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Kein Fleisch macht glücklich – Buchbesprechung

Cover "Kein Fleisch macht glücklich" von Andreas Grabolle

Kein Fleisch macht glücklich – so der Titel eines kürzlich veröffentlichten Buches, in dem sich der Autor Andreas Grabolle der grundlegenden Frage stellt, inwieweit es heutzutage eigentlich noch gerechtfertigt sein kann, Tiere zu essen. Von Anfang an gewährt der Biologe, Klimaexperte und Wissenschaftsjournalist dabei seinen Lesern einen offenen Einblick in seine Gedanken und Erfahrungen und lässt sie teilhaben an den zahlreichen Fakten, die er auf dem Weg zur Beantwortung seiner Hauptfrage gewinnt. Heraus kommt ein ehrliches und erkenntnisreiches Buch, das überzeugt.

Ein überraschender Anfang

Das Buch beginnt – nach einem zweiseitigen, durchaus diskutablen Vorwort der bekannten Köchin Sarah Wiener – überraschend und für manche Leser vielleicht auch provozierend: Andreas Grabolle sitzt als Vegetarier am Weltvegetariertag mit seiner Kollegin Steffi in einem Steakhaus, um sein erstes Rumpsteak nach vielen Jahren zu bestellen. Die begründende Motivation dafür wird prompt geliefert: Es geht dem Autoren darum, fundierte Erfahrungen für sein Buch zu sammeln. Außerdem habe er, wie er schreibt, »nach 13 Jahren vegetarischer Ernährung einfach Lust darauf« gehabt. Ergänzt wird diese skurril anmutende Episode durch einige erste tiefergehende Reflektionen und Fragestellungen Grabolles (z. B.: »Ist eine strikte Abkehr vom Fleisch nicht genussfeindlich, überkorrekt oder gar ungesund?«) sowie durch die Wiedergabe der Gedanken seiner – nicht uneingeschränkt – fleischliebenden Kollegin Steffi.

So überraschend und provozierend das Buch auch beginnen mag, so sehr gibt dieser Einstieg auch die weitere Richtung vor: Andreas Grabolle stellt das gesamte Buch hindurch bewegende Fragen, lässt viele unterschiedliche Leute zu Wort kommen – neben der Arbeitskollegin sind dies u.a. auch Ernährungs- und Wirtschaftswissenschaftler, Tierärzte, Tierschützer, Bauern und ein »Jäger aus Kurpfalz« – und begibt sich darüber hinaus auch immer wieder in den Mittelpunkt des Geschehens, so etwa in Mastanlagen, in ein »Kuh-Altersheim«, auf einen Kongress von Tierbefreiern und sogar auf die Jagd.

Ein faktenreicher Weg

Beachtlich an Kein Fleisch macht glücklich ist neben den vielen persönlichen Einblicken, die der Autor in seine Gedankenprozesse gewährt, vor allem auch die Fülle an aktuellen und zumeist verständlich aufbereiteten Fakten, mit denen die Lebenssituation der für die menschliche Ernährung auserkorenen Tiere gerade auch in Deutschland vor Augen geführt wird. Ganz gleich ob es sich um Zucht-, Haltungs- und Tötungsfragen in Bezug auf die intensive Massenhaltung von Land- und Wassertieren handelt oder aber auch um Ernährungs-, Gesundheits- und Klimafragen: Über die vorbildlich recherchierten und fließend eingearbeiteten Zahlen und Fakten gelingt es Andreas Grabolle überzeugend, die von ihm aufgezeigten Probleme des gegenwärtigen Umgangs mit Tieren wissenschaftlich – manchmal jedoch vielleicht ein wenig zu langatmig – zu untermauern.

Leid, Leben und Tod – ethische Dilemmata

Über harte Fakten hinaus, beschäftigt sich Grabolle in einem kurzen Kapitel seines Buches auch mit zentralen moralphilosophischen Positionen (u.a. von René Descartes, Jeremy Bentham, Arthur Schopenhauer, Leonard Nelson, Peter Singer), wobei er diese nicht einfach nur blind referiert, sondern stets für sich überprüft und in Hinsicht auf ihre Praxistauglichkeit abklopft. Wenn auch grundsätzlich gelungen, so scheint hierbei die Beschäftigung mit der Ethik Albert Schweitzers etwas zu oberflächlich erfolgt zu sein, wenn dieser die Fähigkeit abgesprochen wird, als konkrete moralische Entscheidungshilfe dienen zu können, da sie keine »plausible(n) ethischen Leitlinien« insbesondere für den Alltag liefere. Verkannt wir dabei vom Autor, dass Schweitzers Ehrfurchtsethik mit ihrer einfachen zur Aktivität auffordernden Leitlinie – »Gut ist: Leben erhalten und fördern; schlecht ist: Leben hemmen und zerstören« – gerade in der Alltagspraxis ihre Stärken ausspielen kann und dass sich speziell auch für die vom Autor behandelte Ernährungsfrage plausible Handlungsalternativen aus Schweitzers Ethik ableiten lassen.

Ein wegweisendes Ende

»Von einem, der auszog, um den Konsum von Fleisch zu hinterfragen und der bei seiner Rückkehr nicht nur den Fleischkonsum, sondern den generellen Konsum sämtlicher tierlicher Nahrungsmittel infrage stellt« – so oder so ähnlich könnte ein zusammenfassender Satz über Kein Fleisch macht glücklich lauten. Welche Grundposition Andreas Grabolle am Ende seines Buches einnimmt, dürfte durch dessen Titel von vornherein klar sein. Zu viel über das Buch verraten wird an dieser Stelle sicherlich auch nicht mit dem Hinweis, dass letztlich nicht nur der Fleischkonsum vom Autor hinterfragt wird. Entscheidend ist somit nicht allein, welche Position am Ende des Buches eingenommen, sondern vielmehr auch, wie sie gewonnen wird:

Andreas Grabolle fragt, er recherchiert, er probiert, er kommuniziert, er zeigt faktenreich auf. Und: Er findet auf diesem mustergültigen Weg zunächst einmal für sich allein eine klare Antwort auf die eingangs erwähnte Frage nach dem menschlichen Recht, Tiere zu essen. Ohne den moralischen Zeigefinger zu heben oder gar mit der moralischen Faust auf den Tisch zu hauen, lotet er die Konsequenzen seiner Handlungen für sich aus und kommt dabei in der Ernährungsfrage zu einem Ergebnis, das über die ihm zugrunde liegenden Fakten und Faktoren auch die Leser des Buchs dazu anzuregen vermag, ihr eigenes Ernährungsverhalten verstärkt zu überdenken.

Kein Fleisch macht glücklich besticht durch ein überwiegend ausgewogenes Verhältnis aus wissenschaftlichem Anspruch, journalistischer Verständlichkeit und persönlichen Anekdoten und lässt zudem noch genügend Raum, um weitere Diskussionen anzustoßen und auch die Ansätze des Autors zu hinterfragen. Ein Buch, das gelesen werden sollte.

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