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Massentierhaltung und Epidemien: Vogelgrippe

Seit mittlerweile mehreren Jahren grassiert die Vogelgrippe in Europa. Sie bedroht vor allem wilde und domestizierte Vögel, befällt aber inzwischen auch Säugetiere. Expert:innen warnen davor, dass die Krankheit auch zu einer ernsthaften Bedrohung für den Menschen werden könnte. Ihr Vormarsch steht dabei in Verbindung mit der globalen Massentierhaltung.

Was ist die Vogelgrippe?

Die Vogelgrippe (aviäre Influenza) wird durch Viren verursacht und vor allem durch Ausscheidungen zwischen Vögeln übertragen. Hochpathogene, also besonders schwer verlaufende, Formen werden als Geflügelpest oder auch HPAI bezeichnet.

Ausbrüche der Vogelgrippe waren viele Jahrzehnte regional oder zumindest saisonal begrenzte Erscheinungen. Weniger krankmachende Viren zirkulierten in Wildvogelbeständen, insbesondere bei Enten und Gänsen, ohne größere Verluste zu fordern. Im Laufe der Zeit wurden die Ausbrüche jedoch immer häufiger und schwerer, weil sich in der Massentierhaltung besonders gefährliche Varianten entwickeln konnten (siehe Massentierhaltung befeuert Epidemien).

Insbesondere für Hühnervögel (z. B. Hühner, Puten, Wachteln, Fasane) bedeutet eine Infektion mit der Geflügelpest meist innerhalb weniger Tage den Tod. Aber auch viele andere Vogelarten können mehr oder weniger schwer an der Vogelgrippe erkranken.

Werden Vogelgrippeviren – egal ob hoch- oder niedrigpathogen – bei Vögeln in menschlicher Obhut nachgewiesen, werden bislang meist alle Tiere getötet, um die Ausbreitung der Viren zu stoppen. Die »Keulung«, also die Vernichtung ganzer Tierbestände, erfolgt heutzutage meist durch Vergasung – ein oft qualvoller Tod.

Die Geflügelpest verschwindet nicht mehr

Im Winter 2016/17 kam es zum bis dahin größten Ausbruch der Seuche in Deutschland und Europa. Besonders krankheitserregende Viren, vor allem des Subtypus H5N8, breiteten sich rasant unter Wildvögeln und »Geflügel« aus. In der Folge wurden mehr als eine Million Vögel allein in der deutschen Landwirtschaft durch Menschen getötet.

Seit Oktober 2020 kursieren wieder vermehrt tödliche Vogelgrippeviren in Deutschland und Europa (insbesondere Varianten des Typus H5N1). Anders als zuvor erlosch das Infektionsgeschehen auch in den Sommermonaten nicht mehr vollständig.

Die Grippesaison 2021/22 bezeichnete das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) als »stärkste Geflügelpest-Epidemie überhaupt« in Deutschland und Europa. Bis Dezember 2022 wurden laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) rund 50 Millionen landwirtschaftlich genutzte Vögel in Europa »gekeult«. Im Jahr 2023 sind noch einmal rund 3,5 Millionen Vögel dazugekommen. Unter Wildvögeln kommt es seit Beginn des Ausbruchs immer wieder zu Massensterben.

In 2022 erreichten die in Europa kursierenden Geflügelpest-Viren zudem auch den amerikanischen Kontinent. In den USA wurden bis Ende 2023 79,7 Millionen landwirtschaftlich genutzte Vögel aufgrund der Geflügelpest getötet. In der Folge breiteten sich die Viren auch in Südamerika aus und wurden im Oktober 2023 erstmals bei Wildvögeln in der Antarktis nachgewiesen. Nur Australien und Neuseeland blieben bisher verschont.

Weltweit wurden laut der Welttiergesundheitsorganisation (WOAH, ehemals OIE) zwischen Oktober 2021 und Ende 2022 mehr als 140 Millionen landwirtschaftlich genutzte Vögel getötet.

Massentierhaltung befeuert Epidemien

Die Medien stellen die Geflügelpest oft als Bedrohung für die globale Tierindustrie dar. Vogelfleisch und Eier werden auch aufgrund der Geflügelpest inzwischen knapper und teurer.

Zahlreiche Untersuchungen belegen jedoch, dass die intensive Tierhaltung eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Verbreitung gefährlicher Krankheiten spielt – sowohl für Bakterien als auch für Viren. So sind die Vögel in Mast- und Legebetrieben genetisch gleichförmig und durch die schlechten Haltungs- sowie Zuchtbedingungen gestresst und geschwächt. Das macht sie anfällig für Infektionen. In den riesigen Tierbeständen können sich Keime zudem sehr schnell ausbreiten, mutieren und sogar genetische Eigenschaften untereinander kombinieren. Dadurch steigt auch die Wahrscheinlichkeit für gefährliche Varianten.

