Vegan: Gesund in allen Lebensphasen
Was sagen die Ernährungsgesellschaften verschiedener Länder zur veganen Ernährungsweise? Viele von ihnen kommen zu dem Schluss, dass eine gut geplante vegane Ernährung in allen Lebensphasen gesund sein kann, also auch für Schwangere, Kinder, Sportler:innen und Senior:innen. Wir stellen hier die wichtigsten Positionen vor.
Deutschland
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE)
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat im Juni 2024 ihre neue Position zur veganen Ernährung herausgebracht. In dem 26-seitigen Positionspapier stuft die Fachgesellschaft eine gut geplante vegane Ernährung für gesunde Erwachsene als gesundheitsfördernd ein:
»Auf Basis des gegenwärtigen Kenntnisstandes kann für die gesunde erwachsene Allgemeinbevölkerung neben anderen Ernährungsweisen auch eine vegane Ernährung, unter der Voraussetzung der Einnahme eines Vitamin-B12-Präparats, einer ausgewogenen, gut geplanten Lebensmittelauswahl sowie einer bedarfsdeckenden Zufuhr der potenziell kritischen Nährstoffe (ggf. auch durch weitere Nährstoffpräparate), eine gesundheitsfördernde Ernährung darstellen.«
Für vulnerable Bevölkerungsgruppen wie Schwangere, Stillende und (Klein-)Kinder spricht die DGE keine Empfehlung für, aber auch keine Empfehlung gegen eine vegane Ernährung aus. Sie weist jedoch darauf hin, dass in vulnerablen Gruppen dafür besonders fundierte Ernährungskenntnisse vorhanden sein sollten, und empfiehlt daher eine Ernährungsberatung durch qualifizierte Fachkräfte. Da es bislang kaum Daten zu vegan lebenden Senior:innen gibt, kann die DGE keine Aussage zu dieser Gruppe treffen.
Bei der Neubewertung der Position zur veganen Ernährung wurde neben der Gesundheit erstmals auch der Aspekt der Nachhaltigkeit berücksichtigt:
»Im Vergleich zu derzeitig vorherrschenden omnivoren Ernährungsweisen ist eine vegane Ernährung als äußerst umweltfreundlich anzusehen. Insbesondere das enorme Potenzial zur Senkung der Treibhausgasemissionen ist vielfach belegt.«
Auch omnivor lebenden Bürger:innen empfiehlt die DGE, mindestens 75 % pflanzliche Lebensmittel zu essen und sich überwiegend von Obst und Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten sowie Nüssen und pflanzlichen Ölen zu ernähren:
»Unter Berücksichtigung sowohl gesundheits- als auch umweltrelevanter Aspekte ist eine Ernährungsweise mit einer deutlichen Reduktion tierischer Lebensmittel zu empfehlen.«
Weiterführende Informationen zur neuen Position der DGE finden Sie hier.
USA
Academy of Nutrition and Dietetics (A.N.D.)
Die Academy of Nutrition and Dietetics (A.N.D.) ist die weltweit größte Ernährungsorganisation. Bereits 1988 äußerte sich die A.N.D. (damals noch American Dietetic Association) positiv zur veganen Ernährung. Sie stellte fest, dass diese den Energie- und Nährstoffbedarf in allen Lebensphasen decken kann. 2016 erneuerte die Organisation auf der Grundlage weiterer Studien ihr Positionspapier und hebt zudem die positiven Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt hervor:
»Die Academy of Nutrition and Dietetics vertritt den Standpunkt, dass eine gut geplante vegetarische und vegane Ernährung gesund und ernährungsphysiologisch angemessen ist und gesundheitliche Vorteile bei der Vorbeugung und Behandlung bestimmter Krankheiten bieten kann. Diese Ernährungsformen sind für alle Lebensphasen geeignet, einschließlich Schwangerschaft, Stillzeit, Säuglingsalter, Kindheit, Jugend, Senioren und für Sportler. Eine pflanzliche Ernährung ist ökologisch nachhaltiger als eine Ernährung, die reich an tierischen Produkten ist, da sie weniger natürliche Ressourcen verbraucht und mit weitaus weniger Umweltschäden verbunden ist.«
Kanada
Dietitians of Canada (DC)
Die Dietitians of Canada (DC) hat 2003 zusammen mit der damaligen American Dietetic Association ein Positionspapier veröffentlicht und äußert sich ebenfalls positiv zur veganen Ernährungsweise. Auf ihrer Website gibt die DC außerdem ausführliche Ernährungsempfehlungen für Veganer:innen und hebt die positiven Aspekte der Ernährung hervor:
»Jeder kann sich vegan ernähren – von Kindern über Teenager bis hin zu älteren Menschen. [Die vegane Ernährung] ist sogar für Schwangere oder stillende Mütter gesund. Eine gut durchdachte vegane Ernährung ist reich an Ballaststoffen, Vitaminen und Antioxidantien. Außerdem ist sie arm an gesättigten Fetten und Cholesterin. Diese gesunde Kombination trägt zum Schutz vor chronischen Krankheiten bei.
