Die Tiere

Mastkälber

Kälber haben ein starkes Bedürfnis zu laufen, rennen und spielen. Sie sind sehr aufgeweckt, brauchen soziale Kontakte, speziell in den ersten Lebenswochen aber auch noch ausgedehnte Ruhepausen. Die Geburt eines Kalbes kann bis zu sieben Stunden dauern, dazu kommen die mehrtägige Vorbereitungsphase des Muttertieres sowie die Zeit nach der Geburt. Normalerweise leckt die Mutter ihr Kalb nach der Geburt trocken. Diese sensible Phase dient zur Ausbildung der Mutter-Kind-Bindung. Schon nach einer halben Stunde beginnt das Neugeborene mit den ersten Aufstehversuchen und sucht nach dem Euter – innerhalb von drei Stunden haben die meisten Kälber die erste Milch getrunken. Die Kälbermast wird den unterschiedlichen Bedürfnissen der Tiere schon in den ersten Lebenstagen nicht gerecht.

Leben in der Kälbermast

Mastkalb in Einzelhaltung
© ARIWA

Die zukünftigen »Mastkälber« entstammen meist Milchkuhbetrieben und sind größtenteils die männlichen Nachkommen der Milchkühe (aber auch weibliche Kälber werden gemästet, wenn kein Bedarf besteht, sie als Milchkühe einzusetzen). Sie können keine Milch geben und sind auch für eine Bullenmast nicht geeignet – »Milchkuhrassen« sind selektiv auf eine hohe Milchleistung gezüchtet und nicht darauf, viel Fleisch anzusetzen. Trotzdem müssen Kälber in der Mast täglich durchschnittlich 1,1 bis 1,2 kg zunehmen, um innerhalb kurzer Zeit ein Mastendgewicht von 220 kg bis 260 kg zu erreichen. Insofern sie nicht gleich in dem Betrieb gemästet werden, in dem sie auch geboren wurden, werden sie ab dem vierzehnten Lebenstag an andere Mastbetriebe weiterverkauft. Jeder damit einhergehende Transport stellt eine enorme Belastung für die Kälber dar. Derzeit leben in Deutschland rund 316 000 männliche Milchkuh-Nachkommen (Stand 2019).

Wird das neugeborene Kalb für die Mast bestimmt, wird es sofort von der Mutter getrennt und separat untergebracht. Diese Einzelhaltung der Kälber ist bis zur achten Lebenswoche gesetzlich erlaubt. Die Kälber leben in dieser Zeit entweder in einem Stall in kleinen Boxen oder in einem Kälberiglu außerhalb des Stalls. Durch die ständige Einzelhaltung fehlen der natürliche Mutter-Kind-Kontakt sowie mütterliche Reize und Motivationen nach der Geburt: Die Neugeborenen werden nicht abgeleckt und ihre Aufstehversuche werden nicht von der eigenen Mutter unterstützt. Außerdem wird die Angliederung an die größere soziale Gruppe unterbunden, die bei Kälbern nach einigen Lebenstagen mit einem starken Bedürfnis nach Sozialkontakten inkl. Berührungs- und Sichtmöglichkeiten beginnt. Dieses Gemeinschaftsbedürfnis kann nur in einer Gruppenhaltung befriedigt werden.

