Urteil zu Kastenständen ist rechtskräftig

Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Beschluss mit weitreichenden Konsequenzen für deutsche Schweinehalter erlassen. Demnach müssen Kastenstände so beschaffen sein, dass sich die Sauen ungehindert hinlegen und in Seitenlage ihre Gliedmaßen ausstrecken können, ohne dabei an ein Hindernis – wie etwa ein Schwein im benachbarten Kastenstand – zu stoßen. In diesen Käfigen, die nur wenig größer sind als die Körper der Tiere, werden die Sauen mehrmals im Jahr vor und nach jeder Besamung fast fünf Wochen lang gehalten. Das Gericht hat mit seiner Entscheidung ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt gegen die LFD Holding GmbH (ehemals Straathof) bestätigt.

Laut einer Sprecherin des Bundesverwaltungsgerichts gilt das Urteil zunächst zwar nur für die beteiligten Parteien – es habe aber »Wirkung über den Fall hinaus, weil es sich um eine höchstrichterliche Auslegung einer Rechtsnorm« handele. Dadurch liegt nun eine eindeutige juristische Grundlage vor, an der sich Behörden bei der Bewertung von Kastenständen orientieren müssen. Jetzt sind die Veterinärämter gefordert, gegen die zu engen Kastenstände vorzugehen.

Konsequenzen für die Sauenhaltung

Die Sauenhalter:innen müssen sich auf tiefgreifende Änderungen gefasst machen: Sind ihre Kastenstände zu schmal (wie in praktisch allen Fällen), können sie die neuen Vorgaben der Agrarzeitung zufolge nur erfüllen, »indem nur noch jeder zweite Kastenstand belegt wird. Mittelfristig müssen die Ställe mit breiteren Kastenständen ausgestattet werden.« Unserer Ansicht nach wird eine Neuregelung der Kastenstandbreite dazu führen, dass die Haltung von Sauen in Kastenständen generell unrentabel wird – diese Käfige würden dann also nicht ersetzt, sondern vermutlich abgeschafft.

Die LFD Holding GmbH hat mitgeteilt, in ihren Anlagen größtenteils auf Gruppenhaltung umgerüstet zu haben. Im Deckzentrum, wo die Tiere kurz vor und nach der Besamung gehalten werden, wurde ein Teil der Kastenstände zu offenen Futterplätzen umgewandelt. Zur Besamung stehen die Sauen allerdings noch einige Tage im Kastenstand. Aufgrund der Gruppenhaltung verbringen die Sauen deutlich weniger Zeit allein in einem geschlossenen Kastenstand – allerdings müssen auch bei einer kürzeren Unterbringungsdauer die neuen Vorgaben erfüllt werden.

Reaktionen und unser Zwischenfazit zum Beschluss

Erste Reaktionen auf den Beschluss ließen nicht lange auf sich warten. So fordert der Landesverband Niedersachsen/Bremen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), »anstelle eines perspektivlosen Umbaus auf breitere Kastenstände nunmehr ein rasches Förderungs- und Umbauprogramm für tiergerechtere Sauen-Ställe«. Top Agrar befürchtet bei einer Umsetzung der Entscheidung einen »Kahlschlag« der deutschen Ferkelerzeugung, während die Grünen-Politikerin Dorothea Frederking den Beschluss einen »Meilenstein für mehr Tierschutz« nennt. Gleichzeitig fordert sie aber auch europaweit einheitliche Regelungen.

Auch wir begrüßen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts außerordentlich. Er wird sehr bei Verbandsklagen gegen untätige Veterinärämter helfen. Zu einer solchen Klage von ARIWA mit unserer Unterstützung könnte es je nach Verhandlungsverlauf in diesem Fall bald kommen.

Detaillierte Informationen über die Haltung von Zuchtsauen haben wir hier zusammengestellt.

Nachtrag (29.01.2021)

Die Tierschutznutztierverordnung ist hinsichtlich der Kastenstände novelliert worden. Was auf den ersten Blick wie ein großer Erfolg für den Tierschutz klingt, nämlich der Ausstieg aus der Kastenstandhaltung von Sauen in Deutschland, relativiert sich schnell bei detaillierter Betrachtung.

Im sogenannten Deckzentrum soll der Kastenstand in bereits existierenden Ställen nämlich erst nach maximal acht Jahren abgeschafft und durch Gruppenhaltung ersetzt werden. Konkret müssen Tiernutzer:innen innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten der Änderungen ein Betriebs- und Umbaukonzept vorlegen, innerhalb von fünf Jahren den Bauantrag gestellt und den Umbau letztlich erst nach acht Jahren abgeschlossen haben. Noch schlimmer sieht es für den sogenannten Abferkelstall aus: Dort beträgt die ohnehin schon viel zu großzügige Übergangsfrist ganze 15 Jahre, in Härtefällen sogar 17 Jahre. Nach Ablauf dieser Frist verringert sich aber lediglich die Anzahl der Tage, an denen die Sauen in einer Abferkelbucht (ein Kastenstand von dann 6,5 qm Größe) gehalten werden dürfen, auf fünf.

Für die Übergangszeit wurde die Vorschrift zum Ausstrecken in Seitenlage für die Sauen sogar noch verschlimmert. Hieß es bisher, dass jedes Schwein ungehindert in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken können soll, wurde diese Regelung insoweit ergänzt, dass dem Ausstrecken ein bauliches Hindernis nicht entgegenstehen dürfe. Die vermeintliche Klarstellung entpuppt sich als Zementierung der alltäglichen Realität von Sauen: sie liegen so dicht, dass das Ausstrecken durch die Sau im Nachbarkäfig behindert wird.

Es wird also noch etliche Jahre dauern, bis die Kastenstände in den Ställen von heute größtenteils verschwinden.

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