»Mami, ist das vegan?« – Buchbesprechung
Interessante und informative Vegan-Biografien gibt es inzwischen viele. Das Besondere am Erfahrungsbericht von Jumana Mattukat ist der familiäre Aspekt: Als vegane Ehefrau und Mutter zweier Kinder muss sie sich mit den Ernährungswünschen des Rests der vierköpfigen Familie auseinandersetzen, was das Familienleben vor eine große Herausforderung stellt.
Der Zwiespalt
Mattukat beginnt ihren Erfahrungsbericht mit der Schilderung einer Familiensituation einige Wochen nach der Entscheidung, nach einjähriger vegetarischer Phase vegan zu leben. Zu diesem Zeitpunkt ernährt ihre achtjährige Tochter sich bis auf ein paar Ausnahmen ebenfalls vegetarisch, ihren Sohn und ihren Mann bezeichnet sie als »gelegentliche Fleischesser«. Der gemeinsame Einkauf und auch die Situation am Essenstisch verändern sich durch die unterschiedlichen Ernährungsformen deutlich – alle fühlen sich unwohl. Der Ausgangspunkt der Autorin ist also ein Dilemma: Zum einen möchte sie keine Tierquälerei für ihre Nahrung mehr unterstützen und zudem nicht später von ihren Kindern vorgeworfen bekommen, dass sie nicht trotz besseren Wissens um die Auswirkungen des Konsums tierischer Produkte versucht hat, sie vegan zu ernähren. Sie möchte aber auch nicht, dass die Ernährungsumstellung auf Kosten des Familienfriedens und ihrer Ehe geht.
Mahlzeiten verbinden – und trennen
Dass das Zusammenkommen zu den Mahlzeiten mehr ist als die reine Nahrungsaufnahme, ist Mattukat bewusst. Gemeinsames Essen ist für Familien elementar, am Tisch finden sich alle zusammen und tauschen sich aus – deswegen führt eine Veränderung des gewohnten Essverhaltens unweigerlich zu Konflikten. Zudem sind Eltern für die Ernährung ihrer Kinder verantwortlich und möchten sie mit gesunden Nahrungsmitteln versorgen, die ihnen gut tun und schmecken. Weil Essen eng mit Fürsorge und Liebe verknüpft ist, werden zurückgewiesene Teller leicht persönlich genommen. Aus Mitleid mit den Tieren möchte die Autorin trotzdem einen Weg finden, ihre Kinder in Zukunft möglichst vegan zu ernähren und nimmt die Leser:innen mit auf diese Reise. Weil sie sicher ist, dass »die vegane Ernährung die Ernährungsform der Zukunft ist und dass somit viele Familien einen ähnlichen Prozess durchleben werden«, schildert sie ihre Erfahrungen in »Mami, ist das vegan?«.
Vegan – ist das gesund?
Um sicher zu gehen, dass die vegane Ernährung gesund für sich und ihre Familie ist, befragt Mattukat zunächst einige Ernährungsexperten. Neben deren positiven Antworten bestärkt sie die persönliche Erfahrung, dass es ihrem eigenen Körper ohne tierische Produkte besser geht, in ihrer Entscheidung, die Kinder weitestgehend pflanzenbasiert zu ernähren. Zurückhaltend ist sie jedoch bei den häufig von Veganer:innen als Ersatz gewählten Sojaprodukten, da deren Wirkung auf Kleinkinder bei einigen Mediziner:innen umstritten ist.