Erst ab der achten Lebenswoche werden die Kälber in Gruppen gehalten und dabei meist in Ställen mit mehreren Buchten. Diese sind entweder mit Tiefstreu oder Vollspaltenböden ausgestattet, wobei ein Stall mit eingestreuter Fläche zwar arbeitsaufwändiger, für das Wohlbefinden der Kälber aber essentiell ist. Er ermöglicht das sorglose Laufen und Rennen ohne Ausrutschen und verhindert so Verletzungen. Vorgezogen wird bei der Kälbermast jedoch meist ein einstreuloser Stall mit Vollspaltenboden, da die Tiere fast ausschließlich mit Flüssignahrung ernährt werden, was dazu führt, dass ihr Kot sehr flüssig ist und die Einstreu schneller verschmutzen würde. Außerdem würden die Kälber aus Beschäftigungs- und Raufuttermangel das Stroh vom Boden essen und das Risiko für Erkrankungen, Verstopfungen und unzureichende Tageszunahmen würde steigen – die Gewinnspanne des Landwirts würde mit all dem sinken. Zwar liegen auf Vollspaltenböden zum Teil Gummiauflagen, doch sind diese nicht weich genug, was zu einem eingeschränkten Ablegeverhalten führt. Eine hohe Besatzdichte bewirkt außerdem, dass die Kälber das Liegen mit ausgestreckten Beinen vermeiden, aus Angst, dass ihre Artgenossen auf sie treten.

Fütterung

Die erste Milch nach der Geburt wird Kolostrum oder »Biestmilch« genannt. Im Gegensatz zur späteren Milch hat sie eine andere Farbe (gelblich-bräunlich) und auch eine andere Zusammensetzung, wobei besonders Antikörper (Immunglobuline) eine herausragende Rolle fürs Kalb spielen. Das Kolostrum steht in den ersten Tagen ausschließlich dem Nachwuchs zu. Das Kalb darf jedoch nicht aus dem Euter trinken, die Mutterkuh wird schon am ersten Tag per Hand oder maschinell gemolken. Dadurch wird verhindert, dass eine Bindung zwischen Muttertier und Kalb entstehen kann, die die spätere Trennung erschwert.

Da die Kälber fast ohne eigene Abwehrkräfte geboren werden, erhalten sie über die erste Milch einen Schutz vor Krankheiten. Diese passive Immunisierung ist jedoch zeitlich begrenzt. Einerseits ist die Darmwand des Kalbes nur für einige Zeit durchlässig für diese Moleküle, andererseits sinkt mit der Zeit der Gehalt der Immunglobuline in der Milch. Die Schutzwirkung des Kolostrums hält also nicht lange an, weswegen eine Ausbildung der eigenen Abwehr der Kälber wichtig ist, die ab der zweiten Lebenswoche beginnt.

Drenchen

Da gerade schwache Kälber häufig nur einen geringen Saugreflex zeigen, werden diese – häufig auch aufgrund von Zeitmangel – für die Nährstoffversorgung zwangsgetränkt, auch wenn das Zwangsverabreichen von Nahrung ohne medizinische Begründung laut Tierschutzgesetz verboten ist. Bei diesem sog. Drenchen wird eine Schlundsonde (ein Plastikschlauch) in den Magen der Tiere geschoben. Mit dieser Technik werden jedoch der natürliche Schluckvorgang und die Ausbildung einer Rinne im Pansen (der größte der drei Vormägen) zum Transport der Milch umgangen und die Milch gelangt nicht direkt in den Labmagen, in dem eigentlich ihre erste Verdauung stattfindet. In Studien wurde gezeigt, dass sich durch das Drenchen nicht immer, wie gewünscht, der Gesundheitszustand der Kälber verbessern lässt. Im Gegenteil: Verschiedene Erkrankungen stehen sogar speziell mit der Zwangstränke in Verbindung (s. u.).

Andere Methoden der ersten Milchversorgung werden aber oft als zu zeit- und arbeitsaufwändig gesehen. Doch nehmen z. B. gerade Kälber, die bei ihrer Mutter bleiben dürfen, mehr Kolostrum auf, wobei eine bessere Aufnahme der Abwehrkörper aus der Milch durch die Bindung von Mutter und Kalb stimuliert wird.

Milchersatz für Kälber

Nach den ersten beiden Wochen wird in der Kälbermast statt der Milch ein Milchaustauscher aus Eimern mit Nuckeln oder Tränkeautomaten gefüttert (die Milch der Mutterkuh soll dem menschlichen Verzehr vorbehalten bleiben). Milchaustauscher sind hoch verarbeitete Erzeugnisse, die u. a. aus Nebenprodukten der Milchherstellung wie Magermilch- und Molkenpulver (zum Teil entmineralisiert und entzuckert) sowie pflanzlichen Inhaltsstoffen bestehen. Diese Futterumstellung der jungen Kälber ist eine zusätzliche Belastung.

