Supermärkte im Tierschutz-Ranking
Mit unserem aktuellen Tierschutz-Ranking bewerten wir zum ersten Mal ausführlich die Tierschutzstandards deutscher Supermarktketten. Dafür haben wir die Tierschutz-Richtlinien der großen Lebensmitteleinzelhändler genau unter die Lupe genommen. Die Unternehmen konnten in insgesamt 14 Themenbereichen Punkte sammeln: Neben den Richtlinien für zwölf Tiergruppen bewerteten wir die Negativlisten (also die Produktkategorien, die von den Unternehmen explizit ausgeschlossen werden wie z. B. Echtpelz) sowie Standpunkte zu weiteren übergeordneten Themen wie etwa dem Ausbau des veganen Angebots.
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Die Ergebnisse im Überblick
Die Unternehmen teilen das Feld klar unter sich auf: Tegut landet mit großem Abstand auf dem ersten Platz. Die Plätze zwei bis vier belegen Aldi (Nord und Süd), Lidl und Kaufland. Im Hinblick auf ihr Gesamtergebnis liegen sie dicht beieinander. Auf den Plätzen fünf bis elf landen die Schlusslichter des Rankings, die jeweils weniger als 20 % der Maximalpunktzahl erreicht haben.
Unsere Auswertung zeigt eine insgesamt leicht positive Tendenz gegenüber unserem Vergleich der LEH-Tierschutzstandards aus dem Jahr 2017: Der Trend geht zu mehr und besseren Tierschutz-Maßnahmen. Allerdings schreitet die Entwicklung nur langsam voran und es gibt nach wie vor viel Luft nach oben. Je nach Themenbereich konnten wir teilweise große individuelle Unterschiede zwischen den Einzelhändlern feststellen.
Die Ergebnisse der Unternehmen im Detail
Platz 1: Tegut
Bei Tegut fällt positiv auf, dass das Unternehmen für viele landwirtschaftlich genutzte Tiere höhere Standards erarbeitet und sich, im Gegensatz zu anderen Einzelhändlern, dabei nicht nur auf einige wenige Tierarten beschränkt hat. Bei den meisten Themen liegt Tegut vor oder gleichauf mit den anderen Unternehmen. Erfreut hat uns auch die präzise Formulierung der Richtlinie: Geltungsbereiche werden deutlich benannt. Außerdem setzt sich Tegut Fristen und veröffentlicht Fortschrittsberichte.
Großes Potenzial für Verbesserungen sehen wir bei Tegut in den nächsten Jahren besonders in der Ausweitung des Geltungsbereichs einzelner Maßnahmen auf das gesamte Eigenmarkensortiment.
Aldi Nord und Aldi Süd, die mit ihrer gemeinsamen Einkaufsrichtlinie für Deutschland zusammen in unserem Ranking auftreten, landen mit einem hauchdünnen Vorsprung auf dem zweiten Platz. Das verdankt Aldi unter anderem einer relativ soliden Negativliste (u. a. konsequenter Verzicht auf Hummer, Kaninchen sowie Produkte von exotischen oder geschützten Tieren). Erfreulich ist auch die Aufnahme der Five Provisions and Welfare Aims und die Mitgliedschaft im Initiativkreis Tierschutzstandards Aquakultur.
Nachholbedarf sehen wir bei Aldi eindeutig beim vollständigen internationalen Verzicht auf Eier aus Käfighaltung sowie beim konsequenten Ausstieg aus dem Schnabelkürzen. Wir vermissen außerdem ein klares Bekenntnis gegen die Haltungsstufe 1 der »Haltungsform«-Kennzeichnung. Bei den spezifischen Maßnahmen für die einzelnen Tierarten bewegt sich Aldi in der Regel im unteren Drittel aller möglichen Punkte.
Lidl punktet ebenfalls mit den Five Provisions and Welfare Aims und der Mitgliedschaft im Initiativkreis Tierschutzstandards Aquakultur. Beim Einsatz für bessere Standards in der Junghennenaufzucht wartet Lidl mit den konkretesten Forderungen auf – hier kommt es jetzt darauf an, bei den Verhandlungen nicht nachzugeben. Erfreulich ist, dass Lidl eine Auslistung der Haltungsstufe 1 beabsichtigt. Leider bleibt das Unternehmen dabei aber zeitlich unverbindlich. Die Zukunft wird zeigen, wie ernst es Lidl mit diesem Ziel wirklich ist.
