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Philip Lymbery: Seit 30 Jahren aktiv für Tiere

Philip Lymbery

Philip Lymbery setzt sich bereits seit 30 Jahren aktiv für die Tiere ein. Im dritten Teil unserer Interviewserie berichtet der Geschäftsführer der weltweit aktiven Organisation Compassion in World Farming (CIWF) von den Zielen seiner Organisation, seinem persönlichen Werdegang und der Arbeit an seinem Buch »Farmageddon: The True Cost of Cheap Meat«.

Interview mit Philip Lymbery

Philip, du bist der Geschäftsführer von Compassion in World Farming. Bitte gib uns einen kurzen Überblick über CIWF.

Peter Roberts hat Compassion in World Farming im Jahr 1967 gegründet, weil er nicht länger zusehen wollte, wie das Wohlergehen der Tiere und der Erhalt der Natur durch die Entwicklungen in der Landwirtschaft immer mehr unter die Räder kamen.

Heute, fast 50 Jahre später, leite ich eine stetig wachsende, weltweite Bewegung von Menschen, die beunruhigt sind, wenn sie sehen, wie Tiere in der Massentierhaltung misshandelt und wichtige Ressourcen verschwendet werden. Diese Industrie versagt komplett, wenn es darum geht, den Bedürfnissen der Erdbewohner gerecht zu werden. CIWF wächst schnell und ist einflussreich: Wir sind derzeit in zehn Ländern aktiv, darunter das Vereinigte Königreich, die USA, die Niederlande, Polen, Frankreich, Italien, Belgien und China.

Indem wir partnerschaftlich mit inspirierenden Unterstützern, fortschrittlichen Entscheidungsträgern und visionären Firmen zusammenarbeiten, mobilisieren wir eine Bewegung, die weitreichende Veränderungen in unserer Landwirtschaft hervorrufen, die Welt ernähren und die Lebensqualität von Milliarden von Nutztieren weltweit verbessern kann.

Was waren aus deiner Sicht bisher die größten Erfolge von CIWF?

Ich bin stolz darauf, dass viele unserer Kampagnen sehr erfolgreich sind und dabei helfen, die schlimmsten Auswüchse der Massentierhaltung aus der Welt zu schaffen. In Europa konzentrieren sich unsere Kampagnen beispielsweise darauf, die Haltung von Hennen in Legebatterien, das beinahe ununterbrochene Einsperren von Sauen in engen Käfigen und die Haltung von Kälbern in Kälberständen (»veal crates«) zu beenden.

Wir arbeiten mit Gesetzgebern zusammen, aber auch mit über 600 Lebensmittelfirmen, die wir dazu ermutigen, wichtige Veränderungen für die Tiere durchzusetzen. Beispielsweise regen wir an, nur käfigfreie Eier oder Hühnerfleisch aus Betrieben mit erhöhten Tierschutzstandards zu verkaufen. Wir arbeiten auch mit Supermärkten und weltweit agierenden Unternehmen wie McDonald’s und Unilever zusammen. Wir wollen diese Firmen davon überzeugen, keine Eier aus Käfigbatterien und auch möglichst überhaupt keine Milch oder Fleisch aus Massentierhaltung mehr zu verwenden. Infolgedessen geht es bereits 287 Millionen Nutztieren besser als vorher.

An welchen aktuellen Kampagnen arbeitet ihr bei CIWF momentan?

Unsere Hauptkampagnen zielen alle darauf ab, das »Käfigzeitalter« in der europäischen Tierhaltung zu beenden – bei Legehennen geht es hier noch um die sogenannten »ausgestalteten« Käfige und außerdem um die Käfighaltung von Kaninchen, Schweinen, Wachteln und anderen Tieren.

Eine andere aktuelle Kampagne von uns ist zum Beispiel »Labelling Matters« – wir fordern damit eine bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln, sodass die Verbraucher erkennen können, wie ihr Essen produziert wurde, ob es aus Massentierhaltung oder aus Haltungsbedingungen mit erhöhten Tierschutzstandards stammt. Wir setzen uns außerdem stark für ein Ende des skandalösen Handels mit lebendigen Tieren ein, die auf lange Reisen geschickt werden, nur um am Ende geschlachtet zu werden.

Philip, wann und warum hat du angefangen, dich für die Tiere einzusetzen?

Ich war schon immer sehr am Wohl der Tiere interessiert und arbeite jetzt schon seit 30 Jahren aktiv dafür. Bei CIWF bin ich seit 1990. Ich bin stolz, jetzt schon seit 10 Jahren der Geschäftsführer zu sein.

Ich kam damals zum Tierschutz, als ich in der Schule davon erfuhr, wie es den »Nutztieren« in der Massentierhaltung ergeht. Der Vortrag, den ich damals verfolgte, war von Chris Aston, der zu einer Organisation gehörte, von der ich vorher noch nie etwas gehört hatte: Compassion in World Farming. Chris wusste zu dieser Zeit natürlich nicht, zu was sein Vortrag führen würde: Nämlich zu meiner lebenslangen Hingabe zu dieser Organisation und zu deren Ziel, das Leiden der Tiere zu beenden.

Welche Rückschläge hast du während deiner Arbeit für die Tiere erfahren und was hast du aus ihnen gelernt?

