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Alternativen zu Tierprodukten - ein Interview

Kurt Schmisinger - PortraitIm modernen Tierschutz spielen Alternativen zu essbaren Tierprodukten eine zentrale Rolle. Um ein wenig mehr über den aktuellen Stand dieser Thematik zu erfahren, unterhielten wir uns mit dem Geophysiker, Lebensmittelwissenschaftler und Softwareentwickler Kurt Schmidinger, der das Internetportal www.futurefood.org betreibt, für diverse Tierschutz- und Vegetarierverbände arbeitet und der zu Beginn des Jahres seine englischsprachige Doktorarbeit mit dem Teiltitel »Worldwide Alternatives to Animal Derived Foods« (»Weltweite Alternativen zu Nahrungsmitteln tierlichen Ursprungs«) abschloss.

Herr Schmidinger, warum haben Sie sich für Ihre Doktorarbeit der Frage nach Alternativen zu Fleisch, Milch und Eiern angenommen?
Ich bin einfach überzeugt davon, dass wir nur durch solche Alternativen die massiven Probleme der gegenwärtigen Nutztierhaltung überwinden können. Die Abschaffung der klassischen Sklaverei von Menschen in Teilen der Welt wurde auch durch die Erfindung von effizienten Maschinen begünstigt, wenn nicht gar ermöglicht. Die Abschaffung der Massentierhaltung wird vielleicht auch erst durch innovative Ernährungsalternativen möglich sein.

Wozu aber braucht man überhaupt weitere Alternativen zu Fleisch, Milch und Eiern? Reichen die gängigen Produkte – Obst, Gemüse und Getreide – nicht aus?
Ernährungsphysiologisch gesehen sind solche Alternativen nicht nötig. Aber Alternativen zu Tierprodukten erleichtern vielen Menschen den Umstieg zu einer vegetarischen oder veganen Ernährung schon sehr: Wir können weiterhin unser Müsli mit Milch essen, nur ist es halt Sojamilch, Reismilch oder Hafermilch. Oder wir essen unseren Joghurt, nur eben aus pflanzlichen Inhaltsstoffen, streichen uns statt Butter einfach pflanzliche Margarine aufs Brot. Wir können weiter Schnitzel, Würstchen oder Frikadellen essen, nur halt aus Soja, Weizen oder Süßlupinen. Und das macht das vegetarische oder vegane Leben für die meisten von uns schon deutlich attraktiver.

Ihre Dissertation schildert zu Beginn auf rund hundert Seiten, was die großen globalen Probleme sind, die durch die Nutztierhaltung bzw. durch den Konsum von Fleisch, Milch und Eiern entstehen. Können Sie diesen Komplex kurz umreißen?
Ganz kurz gesagt: Die »Produktion« von global 65 Milliarden Nutztieren pro Jahr schadet in erster Linie natürlich massiv den Tieren selbst, darüber hinaus aber auch enorm der menschlichen Gesundheit. Und durch die Verlängerung der Nahrungskette sind Tierprodukte auch massiv am Welthunger und an globalen Umweltproblemen beteiligt, bis hin zum Klimawandel. Bei Regenwaldzerstörung, Flächen- und Wasserverbrauch beispielsweise ist die Tierhaltung Umweltsünder Nummer 1. Dies hebe ich u.a. auch in meiner Dissertation hervor.

Zurück zu den Alternativen zu Fleisch, Milch und Eiern: Woraus werden z. B. Fleischalternativen gemacht?
Aus Sojaprodukten beispielsweise, wie Tofu, Tempeh oder texturiertes Sojafleisch. Aber auch aus Weizen und – weniger bekannt – aus Süßlupinen. Oder auch aus Algen, Einzellerprotein (z. B. »Quorn«) oder Pilzen.

Und woraus Alternativen zu Milch, Joghurt, Käse und Co.?
Milchalternativen werden aus Soja, Mandeln, Hafer, Reis und Kokos hergestellt, um nur einmal die gängigsten Alternativen zu nennen. Bei Käsealternativen wird die Vielfalt dann riesig: Sojaproteine, Nussmuse, pflanzliche Öle, Tofu, Kartoffelstärke, Tapioka- oder Pfeilwurzmehl etc. – hier ist unter allen Alternativen zu Tierprodukten die Bandbreite der Rezepturen wahrscheinlich am größten. Für die sehr Interessierten an dieser Thematik ist sicherlich Kapitel 11 meiner Dissertation sehr spannend.

