Fleisch, Welternährung und die Bundesregierung
Die Lösung des Welternährungsproblems ist eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit: Im Jahr 2009 litten weltweit offiziell mehr als 1 Mrd. Menschen an Hunger; es gibt auch Schätzungen, die von höheren Zahlen ausgehen. Hinzu kommen mehrere Mrd. Menschen, die von einer Unterversorgung mit lebenswichtigen Mikronährstoffen betroffen sind. Dem gegenüber steht das Phänomen der Überernährung in Industrie- und Schwellenländern: Die Hälfte der Bevölkerung der OECD-Staaten ist übergewichtig, jeder sechste OECD-Bürger gilt als adipös.
Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag hat sich jetzt in dem Bericht »Forschung zur Lösung des Welternährungsproblems – Ansatzpunkte, Strategien, Umsetzung« mit den unterschiedlichen Perspektiven des Welternährungsproblems und Lösungsstrategien beschäftigt. Dabei werden wichtige Zusammenhänge genannt, vor denen sich die Bundesregierung nicht verschließen darf. Es folgen die wichtigsten Punkte des Berichts zu den Themen Tierprodukte und Intensivtierhaltung.
Momentan werden, global gesehen, mehr als genug Lebensmittel für alle produziert, doch bei weitem nicht alle Menschen haben Zugang zu den Lebensmitteln, die in erster Linie in industrialisierten Ländern konsumiert werden. Der Bericht prognostiziert, dass sich dieses Verteilungsproblem zukünftig auch zu einem Mengenproblem ausweiten wird, da davon auszugehen ist, dass sich die Schwellen- und Entwicklungsländer in ihren Ernährungsgewohnheiten weiter an die Industrieländer anpassen. Dieser Ernährungsstil ist vor allem durch eine hohe Kalorienzufuhr und einen hohen Anteil tierlicher Nahrungsmittel gekennzeichnet, der mit einem hohen Bedarf an landwirtschaftlicher Fläche einhergeht, weil die Verfütterung pflanzlicher Kalorien zur Produktion tierlicher Kalorien sehr ineffizient ist (die Tiere verbrauchen die meiste Energie für den eigenen Stoffwechsel sowie den Aufbau von Knochen etc.). So werden z. B. im US-Staat New York für die Produktion von 1.000 kcal Getreide nur 1,1 m² Fläche benötigt, während für die Produktion von 1.000 kcal Schweinefleisch 7,3 m² in Anspruch genommen werden.
Zudem führt der Bericht auf, dass die Intensivtierhaltung zu einer massiven Verschlechterung des Zustandes der Ökosysteme führt: Sie ist der größte Verursacher von Treibhausgasen, der größte Verbraucher von Süßwasser, führt zu gravierender Bodendegeneration sowie dem Verlust von Biodiversität und bedarf einer hohen Menge an fossilen Energieträgern.
Die Studie fordert daher dringend dazu auf, den Verbrauch von Boden, Wasser und Dünger erheblich zu reduzieren, um zu verhindern, dass die Nahrungsmittelproduktion ihrer eigenen Grundlage beraubt wird. Die wohl wichtigste im Bericht vorgeschlagene Maßnahme zur Verbesserung der aktuellen Situation und zur Sicherung der zukünftigen Welternährung ist es daher, den Konsum von tierischen Proteinen in den Industriestaaten stark zu reduzieren.
Da leider davon auszugehen ist, dass die aktuelle Bundesregierung diese erneute Mahnung zur Zurückdrängung der Intensivtierhaltung sowie zur Senkung des Fleisch-, Milch- und Eikonsums ignorieren wird, werden wir weiter mit der Wirtschaft und in Zukunft noch intensiver mit der Öffentlichkeit zusammenarbeiten, um die grausamsten Tierhaltungsformen abzuschaffen und um die pflanzliche Ernährung zu stärken.