Vegane Alltagserfahrungen
Im Verlauf ihres Buches berichtet die Autorin von anfänglichen gelegentlichen Ausnahmen, Pizzakatastrophen und anderen zum Teil misslingenden, aber auch sehr schmackhaften Rezeptversuchen, dem ersten veganen Grillen und der Versorgung mit veganem Essen im Urlaub. Ausführlich erfahren die Leser:innen auch vom Stress, drei unterschiedliche Gerichte nebeneinander für die Familie zu kochen und sich Alternativen zu überlegen, ebenso von Mattukats Angst vor Ablehnung und den veganen »Outings« bei Familie und Kochfreunden. Sie teilt ihre Erfahrung, dass es auch für das Umfeld einfacher ist, Gastgeber:innen »vorzuwarnen«, schwärmt vom neuen Genuss beim Essen, erzählt, wie die Aufmerksamkeit ihrer Kinder immer mehr geschärft wird und diese von sich aus immer weniger tierische Produkte essen möchten. Außerdem bemerkt sie, dass sie alleine dadurch, dass sie sich vegan ernährt, in ihrem Umfeld Diskussionen über das Thema Ernährung auslöst.
Mattukat stellt im Laufe des halben Jahres ihrer Aufzeichnungen fest, dass es vor allem darum geht, Gewohnheiten zu ändern. Der Verzicht auf liebgewonnene Lebensmittel fällt ihr nicht immer leicht und manchmal wünscht sie sich, »nichts von all dem Leid zu wissen«. Doch sie merkt, dass die Lust darauf nach einigen Wochen verschwindet, das Gefühl des Verzichts somit auch weniger wird und es tolle vegane Alternativen gibt. Am Ende ihrer Ausführungen schaudert es sie sogar bei dem Gedanken daran, dass Milchbestandteile in einem Produkt enthalten sind, und kommt zu dem Schluss: »Ich glaube, ich bin jetzt zu 100 % vegan«.
Die anfängliche Sorge, dass sich die Ernährung zum spaltenden Element in der Familie entwickelt, zeigt sich letztendlich als unbegründet. In dem halben Jahr der Ernährungsumstellung finden zwar immer wieder Diskussionen mit ihrem genervten Mann, der gelegentlich Fleisch isst, über die Wahl des Restaurants und auch am Essenstisch statt, doch letztendlich wächst die Beziehung an der zum Großteil gemeinsamen Ernährungsumstellung.
Fazit
Mattukats Erfahrungsbericht ist sehr angenehm zu lesen. Das Buch ist durch die Gliederung in kurze, mit treffenden Überschriften versehene Abschnitte lesefreundlich strukturiert. In lockerem Ton berichtet sie von Alltagssituationen mit Mann und Kindern und lässt im Wechsel hiermit Informationen (z. B. über die Lebensbedingungen der »Nutztiere«, Vitamin B12 oder versteckte tierische Inhaltsstoffe) und eigene Überlegungen einfließen. So versorgt sie die Leser:innen auch mit praktischen Tipps aus ihrem Erfahrungsschatz, etwa dem, dass Sojamilch sich gut zum Aufschäumen eignet oder dass Eier beim Backen leicht zu ersetzen sind. In eingestreuten Infokästen stellt sie zudem einige ihrer Lieblingsnahrungsmittel vor und weckt so die Lust darauf, diese selbst einmal (wieder) auszuprobieren. Dabei vermeidet die Autorin bewusst einen belehrenden Ton. Aus eigener Erfahrung mit einer schon seit längerem veganen Freundin weiß sie, wie gut es war, dass diese ihr – ohne zu drängen – die Zeit gelassen hat, die sie für ihre eigene Entscheidung zur Umstellung gebraucht hat.
Nicht nur für vegane Mütter oder Väter, die sich in einer ähnlichen Situation befinden wie Jumana Mattukat, ist »Mami, ist das vegan?« eine empfehlenswerte literarische Unterstützung, die dabei hilft, sich im veganen Familienalltag nicht entmutigen zu lassen. Zusätzlich zu dem Erfahrungsbericht finden sich schließlich auch noch 33 »an verschiedenen Kindern erprobte« Lieblingsrezepte der Autorin, die zum Nachkochen anregen. Ergänzt werden diese durch einen praktischen Anhang mit zahlreichen weiterführenden Hinweisen und Adressen.