Und woraus bestehen die Alternativen zu Eiprodukten?
Da werden derzeit diverse pflanzliche Gelier- und Verdickungsmittel verwendet, wie etwa Alginate, Agar Agar, Carrageene, Guarkernmehl und Johannisbrotkernmehl. Auch Kartoffelproteine, Kartoffelstärke, pflanzliche Öle, Sojalezithin, Sojamehl, Tapiokastärke, Weizengluten und weitere Alternativen kommen zum Einsatz.

Ihren Aufzählungen zufolge kann wohl kaum bezweifelt werden, dass es schon reichlich Alternativen gibt. Was muss geschehen, damit diese Produkte in Zukunft erfolgreich Tierprodukte am Markt ersetzen können?
Naja, geschmacklich müssen sie voll einschlagen, wobei Geschmack allein letztlich doch auch zu wenig ist. Eigentlich müsste man sagen: die »sensorischen Eigenschaften« müssen stimmen, wozu dann auch Aroma, Geruch, Konsistenz, Biss und Sättigungsgefühl gehören. Auch sehr wichtig: Der Preis. Und das Marketing, die Bewerbung! Welche Zielgruppe soll zum Beispiel verstärkt angesprochen werden? Nur die Veganer:innen und die Vegetarier:innen? Oder – was ich persönlich sehr wichtig finde – nicht doch eine viel breitere Zielgruppe? Weitere Kriterien, die stimmen müssen, sind die Haltbarkeit, Lagerbedingungen und natürlich die gesundheitlichen Vorteile!

In Ihrer Dissertation geht es auch um einen Blick in die Zukunft. Ist in-vitro-Fleisch, also Fleisch aus dem Labor, vielleicht die Alternative zur milliardenfachen Massenhaltung von Tieren?
In-vitro-Fleisch ist noch eine Vision. Die Idee ist, aus ein paar Zellen in Nährlösungen Fleisch zu züchten, ganz ohne das Tier. Krokodil-Känguruh-Fleisch mit viel Omega-3-Fettsäuren und kaum Cholesterin, so was wäre dann denkbar, ohne dass Tiere sterben müssten. Aber es gibt hier noch viele Herausforderungen: technische, ökonomische und nicht zuletzt die Akzeptanz durch die Menschen. Im 12. Kapitel meiner Arbeit behandele ich diese Thematik intensiver.

Ist in-vitro-Fleisch die einzige visionäre Idee für unsere Ernährung?
Es gibt noch andere Visionäre, Peter Arras beispielsweise mit seiner Biofermenter-Idee.

Wir haben jetzt viel über bestehende Alternativen zu Tierprodukten gehört und auch ein wenig was über visionäre Ansätze. Gibt es noch andere Maßnahmen, die eine vegane, also rein pflanzliche Ernährung optimieren können?
Ja klar, die Züchtung von Pflanzen auf Nährstoffgehalt statt nur auf Ertrag wäre wichtig für die Zukunft. Aber auch Düngung, Fermentierungsschritte am Lebensmittel oder Anreicherung von Lebensmitteln mit Nährstoffen wie z. B. Vitamin B12 können die vegane Ernährung noch weiter optimieren. Oder aber Lebensmittel aus einer größeren Vielfalt von Getreidearten und Kulturpflanzen beim Essen auszuprobieren und miteinander zu kombinieren.

Wagen wir einen hoffnungsfrohen Blick in eine Zukunft, in der die Menschen die Nutztierhaltung, zumindest aber die Massentierhaltung wirklich überwinden und abschaffen. Wie lange schätzen Sie, wird es bis dahin noch dauern?
Ich habe natürlich keine prophetische Ausbildung…, aber theoretisch könnte es sehr schnell gehen, wenn etwa eine globale Seuche (Pandemie) aus der Massentierhaltung so gefährlich für uns wird, dass dieses System kollabiert. Welthungerkrisen könnten zumindest zu einer Trendumkehr führen: Weg von dem Wahnsinn, im Mittel 7 Kalorien an Nahrungsmittel zu verfüttern, um dann 1 Kalorie Fleisch zu machen und dabei auch gigantische Mengen Gülle!

Abschließende Frage: Wie ernähren Sie sich persönlich?
Vegan, und es funktioniert natürlich super!

