Tierschutz wählen - aber welche Partei?

Am 23. Februar 2025 wird nicht nur ein neuer Bundestag gewählt. Sie, die Wähler:innen können auch mitbestimmen, welche Politik für die Tiere in der Landwirtschaft in den kommenden Jahren gemacht werden soll. Um Ihnen die Entscheidung zu erleichtern, hat die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt die Positionen der Parteien1 zu diesem Thema ausgewertet.
Ursprünglich haben wir die Parteien im Dezember angeschrieben und um die Beantwortung von fünf Fragen (sogenannte Wahlprüfsteine) gebeten, die die für uns wichtigsten Themen in den nächsten vier Jahren abdecken. Einzig das BSW hat unsere Fragen fristgerecht beantwortet (die Antworten finden Sie unten). Die anderen Parteien haben darauf hingewiesen, dass der Wahlkampf sehr kurz sei. Deshalb haben sie eine gemeinsame Vereinbarung getroffen und beantworten nur wenigen Organisationen ihre Fragen.
Um Ihnen trotzdem einen Überblick zu verschaffen, haben wir die Wahlprogramme der Parteien zu den Themen Massentierhaltung, Tierschutz und Tierhaltungspolitik für Sie ausgewertet.2
Update: Am 18. Februar 2025 hat die Partei Die Linke auf unsere Fragen geantwortet. Die Antworten finden Sie unten.
Diese Themen sind aus unserer Sicht wichtig
Die folgenden Ziele – nach denen wir in unseren Wahlprüfsteinen gefragt hatten – sind unserer Meinung nach wichtige Zwischenschritte, die in der kommenden Legislaturperiode, also mittelfristig, erreicht werden sollten und könnten. Unser langfristiges Ziel ist und bleibt eine Welt, in der kein Tier mehr für die Herstellung von Lebensmitteln leidet.
- Bessere Haltungsbedingungen für »Nutztiere« und langfristige Finanzierung des Umbaus: Angelehnt an die Vorschläge des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung (»Borchert-Kommission«) aus dem Jahr 2020 ist die langfristige Finanzierung des Umbaus der landwirtschaftlichen Tierhaltung abzusichern. Fördermittel für Bauvorhaben sowie zum teilweisen Ausgleich höherer Kosten sind den Landwirt:innen zur Verfügung zu stellen. Um dies finanzieren zu können, braucht es zusätzliche Einnahmen. Dafür eignen sich sowohl eine mengenbezogene Abgabe als auch eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes tierlicher Lebensmittel.
- Weniger »Nutztiere« und tierliche Lebensmittel: Um Tierschutz-, Klima- und Umweltziele erreichen zu können, ist eine Reduktion des Tierbestands in Deutschland und in der EU notwendig. Das gleiche gilt für den Verbrauch von Fleisch, Eiern und Milchprodukten. Weniger Tiere unter deutlich höheren Tierschutzstandards zu halten, muss sich für tierhaltende Betriebe wirtschaftlich lohnen.
- Umfassende und EU-weite Haltungskennzeichnung: Die staatliche Haltungskennzeichnnung wird in Deutschland ab August 2025 auf Schweinefleischprodukten zu finden sein. Das zugrundeliegende Gesetz ist schrittweise weiterzuentwickeln, um alle Lebensphasen der Tiere, alle Verkaufsorte der tierlichen Lebensmittel sowie möglichst alle landwirtschaftlich gehaltenen Tiere einzubeziehen. Dabei muss an die Erfahrungen des privaten Labels der Wirtschaft angeknüpft werden. Mittelfristig sollte es ein verbindliches, EU-weites Tierschutz-Label geben.
- Ein Tierschutzgesetz, das »Nutztiere« besser schützt: Die in der zurückliegenden Legislaturperiode nicht mehr abgeschlossene Überarbeitung des Tierschutzgesetzes sollte wieder aufgenommen werden. Regelungen zur Qualzucht oder zu nicht-kurativen Eingriffen müssen dringend getroffen werden. Ein Ende jeglicher Formen der Anbindehaltung von Rindern ist ebenfalls überfällig.
- Ein bundesweites Tierschutz-Verbandsklagerecht: Die Einführung eines bundesweiten Verbandsklagerechtes für Tierschutzorganisationen ist notwendig, um das im Grundgesetz seit 2002 verankerte Staatsziel Tierschutz durch die Mitwirkung von Tierschutzorganisationen zu stärken. Verbandsklagegesetze ermöglichen es Tierschutzorganisationen, die Interessen der Tiere wahrzunehmen, die sich rechtlich nicht selbst zur Wehr setzen können. Anerkannte Tierschutzorganisationen können so an behördlichen Tierschutzverfahren mitwirken und gegen behördliche Entscheidungen klagen, die sie für rechtswidrig halten.
Und was steht in den Wahlprogrammen?