Eine UN-Task-Force zum Thema Vogelgrippe, der unter anderem das britische Royal Veterinary College, die Welttiergesundheitsorganisation (WOAH), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Welternährungsorganisation (FAO) angehören, nennt die landwirtschaftliche Vogelhaltung als Ursprung der aktuellen Geflügelpest. In einem Artikel auf der Website der EU-Kommission heißt es dazu, »die Variante, die die derzeitige Welle von Ausbrüchen ausgelöst hat – A(H5N1) – entstand 1996 in China als Folge der raschen Expansion des kommerziellen Enten- und Geflügelsektors. Sie griff dann auf Wildvögel über.«

Eine Studie aus dem Jahr 2023, die ebenfalls den Ursprung der Pandemie in der Massentierhaltung sieht, gibt zudem an, dass landwirtschaftlich genutzte Vögel 70 % der weltweiten Biomasse der Vögel ausmachen. Es verwundert daher nicht, dass die Massentierhaltung nicht nur Ursache für die Geflügelpest ist, sondern auch erheblich zu deren Verbreitung beiträgt.

Zwar können die neuen, gefährlicheren Varianten den Weg in wilde Vogelpopulationen finden. Im asiatischen Raum werden zum Beispiel große Gruppen von Enten auf Freilandflächen gehalten, wo sie wild lebende Vögel anstecken können. Diese können die Viren zum Teil über mehrere Tage und damit weite Strecken weitertragen, bevor sie Symptome zeigen und sterben.

Aber: Der globale Handel mit Tieren und Tierprodukten sowie kontaminierte Personen, Gegenstände, Streu und Futtermittel aus betroffenen Betrieben sind ebenfalls ein bedeutender Faktor für die Verbreitung der Geflügelpest. So kam das Forschungsprojekt DELTA-FLU der EU, das das FLI koordiniert hat, 2023 unter anderem zu dem Ergebnis, dass menschliche Aktivitäten oftmals die Ursache für neue Ausbrüche sind. Die EFSA dokumentierte dazu passend, dass zwischen dem 16. März und dem 10. Juni 2022 86 % der Ausbrüche in Europa »sekundär auf die Ausbreitung des HPAI-Virus zwischen den Betrieben zurückzuführen waren«. Auch die französische Behörde ANSES, zuständig für für Lebensmittelsicherheit, Umweltschutz und Arbeitsschutz, erklärt, dass große Geflügelpestausbrüche in Frankreich ihren Ursprung in Übertragungen zwischen Enten- und Gänsemastbetrieben nahmen.

Leid und Tod für Vögel

Wildvögel sind in historischem Umfang von der Geflügelpest betroffen. Immer wieder kam und kommt es zu Ausbrüchen, zum Beispiel bei Küstenvögeln wie Seeschwalben, Möwen, Kormoranen und Basstölpeln in Norddeutschland und Nordeuropa. Das Friedrich-Loeffler-Institut spricht von »existenziell bedrohlichen Populationseinbrüchen«. Auch aus anderen Teilen der Welt werden Massensterben gemeldet, zum Beispiel aus einem ungarischen Nationalpark, wo im November 2023 zwischen 10.000 und 20.000 Kraniche auf ihrem Weg in die Winterquartiere starben. Auch auf den Galapagosinseln ist das Virus angekommen. In Amerika sind die letzten paar hundert Exemplare des Kalifornischen Kondors bedroht.

Vögel in menschlicher Obhut müssen hierzulande oft über Wochen präventiv im Stall bleiben, wenn es einen Fall in der Region gibt. Und sobald auch nur der Verdacht auf Vogelgrippe in einem Betrieb besteht, kann der gesamte Bestand – meist viele Tausend Tiere – vorzeitig getötet werden. Dass es auch anders geht, zeigt der Fall des Berliner Zoos, der im Winter 2022/23 die Tötung von 1.200 Vögeln im Bestand durch intensive Testungen und strenge Hygienemaßnahmen verhindern konnte.

Sind Impfungen die Lösung?

Impfungen oder andere, mildere Mittel als die Keulung waren lange kaum vorgesehen, teils sogar verboten. Erst im März 2023 hat die EU den Weg für Impfungen und den Handel mit geimpften Vögeln sowie Produkten von geimpften Vögeln frei gemacht. Seit Ende 2023 werden in den Niederlanden »Legehennen« geimpft. Auch in Frankreich wird seitdem geimpft – um die Stopfleberproduktion zu schützen.

Einige Länder verweigern die Einfuhr des Fleischs geimpfter Tiere, da sich geimpfte nicht leicht von infizierten Tieren unterscheiden lassen und sie das Virus trotz Impfung weitertragen könnten. Es ist jedoch möglich, den Impfstoff auf molekularer Ebene zu markieren (DIVA-Prinzip).

Es gibt auch Versuche, Hühner mittels Genom-Editing gegen Vogelgrippeviren immun(er) zu machen. Allerdings sind Lebensmittel, auch von »Nutztieren«, die so produziert wurden, in der EU streng reglementiert und müssen gekennzeichnet werden.