Im modernen Tierschutz spielen Alternativen zu essbaren Tierprodukten eine zentrale Rolle. Um ein wenig mehr über den aktuellen Stand dieser Thematik zu erfahren, unterhielten wir uns mit dem Geophysiker, Lebensmittelwissenschaftler und Softwareentwickler Kurt Schmidinger, der das Internetportal www.futurefood.org betreibt, für diverse Tierschutz- und Vegetarierverbände arbeitet und der zu Beginn des Jahres seine englischsprachige Doktorarbeit mit dem Teiltitel »Worldwide Alternatives to Animal Derived Foods« (»Weltweite Alternativen zu Nahrungsmitteln tierlichen Ursprungs«) abschloss.

Herr Schmidinger, warum haben Sie sich für Ihre Doktorarbeit der Frage nach Alternativen zu Fleisch, Milch und Eiern angenommen?

Ich bin einfach überzeugt davon, dass wir nur durch solche Alternativen die massiven Probleme der gegenwärtigen Nutztierhaltung überwinden können. Die Abschaffung der klassischen Sklaverei von Menschen in Teilen der Welt wurde auch durch die Erfindung von effizienten Maschinen begünstigt, wenn nicht gar ermöglicht. Die Abschaffung der Massentierhaltung wird vielleicht auch erst durch innovative Ernährungsalternativen möglich sein.

Wozu aber braucht man überhaupt weitere Alternativen zu Fleisch, Milch und Eiern? Reichen die gängigen Produkte – Obst, Gemüse und Getreide – nicht aus?

Ernährungsphysiologisch gesehen sind solche Alternativen nicht nötig. Aber Alternativen zu Tierprodukten erleichtern vielen Menschen den Umstieg zu einer vegetarischen oder veganen Ernährung schon sehr: Wir können weiterhin unser Müsli mit Milch essen, nur ist es halt Sojamilch, Reismilch oder Hafermilch. Oder wir essen unseren Joghurt, nur eben aus pflanzlichen Inhaltsstoffen, streichen uns statt Butter einfach pflanzliche Margarine aufs Brot. Wir können weiter Schnitzel, Würstchen oder Frikadellen essen, nur halt aus Soja, Weizen oder Süßlupinen. Und das macht das vegetarische oder vegane Leben für die meisten von uns schon deutlich attraktiver.

Ihre Dissertation schildert zu Beginn auf rund hundert Seiten, was die großen globalen Probleme sind, die durch die Nutztierhaltung bzw. durch den Konsum von Fleisch, Milch und Eiern entstehen. Können Sie diesen Komplex kurz umreißen?

Ganz kurz gesagt: Die »Produktion« von global 65 Milliarden Nutztieren pro Jahr schadet in erster Linie natürlich massiv den Tieren selbst, darüber hinaus aber auch enorm der menschlichen Gesundheit. Und durch die Verlängerung der Nahrungskette sind Tierprodukte auch massiv am Welthunger und an globalen Umweltproblemen beteiligt, bis hin zum Klimawandel. Bei Regenwaldzerstörung, Flächen- und Wasserverbrauch beispielsweise ist die Tierhaltung Umweltsünder Nummer 1. Dies hebe ich u.a. auch in meiner Dissertation hervor.

Zurück zu den Alternativen zu Fleisch, Milch und Eiern: Woraus werden z. B. Fleischalternativen gemacht?

Aus Sojaprodukten beispielsweise, wie Tofu, Tempeh oder texturiertes Sojafleisch. Aber auch aus Weizen und - weniger bekannt - aus Süßlupinen. Oder auch aus Algen, Einzellerprotein (z. B. »Quorn«) oder Pilzen.

Und woraus Alternativen zu Milch, Joghurt, Käse und Co.?

Milchalternativen werden aus Soja, Mandeln, Hafer, Reis und Kokos hergestellt, um nur einmal die gängigsten Alternativen zu nennen. Bei Käsealternativen wird die Vielfalt dann riesig: Sojaproteine, Nussmuse, pflanzliche Öle, Tofu, Kartoffelstärke, Tapioka- oder Pfeilwurzmehl etc. – hier ist unter allen Alternativen zu Tierprodukten die Bandbreite der Rezepturen wahrscheinlich am größten. Für die sehr Interessierten an dieser Thematik ist sicherlich Kapitel 11 meiner Dissertation sehr spannend.