SPD
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) hat auf 59 Seiten ihr »Regierungsprogramm« veröffentlicht. Konkrete Aussagen zur landwirtschaftlichen Tierhaltung sind kaum zu finden. Im Abschnitt »Wir wollen eine moderne Land- und Forstwirtschaft sowie ökologische Vielfalt stärken« geht die Partei auf die Agrarpolitik ein: Die Gelder aus der EU-Agrarförderung sollen zur Honorierung von Leistungen beispielsweise im Bereich Tierschutz verwendet werden. Die SPD ist sich »sicher, dass man auch im konventionellen Bereich mit kluger Landwirtschaft gut und nachhaltig arbeiten kann: bodenschonend, tierwohlgerecht, klimaangepasst. Wir wollen es leichter machen, das zu
tun und Planungssicherheit schaffen«. Um auf die gestiegenen Lebensmittelpreise zu reagieren, möchte die SPD »den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Lebensmittel von sieben Prozent auf fünf Prozent senken.« Dabei wird nicht zwischen pflanzlichen und tierlichen Lebensmitteln unterschieden.
CDU/CSU
Die Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) und ihre bayerische Schwesterpartei, die Christlich-Soziale Union (CSU), haben auf 81 Seiten ein gemeinsames Wahlprogramm veröffentlicht. Im Kapitel »Ja zu einer Landwirtschaft mit Zukunft« findet sich der Abschnitt »Landwirtschaftliche Tierhalter unterstützen«. Die Parteien schreiben: »Wir unterstützen unsere Landwirte bei der artgerechten Tierhaltung für mehr Tierwohl. Wir sind für Tierhaltung, insbesondere auch für den Fortbestand der Kombihaltung (Anmerkung ASS: Damit ist eine Form der Anbindehaltung von Rindern gemeint) und gegen eine Reduktion oder Quoten«. Die Finanzierung tierwohlgerechter Ställe soll verlässlich sein und genehmigungsrechtliche Hürden abgeschafft werden. Verbraucher:innen möchten die CDU und CSU klar und verbindlich über Tierwohl und Herkunft tierischer Produkte informieren. Eine »verpflichtende, praxistaugliche Herkunftskennzeichnung« soll eingeführt werden. Der Umsatzsteuersatz auf Speisen in der Gastronomie soll auf sieben Prozent gesenkt werden - zu Steuersätzen auf Obst & Gemüse oder Fleisch & Milch gibt es keine Aussagen. Den illegalen Tierhandel, die illegale Tötung und Qual von Tieren möchten beide Parteien konsequent bestrafen. Ein aktives Bestandsmanagement von Wölfen wird angestrebt, »damit weniger Weidetiere gerissen werden«.
Bündnis 90/Die Grünen
Im Kapitel »Eine zukunftsfeste Ernährung und Landwirtschaft« seines 160-seitigen »Regierungsprogramms« beschreibt das Bündnis 90/Die Grünen seine Agrarpolitik. Die Partei schreibt: »In Landwirtschaft und Fleischindustrie – gerade in der Saisonarbeit – gibt es noch viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Hier gilt es, guten Arbeits-, Gesundheits- und Sozialversicherungsschutz sicherzustellen.« Für die landwirtschaftlichen Tierhalter:innen »braucht es eine Antwort auf die veränderten Konsumgewohnheiten aus tierethischen, gesundheits-, umwelt- und klimapolitischen Gründen. Bei stetig sinkendem Fleischkonsum sind industrielle Tierhaltung und Billigexporte keine langfristig tragfähigen Konzepte.« Die Grünen fordern: »Tiere brauchen mehr Bewegungsfreiheit. Wir haben den Umbau der Ställe für Schweine hin zu einer tiergerechteren Haltung so stark gefördert wie keine Bundesregierung zuvor. Wir setzen uns dafür ein, dass es auch in der nächsten Legislatur dafür ausreichend Mittel gibt, um die Lebensbedingungen für alle Tiere zu verbessern und die Haltung den Bedürfnissen der Tiere anzupassen.« Die Partei will die Weidehaltung sowie die Wiedereinführung robuster Rassen fördern. Die Haltungskennzeichnung wollen die Grünen »bürokratiearm auch auf die anderen Tierarten und die Außer-Haus-Verpflegung ausweiten.« Die Partei möchte die »Rahmenbedingungen so gestalten, dass die Wahlfreiheit bei der Ernährung verbessert wird. Ein erweitertes pflanzenbasiertes Angebot und eine verständliche Kennzeichnung von Lebensmitteln sollen für Verbraucher*innen mehr Auswahl und bessere Entscheidungsgrundlagen liefern. Dazu soll auch eine gerechtere Besteuerung pflanzlicher Lebensmittel beitragen.« Im Unterkapitel »Für einen besseren Umgang mit Tieren« gehen die Grünen detailliert auf den Tierschutz ein und fordern, »dass weniger Tiere besser gehalten werden, dass sie sich frei bewegen und ihrer natürlichen Lebensweise nachgehen können.« Die Partei spricht sich für die Einführung eines umfassenden Verbandsklagerechts für anerkannte Tierschutzorganisationen aus.
