Ferkelkastrationspläne sind verfassungswidrig
Das Bündnis für Tierschutzpolitik* und der Deutsche Tierschutzbund fordern in einer öffentlichen Stellungnahme das fristgerechte Ende der betäubungslosen Ferkelkastration wie gesetzlich beschlossen zum 1. Januar 2019. Die Verbände halten es aus rechtlicher, wissenschaftlicher und ethischer Sicht für unhaltbar, männlichen Ferkeln weiterhin ohne Betäubung die Hoden zu entfernen. Mit dem im Grundgesetz verankerten Staatsziel Tierschutz ist die schmerzhafte Amputation nicht vereinbar, zumal es ausreichend Alternativen gibt.
Nach Ansicht der Tierschutzorganisationen ist eine Verlängerung der bis Jahresende geltenden Ausnahmeregelung verfassungswidrig. Dabei verweisen sie auf die Positionen mehrerer renommierter Rechtsgutachter. Denn zur Kastration ohne Betäubung stehen bereits praxisreife Alternativen zur Verfügung: die Jungebermast, die Impfung gegen den Ebergeruch (Immunokastration) sowie eine Kastration bei vollständiger Schmerzausschaltung unter Narkose.
»Weder das Bundeslandwirtschaftsministerium noch die Interessenvertretungen der Landwirtschaft haben die vergangenen Jahre genutzt, die vorhandenen Alternativen in den Betrieben flächendeckend umzusetzen«, sagt Konstantinos Tsilimekis, Sprecher des Bündnisses für Tierschutzpolitik und Geschäftsleiter der Albert Schweitzer Stíftung für unsere Mitwelt. »Eine Verlängerung der Frist würde für Millionen von Ferkeln auf unbestimmte Zeit weitere Qualen bedeuten.« »Der Aufschub dient der Bundesregierung vor allem dazu, der Kastration unter Lokalanästhesie den Weg zu ebnen. Dieser ‘vierte Weg’ ist jedoch aus Tierschutzsicht keine Alternative«, ergänzt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Die bisher noch nicht zugelassene Methode wäre für die ferkelproduzierenden Betriebe mit dem geringsten Aufwand verbunden, ginge aber ebenfalls erheblich zu Lasten der Tiere.
Die Kastration unter Lokalanästhesie ist keine Alternative
Die Tierschutzorganisationen sprechen sich deutlich gegen die Ferkelkastration unter Lokalanästhesie durch die Tierhalter aus und teilen damit die Position etlicher Verbände aus der Tierärzteschaft. Sie lehnen die von Bundeslandwirtschaftsministerium und Fleischindustrie fokussierte Maßnahme aus Tierschutzgründen ab: Es erfolgen bis zu vier äußerst schmerzhafte Injektionen in Hoden und Samenstrang. Die Tierärzteschaft und die Tierschutzorganisationen bezweifeln zudem, dass Tierhalter diese Methode korrekt durchführen. Darüber hinaus kritisieren sie an der Lokalanästhesie, dass sie den Schmerz bei der Hodenentfernung nicht ausreichend ausschaltet.
Seit der Änderung des Tierschutzgesetzes von 2013 bestand für die betäubungslose Ferkelkastration eine Übergangsfrist von fünf Jahren. Die Große Koalition will nun das damals beschlossene Verbot um zwei Jahre verschieben und dazu in Kürze einen Gesetzentwurf im Bundestag vorlegen. Nach Beratungen im Parlament und den Fachausschüssen könnte der Bundestag schon im November über eine entsprechende Änderung des Tierschutzgesetzes abstimmen.
Hier finden Sie als PDF die gemeinsame Stellungnahme des Bündnisses für Tierschutzpolitik und des Deutschen Tierschutzbundes.
*Das Bündnis für Tierschutzpolitik ist ein seit 2015 bestehender Zusammenschluss der Tierschutzorganisationen Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, Bundesverband Tierschutz e.V., Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V., PROVIEH e.V. sowie VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz.
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