Wir sehen viel Potenzial für Lidl, sich künftig im Tierschutz hervorzutun: Das Unternehmen muss endlich auch global aus der Verwendung von Käfigeiern aussteigen und darf die bereits angekündigte Prüfung der Masthuhn-Initiative nicht auf die lange Bank schieben. Außerdem erwarten wir, dass Lidl seine bisher nur vorsichtig formulierten oder lediglich vorübergehend umgesetzten Maßnahmen in der Milchkuh- und Mastrind-Haltung ausweitet und konkretisiert. Nachholbedarf gibt es außerdem bei der Positionierung gegen Kastenstände bei Zuchtsauen.
Ausgewählte Themen im Detail
Guter Schnabelkürz-Ausstieg bei Legehennen
Leider ist der Irrglaube verbreitet, dass es mit dem Verzicht auf das Schnabelkürzen bei Junghennen getan ist. Durch die mangelhaften Haltungsbedingungen sowie die zu hohen Besatzdichten entstehen jedoch Verhaltensstörungen wie Federpicken oder Kannibalismus. Ein erfolgreicher Ausstieg aus dem Schnabelkürzen ist deshalb erst dann erreicht, wenn mit entsprechenden Verbesserungen der Haltungsbedingungen dafür gesorgt wird, dass die Tiere sich (auch bei hinreichend viel Licht) nicht gegenseitig verletzen. Ein vernünftiger Kompromiss zwischen den Interessen von Tiernutzern und Tierschutz wäre es, die Empfehlungen des LAVES-Leitfadens für alle Eier-Lieferanten verbindlich zu machen.
Einige Unternehmen haben ihr Bestreben formuliert, sich für Verbesserungen in der Junghennenhaltung einzusetzen. Lidl wird hier am konkretesten: Es werden die drängendsten Probleme angesprochen, die verpflichtende Nutzung des LAVES-Leitfadens als Ziel formuliert und ein intensiver Einsatz für diese Verbesserungen angekündigt.
Masthühner
Unternehmen, die sich zur Unterstützung und Umsetzung der Europäischen Masthuhn-Initiative bekennen, konnten in diesem Themenfeld punkten. Leider hat sich von den bewerteten Unternehmen lediglich Tegut der Initiative angeschlossen – und das mit einer zu starken Einschränkung: Das Commitment gilt nur für eine Eigenmarke. Erfreulicherweise prüft das Unternehmen derzeit eine Ausweitung auf alle Eigenmarken.
Ferkelkastration
Die Tierschutzbewegung ist sich inzwischen einig, dass ein erfolgreicher Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration auf eine breite Unterstützung der Immunokastration angewiesen ist, die nur sehr geringe Eingriffe am Tier erfordert. In unserem Ranking haben wir daher ein klares Bekenntnis zu dieser Kastrationsmethode positiv bewertet. Punktabzug gab es dagegen für die chirurgische Kastration mit Lokalanästhesie (»4. Weg«) und andere Eingriffe am Tier, wie etwa das Schwanzkürzen.
Gesamtsieger Tegut hinkt bei diesem Thema hinterher und plant, weiter Eingriffe am Tier vorzunehmen, statt auf Ebermast oder Immunokastration zu setzen. Lidl, Kaufland und Aldi haben immerhin (unverbindliche) Ziele formuliert und wollen die Immunokastration einführen.
Zuchtsauen in Kastenständen
Bei der Verbesserung der Haltung von Zuchtsauen zeigt sich ein dramatisches Bild: Nur wenige Unternehmen sprechen das Thema Kastenstände in ihren Richtlinien überhaupt an; über schwammig formulierte Absichtsbekundungen geht keines hinaus. Hier muss eindeutig mehr passieren, wenn die Unternehmen es mit der Anhebung von Tierschutzstandards ernst meinen.
Milchkühe
Beim Themenbereich »Milchkühe« haben wir uns insbesondere an der von der Tierschutzbewegung formulierten Prioritätenliste zur Erhöhung des Tierschutzniveaus in der Milchkuhhaltung orientiert. Zu den darin geforderten Maßnahmen gehören beispielsweise das Ende der Anbindehaltung, der Schlachtung trächtiger Kühe und der zootechnischen Eingriffe.
Das Feld teilt sich bei diesem Thema deutlich in die ersten fünf und die letzten sechs Plätze auf, wobei Tegut und Kaufland klar vorn liegen. Zur Anbindehaltung äußern sich Aldi, Lidl, Kaufland, Real und Tegut am konkretesten. Leider konzentrieren sie sich aber auch hier nur auf Ziele für einzelne Eigenmarken(-produkte). Insbesondere mit der vollständigen Abschaffung der Anbindehaltung tun sich alle Unternehmen schwer.