Kalb trinkt aus Milcheimer
© Marcel Jancovic – Shutterstock

Am Lebensanfang ist der Vormagen der Kälber noch gering ausgebildet. Die getrunkene Milch wird im Labmagen und Dünndarm verdaut und muss dafür die noch kleinen und kaum funktionsfähigen Vormägen mittels Schlundrinnenreflex passieren. Erst mit zunehmendem Alter und richtigem Futter entwickelt sich das Kalb zu einem Wiederkäuer mit mehrhöhligem Magen. Diese Entwicklung wird bei »Mastkälbern« unterbunden, da die Tiere bis zur Schlachtung fast nur mit Milch oder Milchaustauschern ernährt werden. Schon seit langem ist jedoch bekannt, dass eine auf Flüssignahrung basierende Ernährung für Kälber nicht ausreichend ist. Erst mit der Aufnahme von Raufutter (z. B. Heu) entwickeln sich der Pansen und die Pansenzotten.

Eine frühe Versorgung mit rohfaserreichem Futter ist für Wiederkäuer auch aus weiteren Gründen essentiell: So werden etwa viele Kälber mit einem Eisenmangel geboren, der nicht sofort durch die Aufnahme von Milch ausgleichbar ist. Erhält das Kalb jedoch frühen Zugang zu Rau- und Kraftfutter kann es innerhalb der ersten Lebenswochen den Mangel ausgleichen. Eine Eisengabe vom Landwirt unter die Haut des Kalbes oder in das Futter ersetzt nicht die ausreichende Versorgung mit Raufutter. Zudem zeigen viele Kälber schon früh ein spielerisches Interesse für festes Futter wie Heu. Auch wenn den Tieren gesetzlich eine Mindestmenge an Rau- und Kraftfutter zusteht, reicht diese bei weitem nicht für eine wiederkäuergerechte Entwicklung aus.

Zurückdrängung der Grundbedürfnisse

Die mutterlose Aufzucht von Kälbern ist überwiegend wirtschaftlich begründet und hat negative Folgen für das einzelne Tier. Es leidet vermehrt unter Stress und kann schlechter mit seiner Umwelt umgehen.

a) Bewegungsfreiheit und Ruheverhalten

Sind die Kälberboxen zu klein, können sich die Tiere nicht ungestört ablegen und haben für die eigene Körperpflege keinen Platz. Gerade Kälber haben jedoch ein ausgesprochenes Bewegungsbedürfnis und wollen laufen und spielen. Besonders deutlich wird dieses Bedürfnis beim Eintreten des sog. »rebound effects«: Wurden Kälber über einen längeren Zeitraum in kleine Boxen eingesperrt und gibt man ihnen dann die Möglichkeit sich frei zu bewegen, zeigen sie deutlich mehr Bewegungslust. Waren die Tiere jedoch zu lange eingesperrt, können sie sich nicht mehr gut bewegen, da die Einschränkung der Fortbewegungsmöglichkeit zu einer mangelnden Knochen- und Muskelentwicklung führt.

Da Kälber zum Ruhen vornehmlich die Seitenlage mit ausgestreckten Beinen einnehmen, sollte ihnen die Liegefläche der Box dies ermöglichen und die individuell (oder rassebedingt) unterschiedlichen Größen der Kälber berücksichtigen, um sie nicht in zu kleinen Boxen unterzubringen. Wird dies nicht gewährleistet, kann der Stresslevel der Tiere ansteigen.

