Öffentliche Gelder für Megafarmen
Deutschland und andere EU-Mitgliedsstaaten sind aufgefordert, Kapitalvergaben an Tierschutz-Mindeststandards zu binden.
Viel Geld für großes Leid: Trotz zunehmender öffentlicher Kritik ermöglichen internationale Finanzinstitutionen (IFIs) und Exportkreditagenturen weiterhin riesige industrielle Anlagen zur Schweine- und Hühnerhaltung außerhalb der Europäischen Union. Oftmals erfüllen die Tierhaltungsbedingungen in diesen Betrieben nicht einmal die EU-Mindestanforderungen. Zu diesem Schluss kommt der Bericht »International Finance Institutions, Export Credit Agencies and Farm Animal Welfare« der internationalen Tierschutzorganisation Humane Society International (HSI). Auf Einladung des Deutschen Naturschutzrings (DNR) wurde der Bericht heute von HSI, DNR und der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt (ASS) in Berlin präsentiert.
»Bei internationalen Finanzinstitutionen, insbesondere der Weltbankgruppe, handelt es sich um einflussreiche Lenkungseinrichtungen, die mit öffentlichen Geldern wirtschaftliche Entwicklungen stimulieren. Tierquälerische Massentierhaltung ist nicht nur moralischer, sondern auch ökonomischer Unfug. Tierwohl muss im 21. Jahrhundert bei der Verwendung öffentlicher Mittel verbindliches Kriterium sein«, sagt Nicolas Entrup, Berater der HSI, bei der Präsentation des Berichtes. Seit 2013 bringt die HSI dieses Thema in die Öffentlichkeit und fordert, Mindeststandards der Tierhaltung bei IFIs und Exportkreditagenturen zu verankern.
Bundesregierung kann Tierquälerei stoppen
DNR-Präsident Prof. Kai Niebert fordert die Bundesregierung auf, aktiv zu werden: »Öffentliches Geld für unterirdische Tierhaltungsbedingungen ist definitiv nicht mehr zeitgemäß. Die Unterstützung dieser Forderung im Rahmen der IFIs und eine Abkehr von der gegenwärtigen Praxis der Hermes-Bürgschaften ist längst überfällig.« Die drei Organisationen erwarten von den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten, und hier insbesondere von der deutschen Bundesregierung, bei der Neufassung der Safeguard Policies der Weltbank die Festschreibung substantieller Tierwohl-Standards als Kriterium für Kapitalvergaben. Dadurch könne das Leid von Milliarden Tieren gemindert werden. Aufgrund der Bedeutung der Weltbank-Richtlinien werden positive Veränderungen in diesem Bereich auch andere regionale und internationale Entwicklungsbanken beeinflussen. Die Überarbeitung der Safeguard Policies steht in diesem Halbjahr vor der Finalisierung.
Schweinezucht: Kein Platz zum Umdrehen
Die Weltbankgruppe stellte beispielsweise »Muyuan«, einem der größten Schweinehaltungsbetriebe in China mit mehr als 1,5 Mio. Schweinen, über 50 Mio. US-Dollar für die Vergrößerung der Anlagen zur Verfügung. »Die Sauen vegetieren ihr ganzes Leben in Kastenständen, in denen sie sich nicht einmal umdrehen können«, kritisiert Konstantinos Tsilimekis, Leiter der Wissenschaftsabteilung der ASS. Und er fügt hinzu: »Ebenso grotesk ist es, Käfighaltungssysteme, die nach einer jahrelangen Übergangsphase in Deutschland verboten sind, nun mit öffentlichen Geldern jenseits der EU-Grenzen neu zu errichten.« Deutschland unterstützte etwa den Bau von zwei Käfigbatterieanlagen für 11,2 Mio. Legehennen der Firma »Avangard« in der Ukraine mit Hermesbürgschaften in Höhe von 26,4 Mio. Euro. Eine niederländische Exportkreditgarantie in Höhe von 7,4 Mio. Euro gilt dem Unternehmen »Miratorg«, das in Russland 1,2 Mio. Masthühner pro Jahr in mehrstöckigen Käfigbatterien auf Laufbändern halten wird, die den Kot abtransportieren und am Ende auch gleich die Hühner zu den Schlachttransportern befördern.
Nachteile auch für Konsumenten und Bauern
Darüber hinaus verweist Niebert auf die möglichen Folgen der Einfuhr von Billigprodukten: »Die kritisierten Investitionspraktiken lassen auch deutsche Landwirte nicht unberührt. Und da für verarbeitete Lebensmittel keine entsprechende Kennzeichnungspflicht besteht, kann der Konsument nicht erkennen, ob dort verwendete Eier aus Käfighaltung stammen. Unsere Forderung deckt sich mit jener der Landes-Agrarminister, die zwischen 2013 und 2015 die Bundesregierung bereits in mehreren Beschlüssen aufgefordert haben, Hermesbürgschaften und IFI-Kapitalvergaben an die Erfüllung von EU-Standards zu koppeln«, so der DNR-Präsident.
Gemeinsame Initiative
Im Dezember 2014 verabschiedeten die Landwirtschaftsminister Dänemarks, Deutschlands und der Niederlande eine gemeinsame Erklärung zum Tierschutz. Darin heißt es wörtlich, »Dänemark, Deutschland und die Niederlande beabsichtigen, sich im Rahmen der im Landwirtschaftssektor aktiven nationalen und internationalen Finanzinstitutionen und im internationalen politischen Rahmen der nationalen Ausfuhrkreditagenturen für den Tierschutz einzusetzen, und dabei besonders auf den Erhalt gleicher Wettbewerbsbedingungen zu achten«. DNR, ASS und HSI erwarten von der Bundesregierung eine aktive Politik, um dieser selbst formulierten Forderung nachzukommen.
Links zum HSI-Bericht: Vollversion (englisch); Zusammenfassung (4 Seiten, deutsch)