Gefahr für Menschen und andere Säugetiere

Immer wieder gibt es Fälle, bei denen Vogelgrippeviren auch Säugetiere befallen – neben Meeressäugern wie Ottern, Robben und sogar Kleinwalen starben bereits Katzen, Bären, Waschbären und Füchse an der Vogelgrippe. Die Übertragung von Säugetier zu Säugetier galt lange als unwahrscheinlich. Ein Massensterben unter Nerzen in einer spanischen Pelzfarm im Oktober 2022 deutet jedoch darauf hin, dass eine Variante des H5N1-Virus diesen evolutionären Schritt bereits geschafft haben könnte.

Auch Menschen infizieren sich gelegentlich mit Vogelgrippeviren. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verzeichnet seit 2003 weltweit insgesamt mehr als 2.600 Fälle, besonders in der Region West-Pazifik. Im Jahr 2022 wurde allerdings auch je ein Fall in Großbritannien und den USA bekannt. Mit dem verstärkten Auftreten der Viren unter Vögeln steigt auch das Risiko einer Ansteckung für Menschen. Betroffen sind meist Personen, die eng mit landwirtschaftlich gehaltenen Vögeln arbeiten. Manche Infektionen beim Menschen verlaufen dabei ohne Symptome. Von den mehr als 2.600 jemals gemeldeten Fällen weltweit endeten jedoch 42 % tödlich. Gefährlich sind dabei vor allem die Subtypen H5N1, H5N6 und H7N9.

Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Es wäre jedoch leichtsinnig davon auszugehen, dass sich Vogelgrippeviren niemals zu einer Epidemie unter Menschen entwickeln könnten. Das neuartige Coronavirus hat gezeigt, wie schnell es gehen kann. Vogelgrippeviren verändern sich stetig und dass H5N1 immer mehr Säugetierarten infizieren kann, beunruhigt Forschende.

Eine besondere Rolle spielt in dieser Frage die landwirtschaftliche Haltung von Schweinen. Diese können nämlich sowohl Vogelgrippeviren als auch Grippeviren, die Menschen infizieren können, tragen. Da Grippeviren Gene untereinander tauschen können, könnten so gefährliche Viren entstehen, die von Mensch zu Mensch übertragbar sind. Auf diese Weise entstand zum Beispiel die Schweinegrippe-Epidemie von 2009. Auch Nerze könnten als »mixing vessel« (»Mischbehälter«) für Grippeviren fungieren, so die WOAH.

Die Welternährungsorganisation (FAO), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Welttiergesundheitsorganisation (WOAH) fordern in einem gemeinsamen Statement, das Risiko für Menschen ernst zu nehmen und empfehlen Impfungen von »Geflügel«.

An Vogelgrippe-Impfstoffen für Menschen wird bereits gearbeitet. Jedoch haben die Häufigkeit von Ausbrüchen neuer Infektionskrankheiten und das Risiko für Zoonosen im 21. Jahrhundert insgesamt zugenommen. Die Ursachenbekämpfung, sprich die Abschaffung der Massentierhaltung, wäre daher wirkungsvoller.

Impfungen und Agrarwende gegen die Bedrohung

Wir finden es sehr problematisch, dass zur Bekämpfung der Geflügelpest immer noch massenhaft Tiere einfach getötet werden. Impfungen zur Prävention sind ein deutlich humaneres Mittel, das auch die WHO und andere als Ergänzung zu weiteren Biosicherheitsmaßnahmen empfehlen.

Um auch die Risiken für andere Vögel, Tiere und Menschen zu minimieren, muss jedoch die landwirtschaftliche Vogelhaltung reformiert werden – getreu dem One-Health-Ansatz, bei dem die menschliche Gesundheit, die Tiergesundheit und die Gesundheit der Umwelt zusammen betrachtet und geschützt werden. Für die »Geflügel«-Industrie bedeutet das vor allem: geringere Besatzdichten, kleinere Tiergruppen, die Konzentration von Geflügelindustrie in bestimmten Regionen verringern und vor allem gesündere Züchtungen. Diese Forderungen werden ganz oder teilweise zum Beispiel von der UN-Task-Force, der EFSA und ANSES unterstützt. Die Tierschutzorganisation Compassion in World Farming hat dazu zahlreiche Quellen gesammelt. Die drängendsten dieser Veränderungen für die Hühnermast unterstützen wir mit der Europäischen Masthuhn-Initiative.

Darüber hinaus muss auch die Schweinehaltung als zukünftiger Ursprung von Grippeepidemien im Blick behalten werden. Auch hier empfiehlt es sich, die oben genannten Veränderungen umzusetzen. Eine tiergerechtere Haltung mit weniger und gesünderen Tieren entzieht nicht nur der Geflügelpest und anderen Krankheiten den Nährboden. Sie hilft auch dabei, den Antibiotikaeinsatz zu reduzieren und damit die Gefahr antibiotikaresistenter Keime. Zudem böte eine nachhaltige Landwirtschaft die Chance, die Artenvielfalt zu fördern und die Klimakrise einzudämmen. Je gesünder die Umwelt, desto schwerer haben es wiederum Viren, sich auszubreiten und neue gefährliche Varianten zu entwickeln. Das legen auch Berichte des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) und der IUCN nahe. Um die Massentierhaltung zurückzufahren, muss aber auch der Konsum von Tierprodukten deutlich zurückgehen.

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