b) Sozialverhalten und Nahrungsaufnahme

Durch die künstliche mutterlose Fütterung aus Eimern oder Tränkeautomaten wird das Saugbedürfnis der Kälber nicht ausreichend befriedigt und der Saugreflex bleibt ungestillt. Würde das Kalb bei seiner Mutter bleiben, könnte es mehrmals am Tag (durchschnittlich sechs Mal) langsamer kleine Portionen Muttermilch trinken. In der Kälbermast wird jedoch nur zwei bis dreimal täglich eine große Menge Milchaustauscher angeboten, die dann von den Tieren hastig getrunken wird. Ein Vergleich der Saugzüge der Kälber, die bei ihrer Mutter trinken (6000 Sauzüge pro Tag), mit den Saugzügen von Kälbern, die zweimal täglich Eimertränkungen erhalten (300 Saugzüge pro Tag), zeigt das erhebliche Saugdefizit von Kälbern bei der mutterlosen Aufzucht. Verhaltensstörungen, die als Indikatoren für Leiden gesehen werden, sind die Folge (s. u.).

Einem Kalb muss neben der Milchtränke auch immer frisches Wasser zur freien Aufnahme zur Verfügung stehen. Gerade bei »Mastkälbern«, die fast kein Festfutter erhalten, wird auf eine qualitativ hochwertige Wasserversorgung häufig kaum Rücksicht genommen, da die Tiere hauptsächlich Flüssigfutter erhalten und so der Eindruck entsteht, dass die Tiere kaum Wasser aufnehmen wollen.

c) Körperpflege und Komfortverhalten

Mastkalb mit Gelenkentzündung
© ARIWA

Kälber sind wie erwachsene Rinder Weichbodenlieger und benötigen weiches, trockenes und sauberes Einstreumaterial. Gerade junge Kälber brauchen einen trockenen und wärmegedämmten Liegebereich. Die älteren Kälber werden aber meist auf harten Vollspaltenböden gehalten. Mit zunehmendem Gewicht nehmen so die Hautverletzungen an den Beinen sowie Gelenkschäden zu.

Werden die Tiere in Ställen gehalten, ist ein Aufrechterhalten des Tag-Nacht-Rhythmus wichtig für das Heranwachsen, Wohlbefinden, aber auch für eine altersgerechte Entwicklung des Verhaltens. Fehlen ausreichend große Fenster müssen als Ausgleich UV-Lampen für eine ausreichende Helligkeit sorgen. In dunklen Ställen gehaltene Tiere zeigen eine exzessive Angst und weisen Stereotypien auf (s. u.).

Körperliche Leiden und Schäden

Die Aufzucht von Kälbern in Deutschland ist mit hohen Sterblichkeitsraten verbunden. Viele typische »Kinderkrankheiten« der Rinder können unter den Bedingungen der Kälbermast lebensbedrohlich werden. Besonders schwer wiegt hierbei eine durch verschiedene Faktoren verursachte fehlende Fürsorge den Kälbern gegenüber sowie bewusst in Kauf genommene fehlende Entwicklungen bei den Tieren.

Eisenunterversorgung und Hemmung der Vormagenentwicklung

Als vorherrschendes Mastziel gilt in Ländern wie Deutschland, Frankreich, Italien und Holland die Erzeugung von möglichst hellem, als »Delikatesse« vermarktetem Kalbsfleisch. Da dies nur über eine Eisenunterversorgung und einer Hemmung der Vormagenentwicklung der Kälber erreicht werden kann, gehen damit viele gesundheitliche und psychische Schäden Hand in Hand.

Bei einer Unterversorgung mit Eisen leiden die Kälber an einer Eisenmangelanämie (Blutarmut durch gestörte Bildung des roten Blutfarbstoffes durch Eisenmangel), die sich in Lethargie (stark herabgesetzte Reaktionsfähigkeit, Neigung zu unaufhörlichem Schlaf), mangelnder Trinkwilligkeit, schlechtem Wachstum und einer hohen Anfälligkeit für Infektionskrankheiten äußert. Trotz der bekannten Nachteile einer Kälbermast ist der vorgeschriebene Eisengehalt in der Tierschutznutztier-Verordnung für Milchaustauscher nicht ausreichend. Die durchschnittlichen Hämoglobinwerte im Blut (roter Blutfarbstoff) sind ebenfalls zu niedrig angegeben.

