(!) vornehmen müssen. Es wurde aber nachgewiesen, dass die Bundesregierung schon beschlossen hatte, die Käfige einzuführen und die Tierschutzkommission nur alibimäßig anhörte.
Im besten Fall hätte das Bundesverfassungsgericht der Landesregierung RLP in beiden Punkten recht gegeben. Es reichte aber ein Punkt, die Legehennenverordnung für verfassungswidrig zu erklären, und diese Option wählten die Richter dann auch: Sie entschieden, dass die alibimäßige und nicht ergebnisoffene Anhörung der Tierschutzkommission ein Verfahrensfehler war, der die Einführung der »Kleingruppen«-Käfige verfassungswidrig machte. Zu den Tierschutzaspekten äußerte sich das Gericht nur indirekt: Es betonte in seiner Begründung, dass der Tierschutz ein »Belang von Verfassungsrang [ist]«, und dass das Votum der Tierschutzkommission ernst genommen werden muss.
Wir sehen jetzt prinzipiell zwei Möglichkeiten, wie es mit der »Kleingruppenhaltung« in Deutschland weitergehen kann: Die Bundesregierung verbietet die »Kleingruppen«-Käfige, oder korrigiert formell den Verfahrensfehler der Quasi-Nichtanhörung der Tierschutzkommission und legalisiert die Käfige trotz des negativen Votums der Tierschutzkommission. Dies ist aber unwahrscheinlich, da es der Bundesregierung zum einen sehr schwer fallen dürfte, glaubhaft zu versichern, das Votum der Tierschutzkommission ernst zu nehmen und sich trotzdem für die Käfige zu entscheiden. Dafür sind die Mängel der Käfige zu offensichtlich. Noch unwahrscheinlicher wird diese Option dadurch, dass die Bundesregierung im Bundesrat keine Mehrheit für die Legalisierung der Käfige finden dürfte. Selbst wenn das doch gelänge, würde RLP oder ein anderes Bundesland den Fall sicherlich erneut vor das Bundesverfassungsgericht bringen – dieses Mal dann ausschließlich mit dem Argument des Tierschutzes. Dann müßte sich das Gericht auch inhaltlich mit den Tierschutzaspekten der Käfige auseinandersetzen.
Auch wenn die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Grund zum Optimismus gibt und generell die Rolle der Tierschutzkommission stärkt, ist der Spuk um die Haltung von Legehennen in den »Kleingruppen«-Käfigen noch nicht endgültig vorbei. Wir werden die nächsten Schritte der Bundesregierung daher wachsam beobachten.
Unabhängig davon ist deutlich geworden, wie wichtig unser Kampf gegen die Käfighaltung ist: Wenn die Bundesregierung die Käfige verbietet, wird sie lange Übergangsfristen festsetzen. Unsere Kampagnen haben dagegen dafür gesorgt, dass die neuen Käfige nicht zum geplanten Erfolgsmodell wurden. Die Eier-Industrie hatte ursprünglich geplant, etwa jede zweite Henne in Deutschland in den neuen Käfigen zu halten. Wir konnten aber mit unserem Tierschutz-Bündnis etliche Supermarktketten und Lebensmittelhersteller überzeugen, ganz auf Käfigeier zu verzichten. So haben die Käfige nur einen Marktanteil im einstelligen Prozentbereich erreicht. Auch wenn die Boden-, Freiland- und Biohaltung bei Weitem nicht tierleidfrei sind, ist die Abschaffung der Käfige ein wichtiger Schritt zu weniger Tierleid.