Meine Leidenschaft für das Wohl der Tiere gibt mir die Kraft, ohne Unterlass immer weiter für Veränderungen zu kämpfen. Trotzdem ist es oft eine Herausforderung, seine Emotionen auszublenden, wenn man an einer Kampagne arbeitet. Nur so lässt sich jedoch sicherstellen, dass die bestmöglichen Ergebnisse dabei herauskommen. Ich habe gelernt, dass ich – obwohl der Tierschutz ein extrem emotionales Thema ist – stark und fokussiert bleiben muss, um meine Vision, das Ende der Massentierhaltung, Wirklichkeit werden zu lassen.

Während der Arbeit an deinem Buch »Farmageddon« bist du viel gereist und hast die weltweiten Auswirkungen der Massentierhaltung auf die Tiere, die Umwelt und die menschliche Gesundheit dokumentiert. Was hat dich bei deinen Recherchen am meisten überrascht?

Ich habe Farmageddon geschrieben, um die wahren Kosten von billigem Fleisch aufzudecken. Das Buch zeigt, welchen Einfluss die Massentierhaltung auf die Zukunft unserer Nahrungsmittel, die Umwelt und unsere Gesundheit hat.

Was mich auf meiner Recherchereise mit am meisten überrascht hat, waren die verheerenden Auswirkungen der argentinischen Sojaindustrie auf die Gemeinden und auf die Landschaft. Der Großteil der in Argentinien produzierten Sojapflanzen ist für die Ernährung von Nutztieren bestimmt. Das Soja wird nicht von Argentinien selbst genutzt, sondern weltweit exportiert.

Viele denken, wenn es um Argentinien geht, an üppiges, grünes Gras, grasende Rinder und dichte Wälder. So sah das Argentinien, das ich besucht habe, aber nicht aus. Ich sah bloß monotone Landschaften, die mit heranwachsendem Soja bedeckt waren.

Während meiner Zeit in Argentinien habe ich erschütternde Geschichten gehört: Von Kindern, die an den Auswirkungen der Pestizide, die dort massenweise über Felder und Gemeinden gesprüht werden, beinahe gestorben wären. Ich sah tausende Rinder, die in ihren staubigen Futterplätzen eingeschlossen waren, ohne Wiesen in Sicht.

Menschen erzählten mir, dass diese Industrie in ihrer unmittelbaren Nähe ihr Leben zerstört hat. Eine Industrie, die Futter für »Nutztiere« am anderen Ende der Welt herstellt.

Wenn du den heutigen Stand des Tierschutzes auf der ganzen Welt mit dem Status von vor 20 Jahren vergleichst: Welche Entwicklungen beeindrucken dich am meisten? Und wenn du in die Zukunft blickst: Was sind deine Hoffnungen für die nächsten 20 Jahre?

In den letzten 20 Jahren gab es viele Entwicklungen im Tierschutz: 2012 kam das Verbot für Käfigbatterien in der EU. Das war ein großer Erfolg nach jahrelanger, unermüdlicher Kampagnenarbeit von CIWF, und ein großer Schritt auf dem Weg zu meinem Ziel: Dem Ende der Massentierhaltung. Eine andere wichtige Entwicklung war das EU-weite Verbot von Kälberständen (»veal crates«) im Jahr 2007.

Was die Zukunft betrifft, so müssen wir dringend unsere Einstellung zur Landwirtschaft überdenken, damit wir eine immer größer werdende Weltbevölkerung ernähren können. Massentierhaltung ist nicht die Lösung. Wir müssen der Aufgabe, die Welt zu ernähren, mit gesundem Menschenverstand begegnen. Vor dem Hintergrund, dass wir das Getreide, das vier Milliarden Menschen ernähren könnte, an Nutztiere in Massentierhaltungsanlagen verfüttern, ist doch eins klar: Die Massentierhaltung stellt keine Lebensmittel her, sondern verschwendet sie.

Ich hoffe, dass wir in 20 Jahren ein Landwirtschaftssystem haben werden, das unser Wohl und das unserer Nutztiere fördert, bäuerliche Existenzen unterstützt sowie den Planeten und seine wertvollen natürlichen Ressourcen schützt.

Kannst du uns einen Einblick geben, welche Nutztier-Themen im Vereinigten Königreich gerade besonders aktuell sind?

Vor Kurzem wurde im britischen Einzelhandel MRSA in Schweinefleisch entdeckt. Das hat noch einmal gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns möglichst schnell mit dem Antibiotikagebrauch in der Landwirtschaft auseinandersetzen.

Während die Gefahren eines zu hohen Antibiotikagebrauchs in der Humanmedizin gut dokumentiert sind, werden der Einfluss von Antibiotika in der Landwirtschaft und die damit zusammenhängende Übertragung von resistenten Bakterien auf den Menschen generell sehr wenig in der Öffentlichkeit diskutiert. Das ist überraschend, wenn man bedenkt, dass Tiere aktuell 45 Prozent aller hier verschriebenen Antibiotika erhalten.

Die routinemäßige Verabreichung von Antibiotika, um Tiergruppen zu behandeln – obwohl keine Krankheit diagnostiziert wurde – darf so nicht weitergehen. Stattdessen sollte Krankheiten durch gute Hygiene und entsprechende Tierhaltung vorgebeugt werden.

Viel diskutiert wird auch über den Zustand der Milchindustrie. Es geht dabei um die Frage, ob man Kühe auf der Weide oder permanent in Massentierhaltungsbetrieben halten sollte.

Im Vereinigten Königreich bekommen Tierschutzthemen eine ziemlich große mediale Aufmerksamkeit. Wir wollen sichergehen, dass das auch so bleibt, bis diese Probleme gelöst sind. Wir werden nicht aufgeben, bis der letzte Käfig leer ist.

Vielen Dank für das Interview, Philip Lymbery!

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