Die Hemmung der Vormagenentwicklung wird durch eine Begrenzung des Raufutters erreicht, womit auch Verhaltensstörungen der Kälber in Kauf genommen werden. Dazu zählen orale Stereotypien, wie Schein-Wiederkäuen, Leerkauen, Zungenrollen und -spielen. Diese Verhaltensstörungen sind auch Anzeichen dafür, dass das Tier nicht mit den Haltungsbedingungen zurechtkommt und unter mangelnden Umweltreizen, fehlenden Sozialkontakten und räumlicher Enge leidet. Weitere gesundheitliche Folgen der nicht wiederkäuergerechten Fütterung sind Kreislaufstörungen und Muskelzittern.

Verhaltensstörungen und Erkrankungen durch mutterlose Haltung

Kalb beißt in Eisengatter
© Animal Equality

Bei einer mutterlosen Haltung ist das gegenseitige Besaugen von Kälbern, besonders an Nabel und Geschlechtsteilen, sowie das Besaugen von Einrichtungsgegenständen eine häufig vorkommende Verhaltensstörung, da das Saugbedürfnis der Tiere unbefriedigt bleibt. Durch intensives gegenseitiges Besaugen können Verdauungsstörungen auftreten, besonders wenn sich Bezoare (Haarballen) im Magen bilden oder Urin abgeschluckt wird. Bei einer Mutter- oder Ammenkuhhaltung zeigt sich diese Verhaltensstörung nicht (bei der Ammenkuhhaltung säugt eine Kuh vorwiegend mehrere Kälber, wodurch nicht nur ein Mutter-Kind-Bindung, sondern auch die tierartgemäße Entwicklung gewährleistet wird).

Mit dem Zwangstränken von neugeborenen Kälbern (Drenchen) gehen verschiedene Erkrankungen einher, da es hierbei zum erzwungenen Pansentrinken kommt (s. o.). Durch eine falsche Durchführung der Zwangstränke kann Flüssigkeit in die Lunge gelangen und eine Reizung und Kontamination mit Erregern und folglich eine Aspirationspneumonie verursachen. Dies ist eine starke Entzündung des Lungengewebes, die bei chronischem Bestehen zu Fieber, Husten, Abmagerung und Essunlust führen kann. Beim wiederholten Zwangstränken ist zudem eine Pansenacidose (Stoffwechselstörung mit Übersäuerung des Pansens) die Folge, die auch tödlich enden kann. Die Kälber verweigern die Tränke, blähen auf (Tympanie) und zeigen schmerzbedingte Verhaltensauffälligkeiten. Über längere Zeit werden die Tiere immer schwächer, magern ab und haben chronische Schmerzen.

Weitere häufige Erkrankungen

Zu den häufigsten Erkrankungen gehört der Kälberdurchfall, der für den Großteil der Kälberverluste verantwortlich ist. Vor allem in den ersten beiden Lebenswochen ist das Risiko für Durchfall hoch (Neonatale Diarrhoe). Die Kälber werden immer schwächer, dehydrieren und haben Bauchschmerzen. Sie können sogar einen Schock erleiden oder in eine Stoffwechselstörung (Übersäuerung des Körpers) gelangen. In schweren Verläufen werden die Neugeborenen apathisch oder sogar komatös.

Eine verminderte Krankheitsabwehr macht die jungen Tiere auch für die Kälbergrippe (Enzootische Bronchopneumonie) anfällig. Dieser Krankheitskomplex wird durch mehrere Erreger hervorgerufen und kann zu Fieber, Husten und Kümmern führen. Aber auch eine übermäßig hohe Besatzdichte steht im Zusammenhang mit dieser Erkrankung.