FDP
Im Kapitel »Unternehmerische Landwirtschaft« ihres 52-seitigen Wahlprogramms geht die Freie Demokratische Partei (FDP) auf die Tierhaltung ein: »Tierschutz und Tierwohl sind für uns eine Selbstverständlichkeit. Wir haben die Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz vorangetrieben, weil dieser für uns untrennbar mit einer liberalen Werteordnung verbunden ist. Wichtig ist die Balance zwischen notwendigen Verbesserungen für die Tiere und praxistauglichen Regelungen«. Die FDP sieht in digitalen »Innovationen wie KI-gesteuerte Systeme zur Erkennung von Tierwohl eine enorme Chance, den Verbraucherwünschen nachzukommen«. Die Partei will »Einkommen für landwirtschaftliche Betriebe sichern, die Nutztierhaltung in Deutschland erhalten und die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen«. In Bezug auf eine gesunde Ernährung setzt sich die FDP »dafür ein, dass Menschen die nötigen Informationen erhalten, um selbstbewusste Entscheidungen zu treffen.« Die Freien Demokrat:innen wollen »ein aktives Bestandsmanagement von unter anderem Wolf und Kormoran durch Bejagung einführen«.
DIE LINKE
Die Linke beschreibt in ihrem 60-seitigen Wahlprogramm im Unterkapitel »Agrarwende jetzt!« ihre agrarpolitischen Forderungen: »Die Linke kämpft für eine sozial gerechte und auf das Gemeinwohl orientierte Landwirtschaft, die das Klima und die Natur schont und mit dem Tierschutz vereinbar ist«. Die Partei fordert »regionale Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen: Das ist unsere Gegenstrategie zur monopolartigen Marktmacht von Schlachthof-, Molkerei- und Handelskonzernen«. Die Linke will, dass die »heimische Agrarwirtschaft vor billigen Importen aus Drittländern, die unseren Standards nicht entsprechen« schützen. Zur landwirtschaftlichen Tierhaltung schreibt die Partei: »Statt Megaställen wollen wir für das Wohl von Menschen und Tieren eine flächengebundene Tierhaltung (maximal 1,5 Großvieheinheiten pro Hektar) und damit die Reduzierung der Viehbestände in der Bundesrepublik. Das verringert Überdüngung und Gewässer werden weniger belastet«. Die Linke will einen »sozialverträglichen Umbau der Tierhaltung: für mehr Tierwohl, Klimaschutz und Umweltschutz. Wir wollen hohe Mindesthaltungsstandards für alle Tierarten, eine Ausweitung der Bundesförderung für tierschutzrelevante Umbauten von Haltungssystemen, keine Lebendtiertransporte über vier Stunden und dezentrale Schlachtstrukturen ohne Akkordlöhne. Häufigere unangekündigte Kontrollen und härtere Strafen bei Verstößen gegen den Tierschutz sind nötig. Große Fleischfabriken wollen wir dichtmachen«. Die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel möchte die Linke abschaffen und ein »einheitliches staatliches Label, das Klima, Umwelt, Tierschutz, Gesundheit und soziale Aspekte berücksichtigt« einführen.
Update: Am 18. Februar 2025 hat die Partei Die Linke auf unsere Fragen geantwortet. Die Antworten finden Sie hier zum Download.
BSW
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat seine Positionen auf 45 Seiten seines Bundestagswahlprogramms aufgeschrieben. Es fordert im Unterkapitel »Respekt für unsere Landwirte, guter Umwelt- und Tierschutz« und eine »verlässliche Herkunftskennzeichnung« - während Aussagen zur Haltungskennzeichnung fehlen. Das BSW will »Tierleid in Ställen und Schlachthöfen beenden.« Dazu gehören laut der Partei kostendeckende Preise und gute Löhne und Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen. »Lebendtiertransporte wollen wir auf maximal vier Stunden begrenzen. Dafür braucht es ausreichend Amtstierärzte. Für eine gute Tierarztversorgung auf dem Land wollen wir Anreize schaffen,« so das BSW weiter. Die Besteuerung von Lebensmitteln soll geändert werden: »Lebensmittel dürfen nicht durch staatliche Abgaben wie eine Fleischsteuer noch teurer gemacht werden. Stattdessen fordern wir eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf 0 Prozent für Grundnahrungsmittel wie Fleisch, Getreide, Milchprodukte, sowie Obst und Gemüse.« Abschließend betont das BSW, dass es »hinter den der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft Beschäftigten« stünde.
Das BSW ist die einzige Partei, die unsere Fragen fristgerecht beantwortet hat. Hier finden Sie die Antworten zum Download.
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Parteien, die bei der vergangenen Bundestagswahl den Einzug in den Bundestag geschafft haben oder aktuell im Bundestag vertreten sind und die vom Bundesamt für Verfassungsschutz nicht als Verdachtsfall eingestuft werden.↩
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Weitere Informationen zu den Positionen der Parteien finden Sie auf den Websites der Parteien sowie beim »Wahl-O-Mat« der Bundeszentrale für politische Bildung und beim »Real-O-Mat« von FragDenStaat. ↩