Veganer haben eine niedrigere Rate an Herzkrankheiten, Diabetes und bestimmten Krebsarten als Nicht-Veganer. Veganer haben auch einen niedrigeren Blutdruck als Fleischesser und Vegetarier und sind seltener übergewichtig.«
In den offiziellen Ernährungsempfehlungen der kanadischen Regierung sind Milchprodukte, Fleisch und Fisch nur noch drei Optionen neben vielen pflanzlichen Proteinquellen. Sie sind keine eigenen Lebensmittelkategorien und werden nicht explizit empfohlen, wie das zum Beispiel bei der DGE der Fall ist. Kanadier:innen werden stattdessen aufgefordert, »regelmäßiger Gemüse, Obst, Vollkorn und pflanzliche Proteine« zu essen.
Vereinigtes Königreich
Laut einer Google Trends-Analyse ist die vegane Ernährung in Großbritannien so beliebt wie nirgendwo sonst. Britische Ernährungsgesellschaften stehen diesem Trend aufgeschlossen gegenüber:
British Dietetic Association
Die British Dietetic Association (BDA) ist eine der ältesten Ernährungsorganisationen des Vereinigten Königreichs. Die Organisation bekräftigt, dass eine gut geplante vegane Ernährung »ein gesundes Leben für Menschen jeden Alters unterstützen kann«. Die BDA arbeitet außerdem mit der Vegan Society zusammen um zu zeigen, »dass eine ausgewogene vegane Ernährung für Kinder und Erwachsene, auch während der Schwangerschaft und Stillzeit, möglich ist, wenn die Ernährung gut geplant wird.«
National Health Service (NHS)
Auch das staatliche Gesundheitssystem, der National Health Service (NHS), hat die Position, dass eine gut geplante Ernährung in allen Lebensphasen möglich ist:
»Mit einer guten Planung und einem Verständnis dafür, was eine gesunde, ausgewogene vegane Ernährung ausmacht, können Sie alle Nährstoffe erhalten, die Ihr Körper braucht.«
»Wenn Sie sich während der Schwangerschaft und in der Stillzeit vegan ernähren, müssen Sie darauf achten, dass Sie genügend Vitamine und Mineralstoffe zu sich nehmen, damit sich Ihr Kind gesund entwickeln kann.«
Italien
Società Italiana di Nutrizione Umana (SINU)
Die Società Italiana di Nutrizione Umana (SINU) hat ein 16-Seitiges Positionspapier veröffentlicht, in dem sie detailliert auf die unterschiedlichen Aspekte einer veganen und vegetarischen Ernährung eingeht. Dabei werden nicht nur die einzelnen Lebensphasen, sondern auch der jeweilige Nährstoffbedarf und potenziell kritische Nährstoffe unter die Lupe genommen. Die vegane Ernährung wird dabei als eine Variante der vegetarischen Ernährung betrachtet:
»Die in diesem Papier geprüften Erkenntnisse machen deutlich, dass eine gut geplante vegetarische Ernährung, die eine große Vielfalt an pflanzlichen Lebensmitteln und eine zuverlässige Quelle Vitamin B12 enthält, eine angemessene Nährstoffzufuhr gewährleistet. [...] Wir fordern staatliche Stellen und Gesundheits- und Ernährungsorganisationen auf, mehr Aufklärungsmaterial bereitzustellen, um den Italienern zu helfen, eine ernährungsphysiologisch angemessene vegetarische Ernährung umzusetzen.«
Israel
Israelisches Gesundheitsministerium
Israel gehört zu den vegan-freundlichsten Ländern der Welt: Das liegt zum einen an der traditionell eher pflanzlichen Küche, zum anderen aber auch an einem wachsenden Bewusstsein für Tier- und Umweltschutz. Dass eine vegane Ernährung mit dem nötigen Wissen und einer gewissen Vorsicht bei stillenden Müttern und Säuglingen gut umsetzbar ist, meint auch das israelische Gesundheitsministerium:
»Eine vegetarische Ernährung kann, wenn sie mit Bedacht gewählt wird, alle Ernährungsbedürfnisse vom Säuglingsalter bis ins hohe Alter abdecken.*
Kleinkinder, die vegetarisch ernährt werden, wachsen gut, wenn ihre Ernährung alle Nahrungsbestandteile in ausreichender Menge enthält und sie gemäß den Ernährungsrichtlinien für alle Kleinkinder ihres Alters ernährt werden.«
- Vegan wird in diesem Papier als Unterform von vegetarisch verstanden.