Weitere Erkrankungen bei Kälbern sind:

  • Nabelerkrankungen: v. a. Nabelbruch (Ausstülpung von Eingeweiden in einen von Haut geformten Bruchsack), Urachusfistel (nässender Bauchnabel) sowie entzündliche Nabelerkrankungen wie Abszesse.
  • Labmagengeschwüre: Ihr Vorkommen ist mit der unangemessenen Fütterung der Kälber assoziiert. Die Kälber leiden unter starken Schmerzen, die Geschwüre können bei einem schweren Verlauf sogar den Magen perforieren.
  • Erkrankungen des Verdauungstraktes durch eine hauptsächliche Flüssigernährung und unzureichender Versorgung mit Raufutter.
  • Beschwerden und Verhaltensstörungen durch unpassende Haltungsformen, wie mangelhafte Böden und Raumangebot.

Kälber mit (Infektions-)Krankheiten müssen mit Medikamenten (vor allem Antibiotika) behandelt werden. Insgesamt stellt die Haltung von Kälbern für die Mast eine andauernde, teils mit Schmerzen verbundene Überforderung der Jungtiere dar. Neben einem höheren Risiko für Erkrankungen, Verhaltensauffälligkeiten und Stereotypien, die sich schon früh äußern, entwickeln sich gerade durch das Fehlen des großen Vormagensystems viele weitere Schäden. Ein frühes Schlachten darf das Aufhalten der eigentlichen Entwicklung zum Wiederkäuer nicht rechtfertigen.

Schlachtung der Kälber

Die Kälber werden entweder nach einem Schnellmastverfahren (16 Wochen) oder einer verlängerten Kälbermast (20 – 26 Wochen) geschlachtet, nachdem sie auf ein Gewicht von ungefähr 240 kg gemästet wurden. Letzten Erhebungen aus dem Jahr 2018 zufolge, wurden etwa 4,4 Millionen Kälber in der EU geschlachtet. Allein in Deutschland beläuft sich die aktuelle Zahl der Schlachtungen auf etwa 323.000 Kälber (Stand 2019).
Haben die Jungtiere das entsprechende Gewicht erreicht, werden sie zum Schlachthof transportiert. Dabei wird auf die einzelnen Bedürfnisse der Tiere keine Rücksicht genommen. Ungeeignete Fahrzeuge und Fahrweisen, zu lange Transportzeiten, ein rauer und ungeduldiger Umgang, Überladung der Fahrzeuge und mangelnde Kontrollen sind beim Transport der jungen Tiere keine Ausnahmen. Bei langen Transporten ist zudem erst nach 9 Stunden Transport eine erste Ruhezeit vorgesehen. Unnötig verlängert wird die Transportzeit zum neuen Betrieb häufig durch kostengünstige Sammelfahrten vieler Kälber von verschiedenen Betrieben. Gerade ein Transport in warmen Sommermonaten mit Temperaturen von deutlich über 20 °C kann ein Ausbrechen von Panik unter den Tieren begünstigen. Der transportbedingte Stress erschwert den Umgang mit den Tieren und kann später zu einer schlechteren Betäubung und somit zu vermehrtem Tierleid führen.

Am Schlachtbetrieb angekommen, werden die Tiere abgeladen und in Wartebereichen untergebracht. Dabei muss jedes Tier einer Untersuchung unterzogen werden, die jedoch häufig nur ungenügend oder gar nicht durchgeführt wird, erst bei groben Verstößen wird eine Anzeigenerstattung in Betracht gezogen. Was den Wartebereich an sich betrifft, so ist hier ein ruhiger und geduldiger Umgang mit den Tieren essentiell, oft aber aufgrund von Zeitdruck nicht gegeben. Je nach Ankunftszeit und Schlachtbeginn werden die jungen Tiere nach unterschiedlichen Wartezeiten zu einem Betäubungsbereich getrieben.