Und woraus bestehen die Alternativen zu Eiprodukten?

Da werden derzeit diverse pflanzliche Gelier- und Verdickungsmittel verwendet, wie etwa Alginate, Agar Agar, Carrageene, Guarkernmehl und Johannisbrotkernmehl. Auch Kartoffelproteine, Kartoffelstärke, pflanzliche Öle, Sojalezithin, Sojamehl, Tapiokastärke, Weizengluten und weitere Alternativen kommen zum Einsatz.

Ihren Aufzählungen zufolge kann wohl kaum bezweifelt werden, dass es schon reichlich Alternativen gibt. Was muss geschehen, damit diese Produkte in Zukunft erfolgreich Tierprodukte am Markt ersetzen können?

Naja, geschmacklich müssen sie voll einschlagen, wobei Geschmack allein letztlich doch auch zu wenig ist. Eigentlich müsste man sagen: die »sensorischen Eigenschaften« müssen stimmen, wozu dann auch Aroma, Geruch, Konsistenz, Biss und Sättigungsgefühl gehören. Auch sehr wichtig: Der Preis. Und das Marketing, die Bewerbung! Welche Zielgruppe soll zum Beispiel verstärkt angesprochen werden? Nur die Veganer:innen und die Vegetarier:innen? Oder - was ich persönlich sehr wichtig finde - nicht doch eine viel breitere Zielgruppe? Weitere Kriterien, die stimmen müssen, sind die Haltbarkeit, Lagerbedingungen und natürlich die gesundheitlichen Vorteile!

In Ihrer Dissertation geht es auch um einen Blick in die Zukunft. Ist in-vitro-Fleisch, also Fleisch aus dem Labor, vielleicht die Alternative zur milliardenfachen Massenhaltung von Tieren?

In-vitro-Fleisch ist noch eine Vision. Die Idee ist, aus ein paar Zellen in Nährlösungen Fleisch zu züchten, ganz ohne das Tier. Krokodil-Känguruh-Fleisch mit viel Omega-3-Fettsäuren und kaum Cholesterin, so was wäre dann denkbar, ohne dass Tiere sterben müssten. Aber es gibt hier noch viele Herausforderungen: technische, ökonomische und nicht zuletzt die Akzeptanz durch die Menschen. Im 12. Kapitel meiner Arbeit behandele ich diese Thematik intensiver.

Ist in-vitro-Fleisch die einzige visionäre Idee für unsere Ernährung?

Es gibt noch andere Visionäre, Peter Arras beispielsweise mit seiner Biofermenter-Idee.

Wir haben jetzt viel über bestehende Alternativen zu Tierprodukten gehört und auch ein wenig was über visionäre Ansätze. Gibt es noch andere Maßnahmen, die eine vegane, also rein pflanzliche Ernährung optimieren können?

Ja klar, die Züchtung von Pflanzen auf Nährstoffgehalt statt nur auf Ertrag wäre wichtig für die Zukunft. Aber auch Düngung, Fermentierungsschritte am Lebensmittel oder Anreicherung von Lebensmitteln mit Nährstoffen wie z. B. Vitamin B12 können die vegane Ernährung noch weiter optimieren. Oder aber Lebensmittel aus einer größeren Vielfalt von Getreidearten und Kulturpflanzen beim Essen auszuprobieren und miteinander zu kombinieren.

Wagen wir einen hoffnungsfrohen Blick in eine Zukunft, in der die Menschen die Nutztierhaltung, zumindest aber die Massentierhaltung wirklich überwinden und abschaffen. Wie lange schätzen Sie, wird es bis dahin noch dauern?

Ich habe natürlich keine prophetische Ausbildung…, aber theoretisch könnte es sehr schnell gehen, wenn etwa eine globale Seuche (Pandemie) aus der Massentierhaltung so gefährlich für uns wird, dass dieses System kollabiert. Welthungerkrisen könnten zumindest zu einer Trendumkehr führen: Weg von dem Wahnsinn, im Mittel 7 Kalorien an Nahrungsmittel zu verfüttern, um dann 1 Kalorie Fleisch zu machen und dabei auch gigantische Mengen Gülle!

Abschließende Frage: Wie ernähren Sie sich persönlich?

Vegan, und es funktioniert natürlich super!

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