Australien
National Health and Medical Research Council
In der Google Trend-Analyse zur Beliebtheit veganer Ernährung belegt Australien Platz 2, dicht gefolgt von Israel.
Das National Health and Medical Research Council (NHMRC) ist für medizinische Forschung zuständig und gilt in diesem Bereich als die wichtigste gesetzliche Behörde der australischen Regierung. In ihren Dietary Guidelines stellt sie wissenschaftliche Erkenntnisse für gesündere Ernährung bereit und schreibt zu einer veganen Ernährung Folgendes:
»Eine gut geplante vegetarische Ernährung, einschließlich einer vollständig vegetarischen oder veganen Ernährung, ist gesund und ernährungsphysiologisch angemessen. Eine gut geplante vegetarische Ernährung ist für Menschen in allen Phasen des Lebenszyklus geeignet.«
Nordische Länder
Nordic Council of Ministers
Der Nordic Council of Ministers (NHMRC) gibt für Dänemark, Finnland, Island, Norwegen, Schweden, Färöer-Inseln, Grönland und Åland alle acht bis zehn Jahre Ernährungsempfehlungen (Nordic Nutrition Recommendations) heraus. Die jüngste Empfehlung enthält erstmals nicht nur wissenschaftliche Ernährungsempfehlungen für die Gesundheit, sondern bezieht auch die Umwelt und das Klima in ihre Überlegungen mit ein. Das Fazit: Der NHMRC plädiert für eine »überwiegend pflanzliche Ernährung mit viel Gemüse, Obst, Beeren, Hülsenfrüchten, Kartoffeln und Vollkornprodukten [...].« Der Konsum von Fleischprodukten sollte dagegen reduziert werden. Zugleich empfiehlt der NHMRC jedoch einen erhöhten Verzehr von Fischen. Diese Empfehlung sehen wir kritisch: Fische sind hochsensible und intelligente Lebewesen, außerdem sind die Überfischung der Meere, Seen und Flüsse sowie umweltschädigende Aquakulturen ein großes Problem unserer Zeit. Die ernährungsphysiologischen Vorteile von Fischprodukten, wie z.B. ein hoher Gehalt an Omega-3-Fettsäuren, können auch durch den Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln wie Leinöl oder Walnüssen erreicht werden.
Eine vegane Ernährung erfordert nach Ansicht des NHMRC eine Anreicherung der Lebensmittel und die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, um eine ausgewogene Ernährung zu gewährleisten.
Fazit: Gut informiert ist vegan in allen Lebensphasen gesund
Wir freuen uns, dass viele Ernährungsgesellschaften die vegane Ernährung als ernährungsphysiologisch sinnvoll ansehen. Kritische Positionen resultieren zum einen oft aus der unzureichenden Studienlage, zum anderen kann nicht immer davon ausgegangen werden, dass die breite Bevölkerung über das notwendige Wissen verfügt, um mit einer veganen Ernährung alle Nährstoffe zu decken.
Die Anreicherung pflanzlicher Lebensmittel oder der Böden mit kritischen Nährstoffen wäre eine gute Option, um die Nährstoffzufuhr für alle Bevölkerungsgruppen zu erleichtern, die auch bei omnivorer Ernährung nicht automatisch optimal ist. In den USA sind angereicherte Lebensmittel bereits weit verbreitet. Die Erhöhung der Selenkonzentration im Boden durch angereicherte Düngemittel ist beispielsweise in Finnland seit den 1980er Jahren gängige Praxis, da europäische Böden sehr selenarm sind. In Ländern wie Deutschland wird stattdessen bis heute Tierfutter mit Nährstoffen wie Selen oder B12 angereichert, um Mangelerscheinungen bei Tieren und Menschen vorzubeugen.
Wichtig ist außerdem, dass mehr wissenschaftliche Forschung betrieben wird, um Wissenslücken im Bereich der veganen Nährstoffversorgung zu schließen.
Klar ist jedoch: Mit dem nötigen Wissen ist eine vegane Ernährung in allen Lebensphasen gut umsetzbar und gesund. Eine pflanzenbasierte Ernährung ist außerdem das Schlüsselthema im Bereich der planetaren Gesundheit und birgt großes Potenzial im Kampf gegen Klima- und Umweltkatastrophen, Welthunger, Pandemien und Antibiotikaresistenzen sowie das Artensterben. Nicht zuletzt trägt eine pflanzlichere Ernährung dazu bei, dass weniger Tiere in der Landwirtschaft leiden und sterben müssen.
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