Betäubung

Zum Betäuben kommt in Deutschland am häufigsten der Bolzenschuss zum Einsatz, aber auch eine Elektrobetäubung ist zugelassen. Durch den Bolzenschuss kommt es zu einer Gehirnerschütterung und zu Zerreißungen und Quetschungen des Schädels und Gehirns, wobei der Erfolg der Traumatisierung von der Position des Bolzenschussgerätes sowie von der Auftreffgeschwindigkeit des Projektils abhängig ist. Werden Kälber in Einrichtungen betäubt, die eigentlich für ausgewachsene Tiere konzipiert sind, haben sie eine deutlich größere Bewegungsfreiheit des Kopfes und ein sicheres Ansetzen des Bolzenschussgerätes ist erschwert.

Eine große Rolle bei der Betäubung spielen auch die Erfahrung, die Persönlichkeit und die Verfassung der betäubenden Schlachthofmitarbeiter. Personen, die für die Betäubung zuständig sind, können mit der Zeit abstumpfen, eine gewisse Gleichgültigkeit kann entstehen. Auch kann ein regelmäßiges Töten zu psychischen Störungen führen. Entstehen durch die Betäubung erhebliche Schmerzen für das Tier, ist sie nicht mehr als zweckmäßig anzusehen.

Bei der Elektrobetäubung wird elektrischer Strom durch das Gehirn geleitet, wodurch ein epileptiformer Anfall verursacht und Bewusstlosigkeit erreicht wird. Im Gegensatz zur Bolzenschussmethode ist diese Art der Betäubung ein reversibles Verfahren, was heißt, dass die Tiere – nicht ohne gewisse Schäden – nach einer bestimmten Zeit aus ihrer Bewusstlosigkeit erwachen können. Ein direktes Nachbetäuben müsste dann unbedingt durchgeführt werden. Um eine ausreichende Betäubung zu erhalten, ist das korrekte Ansetzen des Betäubungsgerätes und das Einhalten gewisser Betäubungszeiten essentiell. Werden die Kopfelektroden falsch positioniert, kann es durch den Strom zu einer Immobilisierung (Bewegungsunfähigkeit), nicht jedoch zu einer Bewusstlosigkeit kommen. Die Tiere erleiden bei vollem Bewusstsein große Schmerzen. Wird dies nicht erkannt oder wird aus Zeitgründen nicht nachbetäubt, wird das Tier bei vollem Bewusstsein mit einem Messerstich entblutet.

Entblutung

Die Entblutung muss laut der Tierschutz-Schlachtverordnung innerhalb von höchstens 60 Sekunden nach der Betäubung durch einen Bolzenschuss oder innerhalb von höchstens 10 bis 20 Sekunden nach der Elektrobetäubung geschehen. Dennoch werden die Höchstzeiten nicht immer eingehalten und die Tiere erlangen vorher wieder ihr Bewusstsein. Auch die fehlerhafte Ausführung des Stichs zur Entblutung kann, gerade wenn die Tiere wieder ihr Bewusstsein erlangen und eventuell Abwehrbewegungen zeigen, zu Schmerzen und Leiden der Tiere führen. Auch hier sind die Tiere wieder komplett abhängig von der Arbeitsweise, Zuverlässigkeit und den Fähigkeiten einzelner Mitarbeiter, die wiederum von der Erfahrung, aber auch von der Tagesform und dem herrschendem Zeitdruck (vor allem bei Akkordarbeit) abhängig sind.

Vermeidbarkeit und Forderungen

Um das Leid der Kälber möglichst gering zu halten, müssen zumindest die folgenden Änderungen eingeführt werden:

