Experiment: Veganer wird Christ, Pfarrer wird Veganer
Jon Camp von Vegan Outreach ist einer der effektivsten Aktivisten weltweit, und er ist immer auf der Suche nach Erfahrungen, um die Effektivität seines Einsatzes für die Tiere zu steigern. Dabei geht er in seiner Freizeit (also nicht als Repräsentant von Vegan Outreach) auch unkonventionelle Wege:
Die Sichtweise einer anderen Person einzunehmen kann eine lohnende Erfahrung sein, wenn es darum geht den eigenen Horizont zu erweitern. Deshalb startete Jon einen 30-tägigen Austausch mit seinem langjährigen Freund Sam McKee, einem christlichen Pfarrer aus Vancouver: Jon, der sich selbst als Agnostiker bezeichnet, beschäftigte sich 30 Tage mit christlicher Literatur, besuchte Bibelstunden und nahm an Gottesdiensten teil; im Gegenzug ernährte sich Sam 30 Tage vegan und las im Auftrag von Jon »Tiere essen« von Jonathan Safran Foer sowie andere Bücher und Broschüren zum Thema.
Was Jon besonders auffiel, war die Offenheit und Freundlichkeit aller Mitglieder der christlichen Gemeinde, die er besuchte. Außerdem war er von deren sozialem Engagement beeindruckt, mit dem die Mitglieder ihren Auffassungen Taten folgen ließen. Das wichtigste Fazit, das Jon aus seinen Erfahrungen zieht, ist, dass sich Tierschützer ein Beispiel an der Offenheit und Freundlichkeit der von ihm besuchten Gemeinden nehmen können: Tierrechtsaktivisten müssten lernen, eine Atmosphäre des Willkommenseins gegenüber der (massentierhaltungsfleisch-essenden) Öffentlichkeit zu erzeugen und sich als respektvoll und mitfühlend gegenüber anderen Menschen zu präsentieren. Dem gegenüber, so Jon, könnten Tierschützer Christen dabei unterstützen, sich dem Leiden der Tiere bewusster zu werden, denn viele seien sich zu wenig darüber im Klaren, wie viel Leid vor allem den sogenannten Nutztieren täglich angetan werde.
Pfarrer Sam berichtet, dass für ihn die Erfahrung wichtig war, sich mit der Leidensfähigkeit der Tiere auseinanderzusetzen, die, so Sam, sowohl in ethischer als auch moralischer Hinsicht unser Mitgefühl verdient haben. Er macht besonders auf die verbreitete Inkonsequenz aufmerksam, die dazu führt, dass Haustiere liebevoll behandelt werden, während die Rechte und Bedürfnisse von Nutztieren außer Acht gelassen werden. Als Christ glaube er daran, dass es die Bestimmung des Menschen sei, Liebe und Frieden zu verbreiten und er plädiert dafür, zu versuchen, diese Maxime den täglichen Ernährungsentscheidungen zugrunde zu legen.
Jon und Sam finden es wichtig, sich Gemeinsamkeiten bewusst machen und aufgeschlossen zu sein, von seinen Mitmenschen etwas zu lernen. Diese Grundeinstellung sollten wir uns alle zu Eigen machen, denn sie führt dazu, dass wir andere Menschen besser überzeugen können, sich tierfreundlich zu ernähren. Pfarrer Sam ist durch das Experiment zwar (noch?) nicht zum Veganer geworden, aber er ernährt sich immerhin vegetarisch. Jon, der nach wie vor nicht religiös ist, hat zusätzlich gelernt, noch effektiver mit Christen kommunizieren zu können, da so viel Zeit mit Christen verbracht und ihre Lehre studiert hat.
Wir hoffen, dass dieser Bericht viele Aktive inspirieren wird, noch offener auf andere Menschen zuzugehen – wir sind es den Tieren schuldig!
Übrigens: Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt ist weltanschaulich neutral.