Virtual Reality: Eindrücke von unserer iAnimal-Tour
Ende April: Regen und Temperaturen nahe am Gefrierpunkt machen die erste Woche unserer Tour zu einer Herausforderung. Nicht immer reichen unsere Schilder und Rucksackfahnen, um die Aufmerksamkeit der Passantinnen und Passanten zu erregen. Da hilft es erstaunlich gut, die Leute lautstark herbeizurufen. Offenbar finden einige Menschen unseren Einsatz unter diesen Bedingungen besonders anerkennenswert.
In Regensburg regnet es natürlich auch, als ein Mann zielstrebig auf uns zukommt. »Also ich muss euch jetzt mal was sagen«, setzt er im energischen Tonfall an. Wir erwarten ein schwieriges Gespräch. »Es ist großartig, dass ihr euch so für Tiere einsetzt, bitte macht weiter so!«
Wärme und Sonne erleichtern es uns in der zweiten Woche, die Menschen an unseren Stand zu holen und für die Teilnahme an der Vegan Taste Week zu gewinnen. Die Virtual-Reality-Brillen mit den 360°-Filmen des iAnimal-Projekts von Animal Equality sind natürlich im wahrsten Sinne ein Hingucker. Die Aufnahmen und Geräusche aus dem Alltag von Schweinen und Hühnern in Tierfabriken gehen unter die Haut. In fast allen Städten bekommen wir Besuch von der Presse und die Medien berichten vielfach über unsere Aktion, häufig bereits im Vorfeld. Das Münchner Lokalfernsehen kommt sogar mit einem Team vorbei und zeigt in seinem Bericht Ausschnitte aus den iAnimal-Filmen.
Mancherorts ist das Interesse an dem eindrücklichen Filmerlebnis so groß, dass sich lange Warteschlangen bilden. Nach fünf Stunden ununterbrochenem Einsatz der Brillen machen in München und Freiburg die Akkus schlapp.
Krasse Reaktionen
Das Betrachten der Filme schafft immer wieder eine gute Gesprächsgrundlage. Wir drängen dennoch die Leute nie dazu, sich die Filme aus den Tierhaltungsbetrieben anzusehen. Denn diejenigen, die es sich zutrauen, sind in der Regel schockiert. Zwei 16-jährige Mädchen wollen die Brillen ausprobieren, trotz unserer Warnungen vor den schrecklichen Bildern. Sie geben sich total abgebrüht, »alles schon im Internet gesehen«, man könne sie nicht schocken. Die erste setzt die Brille auf und nach einer Minute wieder ab. »Doch sehr krass«, sagt sie. Mehr kommt nicht mehr aus ihr heraus.
Eine Frau schluchzt und schüttelt sich. Sie greift nach der Hand einer unserer Mitarbeiterinnen, will den Film aber unbedingt weiter anschauen: »Ich muss das jetzt sehen. Ich darf nicht mehr die Augen davor verschließen.« Nach dem Video bleibt sie noch zu einem längeren Gespräch. Danach scheint sie mit dem guten Gefühl zu gehen, dass sie selbst etwas ändern kann.
Paare sehen sich die Filme oft gleichzeitig auf jeweils einer eigenen VR-Brille an. Man kann dann häufig beobachten, wie sie bei den gleichen Szenen zusammenzucken. Plötzlich schreit ein Mann bei einer grausamen Filmszene laut auf. Jetzt zucken die Umstehenden zusammen.
Unerwarteter Zuspruch
In Konstanz ist es schwierig für uns, einen Parkplatz zu bekommen. Wir finden nur einen Firmenparkplatz. Auf einem Zettel entdecken wir die Nummer des Hausmeisters und rufen an. Dieser ist begeistert von unserem Protest gegen die Massentierhaltung, wünscht uns viel Erfolg und erlaubt uns, unser Auto bis zum Abend dort zu parken. Die Stadt meint es offenbar gut mit uns. Eine Frau lobt überschwänglich unsere Arbeit und beglückt uns mit grünen Smoothies. »Eine kleine Unterstützung, die euch zusätzlich Kraft geben soll.« Das Café Voglhaus mag uns auch und wir dürfen kostenlos bei ihnen leckere vegane Gerichte mitnehmen.
Wir sind ziemlich überrascht, sogar einem Landwirt und Tierhalter gefällt unser Engagement: »Es muss sich ja wirklich etwas ändern. Ich verdiene jetzt zwar noch mein Geld damit. Aber ich drücke euch trotzdem die Daumen, dass ihr erfolgreich seid mit eurer Kampagne.«
Unterschiedliche Ansichten
Am Stand ist eine junge Frau verzweifelt: »Ich verstehe, dass auch für Milch und Eier Tiere leiden und sterben müssen. Aber ich schaffe es noch nicht komplett vegan. Das ist einfach zu krass für mich!« Wir beruhigen sie: »Machen Sie es doch einfach so krass, wie Sie können. Nehmen Sie öfter Pflanzenmilch oder backen Sie ohne Eier. Die Vegan Taste Week gibt Ihnen dazu die wichtigsten Tipps.«
Ein Mann hingegen beharrt darauf, dass der Mensch doch von Natur aus ein Raubtier sei. Seine drei kleinen Kinder stehen währenddessen an unserem Schweinemodell im Abferkelstand. Eines will dem Schwein zu essen geben, das zweite streichelt es, das dritte fragt den Papa, ob wir das Schwein nicht freilassen können.
Eine vegetarische Familie möchte unbedingt die Filme in ganzer Länge sehen. Sie wollen nie vergessen, warum sie kein Fleisch essen, und sich so darin bestärken, dass sie das Richtige tun.
In München will uns ein Schweinezüchter erklären, dass die Zähne der Ferkel abgeschliffen werden müssen. »Sonst entzünden sich die Zitzen der Sau und fallen ab.« Wir schaffen es, freundlich miteinander umzugehen. Er ist neugierig und möchte sich anschauen, was wir den Menschen zeigen. Er sieht sich das Video mit den Schweinen bis zum Ende an. Danach schweigt er kurz. »Finde ich gut, dass Sie den Menschen zeigen, wie es wirklich ist. Die Menschen müssen sehen, wo ihre Lebensmittel herkommen.«