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Kolumne: Wie vegan lebst du?

Mahi Klosterhalfen Portrait
Mahi Klosterhalfen. Foto: Timo Stammberger

Vor sieben oder acht Jahren war ich auf eine Silvesterfeier eingeladen. Die Gastgeberin erklärte mir stolz, an mich und meine vegane Lebensweise gedacht zu haben, und präsentierte mir einen großen, angemachten Salat mitten auf dem Buffettisch. Wie es sich für einen überzeugten Veganer gehört, fragte ich nach den Zutaten des Dressings. Es stellte sich heraus, dass eine Zutat Honig war. Eifrig erklärte ich, dass bei der Honigproduktion unzählige Bienen getötet werden und man den Bienenlarven den Honig vorenthält – der soll ja verkauft werden – und ihnen stattdessen minderwertigen Zuckersirup gibt, was sie anfälliger für Krankheiten macht. Deswegen käme dieser Salat für mich nicht infrage und ich müsse die Silvesternacht dann wohl hungrig verbringen.

Was in diesem Moment mit der Stimmung der Gastgeberin passierte, kann man sich vorstellen. Was ihre Motivation anging, sich in die vegane Küche und die Idee dahinter einzuarbeiten, ebenfalls.

Kommt Ihnen diese Situation bekannt vor? Ich befürchte, so oder so ähnlich spielt sie sich tagtäglich ab. Und ich nehme an, dass sie der Verbreitung der veganen Idee so erfolgreich im Wege steht, wie sich das die Tierproduktindustrie nur wünschen kann.

Wie hätte ich damals reagieren können, um weniger Schaden anzurichten? Ich glaube, ich hatte grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Meine Ablehnung deutlich freundlicher zu erklären, oder den Salat zu essen mit dem Hinweis, dass er fast perfekt ist und dass mir ihre Mühe (und natürlich ihre Motivation, aber das hätte ich nicht erwähnt) wichtiger ist als ein Teelöffel Honig.

Mal ganz allgemein: Wie vegan kann man eigentlich leben? Die ernüchternde Antwort: Es gibt keine realistisch umsetzbare Lebensführung, die es ausschließt, anderem Leben zu schaden. Man denke an versehentlich totgetretene Insekten und an all die Wildtiere und Insekten, die bei der Produktion von pflanzlichen Lebensmitteln sterben müssen. Wenn man will, kann man auch in diesen Bereichen weniger Schaden anrichten, doch die wenigsten vegan lebenden Menschen machen sich z. B. die Mühe, komplett auf konventionelle Produkte oder auf besonders schädliche pflanzliche Zutaten zu verzichten. Und daraus mache ich uns keinen Vorwurf. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass wir nicht mit Steinen werfen sollten, denn wir sitzen alle im Glashaus.

Ein anderes Beispiel, das auf die Eingangsgeschichte zurückkommt: Über den Konsum von Honig und das damit verbundene Leid für die Bienen wird oft heiß debattiert. Doch auf 313 Honigdebatten kommt grob geschätzt nur eine Mandeldebatte. Dabei werden Bienen in der Mandelproduktion praktisch genauso ausgebeutet wie in der Honigproduktion. (Wer sich fragt, wie ich auf die Schätzung von 313 zu 1 komme: Ich habe am 15. April 2015 »honig nicht vegan«, 626 Ergebnisse, und »mandeln nicht vegan«, zwei Ergebnisse, gegoogelt – jeweils in Anführungszeichen.)

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich empfehle grundsätzlich weder den Konsum von Honig, noch den von Mandeln. Worauf ich hinaus will: Wir alle sind nicht perfekt, wir alle machen Fehler, und wir sollten nicht mit der großen Schimpferei und Ausgrenzerei anfangen, nur weil andere Menschen andere Fehler machen als wir. Wenn wir Fehler als Gelegenheiten sehen, in den Dialog zu gehen und zu lernen, dann sind wir schon einen großen Schritt weiter. Und wenn wir uns eingestehen, dass es den perfekten Veganer nicht gibt, dann sind wir noch einen Schritt weiter.

Wie sollten wir also mit Menschen wie meiner Gastgeberin, wie mir und wie Ihnen, liebe Leser:innen, umgehen? Mein Vorschlag: konstruktiv. Es ist es nicht wert, den belehrenden Veganer zu geben, wenn man damit Menschen, die auf einem grundsätzlich guten Weg sind, demotiviert oder sogar ganz von diesem Weg abbringt. Die eigenen Überzeugungen mit Inbrunst in die Welt zu rufen, mag sich gut anfühlen. Aber wenn wir den Tieren damit mehr schaden als nutzen, und so ist das viel öfter als es uns lieb ist, dann sollten wir das schlichtweg sein lassen.

Um auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen: Je nach Strenge der Definition kann niemand von sich behaupten, zu 100 % vegan zu leben. Und ich schlage vor, dass wir uns nicht um ein paar Prozentpunkte mehr oder weniger streiten, sondern uns darauf konzentrieren, den Einstelligen in den zweistelligen Bereich und den Zweistelligen möglichst weit nach oben zu helfen. Streben nach ständiger Verbesserung ist wunderbar. Besserwisserei ist es nicht.

Hinweis

Diese Kolumne von unserem Geschäftsführer Mahi Klosterhalfen ist zuerst im vegan magazin erschienen.

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