Wie Sie Millionen Tieren in Europa helfen können
Die EU-Kommission entscheidet bald über eine lang erwartete Reform der europäischen Tierschutzgesetzgebung. Veraltete Vorschriften zur landwirtschaftlichen Tierhaltung, die teilweise noch aus den 1990ern stammen, sollen mithilfe einer Befragung von Bürgerinnen und Bürgern überarbeitet werden. Eine Teilnahme an der »Public Consultation« ist noch bis zum 12. Dezember möglich.
»Tierwohl-Abstimmung der EU läuft – nur kaum einer weiß davon«, schreiben Zeitungen wie die Berliner Morgenpost und das Hamburger Abendblatt im November über die öffentliche Konsultation zum Thema »Modernisierung des Tierwohls«. Tatsächlich hatten bis Mitte des Monats erst rund 5.000 Menschen an der öffentlichen Umfrage teilgenommen. Mittlerweile sind es circa 53.000 – bei rund 450 Millionen Einwohnern in der EU weiterhin erschreckend wenig.
Dabei wünschen sich Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland seit Langem mehr Einsatz für den Tierschutz. Laut einer Umfrage des Verbraucherzentrale-Bundesverbands gaben Anfang des Jahres 78 % der Befragten an, es sei ihnen »äußerst oder sehr wichtig«, dass EU-Agrarsubventionen zu mehr Tierwohl beitragen. Woher kommt diese Diskrepanz?
Nur wenige Menschen wissen von der Abstimmung
»Es gibt bisher nur wenige überregionale Medienberichte zur EU-Konsultation«, sagt Andreas Manz, Senior Referent Politik bei der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt. »Doch sie entscheidet mit darüber, wie ambitioniert und alltagstauglich die künftigen EU-Tierschutzregeln ausfallen. Es ist also wichtig, dass diese Möglichkeit der Mitbestimmung viel bekannter wird.«
Neben der Zurückhaltung der Presse gibt es jedoch einen weiteren möglichen Grund für die geringen Teilnehmerzahlen: Berichte in den sozialen Medien weisen auf bürokratische und sprachliche Hürden hin. »Wir wissen von einer wahrgenommenen Nutzerunfreundlichkeit des Formulars sowie gewissen Verständnisschwierigkeiten aufgrund der administrativen Sprache«, bemerkt Andreas Manz. »Das ist schade. Wir hätten uns einen leichteren Zugang zum Thema für alle Bürgerinnen und Bürger gewünscht. Nicht jeder kann mit Formulierungen wie ‚Verzerrungen im Binnenmarkt‘ oder ‚resilienter Agrar- und Lebensmittelsektor‘ etwas anfangen.«
Aus diesem Grund hat die Albert Schweitzer Stiftung sich zu einer userfreundlicheren Aufklärung entschieden: In zwei unterhaltsamen Erklärvideos zeigt Andreas Manz, worum es bei der öffentlichen EU-Konsulation wirklich geht und ruft zur Teilnahme auf:
Worum geht es bei der Tierwohl-Konsultation?
In der öffentlichen Konsultation zum Thema »Modernisierung des Tierwohls« können Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Verbände und NGOs unter anderem Rückmeldungen über strengere Importanforderungen, das Ende des Tötens männlicher Eintagsküken und die digitale Erfassung von Daten geben, damit höhere Tierschutzstandards EU‑weit vergleichbar überprüft und durchgesetzt werden können.
Auch die Abschaffung der Käfighaltung in Europa ist ein zentrales Thema der EU-Konsultation. Die Europäische Bürgerinitiative »End the Cage Age« hatte mit 1,4 Millionen Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern im Jahr 2021 von der EU-Kommission eine politische Selbstverpflichtung auf dem Weg zu einem EU-weiten Käfigverbot erwirkt. Passiert ist seitdem nichts.
Politischer Einfluss auch in Deutschland spürbar
Wie wichtig einheitliche Regelungen auch für deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher sind, zeigt das Beispiel der Käfigeier: »Der größte Irrtum ist zu denken, dass du keine Eier aus Käfighaltung mehr isst, nur weil diese Haltung in Deutschland verboten ist«, heißt es dazu im Aufklärungsvideo der Albert Schweitzer Stiftung. »Tatsächlich können in vielen verarbeiteten Produkten Eier aus anderen EU-Ländern stecken, in denen die Käfighaltung noch erlaubt ist.«
Gemeint ist hiermit, dass in der EU weiterhin Legehennen in sogenannten »ausgestalteten Käfigen« gehalten werden. Dabei handelt es sich um etwas größere Käfige, die zum Beispiel mit Sitzstangen ausgestattet werden. Solange Unternehmen auf Eier aus dieser Haltung zurückgreifen können, bleibt es für Verbraucherinnen und Verbraucher eine Herausforderung, sich beim Kauf von verarbeiteten Produkten konsequent gegen Käfighaltung zu entscheiden.
Beim diesjährigen Runden Tisch der Albert Schweitzer Stiftung im November wurde deutlich, dass ein klarerer politischer Rahmen deutschen Unternehmen dabei helfen würde, den Tierschutz in Deutschland weiter voranzubringen. EU‑weit einheitliche Mindeststandards würden etwa mehr Planungssicherheit schaffen und Wettbewerbsverzerrungen mindern.
Jetzt abstimmen: Teilnahme noch bis zum 12. Dezember möglich
Bis zum 12. Dezember 2025 können Bürgerinnnen und Bürger noch an der Abstimmung über die Tierwohl-Reformen der EU teilnehmen. Wer mitmachen möchte, findet den offiziellen Fragebogen auf der Webseite der Europäischen Kommission.
Dort erwartet die Nutzerinnen und Nutzer zunächst eine kurze Einleitung sowie eine Registrierung bei »EU Login« oder der Login via Google oder Facebook. Danach öffnet sich das Formular, das Schritt für Schritt abfragt:
- wie Tiere künftig gehalten werden sollen,
- ob Käfighaltung für bestimmte Tierarten abgeschafft werden sollte,
- wie Tierwohl künftig besser messbar gemacht werden kann und
- ob strengere Regeln auch für Importprodukte gelten sollen.
Nach dem Absenden erscheint eine kurze Bestätigung.
Wie geht es nach der Abstimmung weiter?
Nach der Konsultation wertet die Europäische Kommission alle Rückmeldungen aus und erstellt einen Gesetzesvorschlag. Dieser Entwurf ist der erste Schritt im EU-Gesetzgebungsverfahren, das anschließend im Europäischen Parlament und im Rat weiterverhandelt und beschlossen wird.
»Das ist eine besondere Gelegenheit«, betont Andreas Manz. »Wer jetzt mitmacht, entscheidet mit, wie landwirtschaftlich genutzte Tiere zukünftig in Europa leben. Geben wir den Tieren gemeinsam eine Stimme!«