Aquakultur
Im Rahmen des von uns initiierten Initiativkreises Tierschutzstandards Aquakultur tauschen wir uns seit dem Jahr 2018 mit Akteuren aus Einzelhandel, Wissenschaft, Verbänden und Behörden intensiv darüber aus, wie sich Tierschutzstandards in Aquakulturen schaffen und erhöhen lassen. Erfreulicherweise sind sechs Unternehmen aus dem LEH Mitglieder im Initiativkreis und nehmen aktiv daran teil – das wurde im Ranking mit Punkten belohnt. Abzüge gab es dabei für Rewe und Edeka, weil diese Unternehmen ihr Engagement nicht selbst kommuniziert haben.
So positiv diese ersten Schritte der Unternehmen auch sind: Es bleibt noch viel Arbeit, denn die Commitments müssen jetzt mit Leben gefüllt werden.
Negativliste und übergeordnete Themen
Bei der Analyse der Negativlisten der Unternehmen haben wir unter anderem darauf geachtet, ob die Unternehmen vollständig auf Produkte aus besonders grausamen Haltungs- oder Produktionsbedingungen verzichten. Dazu gehören beispielsweise Hummer, Stopfleber und Pelz. Gesamtsieger Tegut ist mit seiner Negativliste Vorreiter, dicht gefolgt von Aldi. Weit abgeschlagenes Schlusslicht ist Globus.
Zu den ebenfalls bewerteten »übergeordneten Themen« gehört unter anderem der Umgang der Unternehmen mit der »Haltungsform«-Kennzeichnung des Einzelhandels, der sich diverse Händler angeschlossen haben. Unsere Forderung, die Haltungsform-Stufe 1 abzuschaffen, da sie lediglich die gesetzlichen Mindestanforderungen abdeckt, unterstützen Lidl, Kaufland und Rewe – allerdings nur mit unverbindlich formulierten Zielen. Ebensowenig erfreulich sind die Richtlinien der Unternehmen zum Ausbau des veganen Angebots. Sie sind häufig noch zu unverbindlich formuliert und lassen damit eine konkrete Positionierung vermissen. Lediglich Tegut und Real geben konkret an, dass sie ihr veganes Angebot ausbauen wollen. Erfreulicher sind die Ergebnisse bezüglich der Five Provisions and Welfare Aims: Fünf Unternehmen nutzen diese Standards mittlerweile und haben sich damit von den überholten »Fünf Freiheiten« verabschiedet.
Unser Fazit
Mit der enormen Einkaufsmacht des LEH geht auch große Verantwortung einher: Die Unternehmen können maßgeblich beeinflussen, welche Tierschutzstandards in der Breite angehoben werden. Leider kommen sie dieser Verantwortung bisher nur mangelhaft nach.
Die Händler haben sich in den letzten Jahren jedoch auf einen guten Weg gemacht. Dass viele von ihnen mittlerweile Tierschutz-Richtlinien formuliert und veröffentlicht haben, ist erfreulich. Jetzt ist es Zeit für den nächsten Schritt: Die konkrete Umsetzung, Verbesserung und Dokumentation der formulierten Maßnahmen, damit sich tatsächliche Fortschritte für den Tierschutz ergeben. Die Geltungsbereiche müssen außerdem auf alle Eigenmarken ausgeweitet werden – aus Leuchtturmprojekten müssen Maßnahmen werden, die in der gesamten Sortimentsbreite wirken.
Wir werden die Fortschritte der Unternehmen bei unserem nächsten Ranking in zwei Jahren erneut auf den Prüfstand stellen.
Wie haben wir bewertet?
Im Sommer 2019 haben wir die größten deutschen Lebensmitteleinzelhändler (nach Umsatz) um die Einsendung ihre aktuellen, öffentlich zugänglichen Richtlinien gebeten. Eigene Recherchen von Dokumenten, Webseiten etc. haben wir nicht vorgenommen. Stand der bewerteten Richtlinien ist Oktober 2019.
Die Unternehmen konnten in 14 Themenbereichen Punkte sammeln: 12 Tiergruppen, die Negativliste und übergeordnete Themen. Die Themenbereiche wurden abhängig von verschiedenen Faktoren (z. B. dem jährlichen deutschlandweiten Umsatz mit einer Tiergruppe oder Schlachtzahlen) gewichtet.
Bewertet wurde die Umsetzung der in den Richtlinien beschriebenen Maßnahmen (für voll umgesetzte Maßnahmen gab es die volle Punktzahl) sowie der Geltungsbereich: Die meisten Punkte erhielten die Richtlinien, die das gesamte Sortiment aus Eigen- und Herstellermarken abdecken. Das Gesamtergebnis eines Unternehmens pro Thema (in %) stellt das Verhältnis zur möglichen Gesamtpunktzahl dar.
Detaillierte Informationen zu unserer Methodik finden Sie im Reader zum Ranking.
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