  • Generell muss in Deutschland ein Verbot der Produktion und des Verkaufs von hellem Kalbsfleisch durchgesetzt werden, da die »Mastkalb«-Haltung direkt mit Schmerzen, Leiden und Schäden für die Tiere verbunden ist. Auch ein Ausweichen auf Fleisch von Kälbern aus der Rosé-Mast ist abzulehnen.
  • Kälber müssen zudem bei ihrer Mutter verbleiben oder, wenn diese aus Krankheitsgründen oder Tod nicht für ihr eigenes Kalb sorgen kann, einer Ammenkuh zugeteilt werden.
  • Die erste Versorgung mit dem Kolostrum über Eimertränken oder Tränkeautomaten ist zwar in Gesetzestexten niedergeschrieben, jedoch fehlt eine Angabe der Mindestmenge. Um ein Kalb mit ausreichendem Schutz zu versorgen, sollte eine Aufnahme dieser Milch von mindestens drei Litern sichergestellt sein.
  • Das Drenchen (Zwangstränken) von Kälbern darf nicht aus Zeitmangel zur Routine werden. Es sollte nur dann durchgeführt werden, wenn es aus gesundheitlichen Gründen für einzelne Kälber wirklich notwendig ist.
  • Die Mindestwerte der Eisengehalte für die Milchaustauscher in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung müssen ebenso wie die Hämoglobinwerte im Blut deutlich angehoben werden. Auch sollte eine Versorgung mit Eisenpräparaten zur Versorgung der Kälber gehören.
  • Eine an das Alter angemessene Versorgung mit Nährstoffen und Beschäftigungsmaterialien muss gewährleistet sein. In dem Zusammenhang ist der freie Zugang zu Heu bester Qualität zu erwähnen. Eine Vormagenentwicklung darf nicht unterbunden werden, da sie essentiell für ein wiederkäuendes Tier ist.
  • Den Tieren muss deutlich mehr Platz und durchgehend ein ausreichend großer sauberer, eingestreuter Bereich (zum Beispiel Tiefstreu) zum Liegen zugestanden werden. Auf Spaltenboden ist zu verzichten. Folglich muss die Unterbringung von Kälbern eine Einteilung in verschiedene Funktionsbereiche (Ruhe-, Ess-, und Auslaufbereich) aufweisen, die auch Möglichkeiten zur Exploration und zu Sozialkontakten bietet.
  • Die Versorgung und Haltung eines Tieres darf insgesamt nicht so gestaltet sein, dass den Tieren die Möglichkeit zu einer durchschnittlichen Lebenserwartung eines Rindes genommen wird, auch wenn sie voraussichtlich getötet werden, bevor sie das Erwachsenenalter erreichen.
  • Das Ausmaß der Transporte, innerhalb von Deutschland, aber auch über die Landesgrenzen hinweg, muss deutlich eingeschränkt werden. Überdies sind gerade am Schlachthof vermehrt Kontrollen auf Tierwohl durchzuführen. Nicht nur bei gravierenden und sich wiederholenden Verstößen sollten Mahnungen, Strafen und Anzeigen erstellt, sondern jede Missachtung geahndet werden.

Was können Sie tun?

  • Essen Sie kein Kälberfleisch, wenn Sie nicht zu den oben beschriebenen Zuständen beitragen möchten. Leider ist auch das Ausweichen auf Produkte aus Biohaltung nicht automatisch eine gute Lösung, da auch hier die oben beschriebenen Problematiken nicht auszuschließen sind und zudem auch hier letztlich das ethische Problem des unnötigen Tötens bestehen bleibt.
  • Konsumieren Sie auch keine Milchprodukte, denn die meisten Kälber, die in die Mast gehen, sind sozusagen Abfallprodukte der Milchindustrie. Egal ob in konventionellen oder Bio-Betrieben, um Milch zu geben, müssen Kühe Mütter werden.
  • Sie suchen Informationen oder eine Einstiegshilfe zu einer tierfreundlicheren Ernährung? Dann schauen Sie doch mal bei unserer Vegan Taste Week vorbei und melden Sie sich zum kostenlosen Newsletter an.
  • Helfen Sie uns bei unserem Kampf gegen die schlimmsten Zustände in der Intensivtierhaltung.

Zahlenquellen

Die Zahl der Kälberschlachtungen beruht auf Angaben des Statistischen Bundesamtes.

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