Antoine F. Goetschel – Vorstellung
Wer die gesetzlichen Bestimmungen für zu lasch, für zu schwach hält, hat sich mit der Frage zu befassen, wie diese verschärft werden können; stets im Bewusstsein, dass hierfür in einem demokratischen Staat eine wie auch immer geartete Mehrheit gefunden werden muss. Eine Mehrheit etwa für ein Verbot des Fleischverzehrs in Deutschland zu finden und damit ein gesetzliches Verbot zu erwirken, halte ich aus juristischer Sicht für schwierig. Wogegen ich für mich selber entschieden habe, etwa für die »Würde des Tieres« auf Grundgesetz- und Gesetzesstufe einzustehen und durch den Grundsatz und deren nähere Ausgestaltung ein klein wenig zur Linderung des Loses zahlloser Tiere beitragen möchte. Damit soll das Tier stärker als bisher geschützt werden, nämlich nicht bloß in seinem Interesse an Freiheit von Schmerzen, Leiden, Schäden und Ängsten, sondern auch in seinem Eigenwert, in seinem Anspruch, so zu sein, wie es ist: nicht nach irgendwelchen Vorstellungen des Menschen verstümmelt, überzüchtet, verunstaltet, sondern in seinem Anliegen geschützt, Tier zu sein und zu bleiben, wie es ist. Kein Wunder also, dass als Folge dieses »Würde-Schutzes«, ähnlich wie gegenüber Kindern, der sexuelle Umgang mit Tieren neuerdings zumindest in der Schweiz unter Strafe gestellt worden ist.
Wenn gesetzliche Bestimmungen von der Ordnungswidrigkeitsbehörde, von der Staatsanwaltschaft oder von den Veterinärbehörden auf angemessen formulierte, gründlich dokumentierte und inhaltlich berechtigte Anzeigen hin nicht durchgesetzt werden, na dann gehört den Tieren eine eigene Stimme im Verfahren gegenüber dem - für den Tierschutzverstoss zumeist verantwortlichen - Tierhalter zugesprochen. So hatten Tiere im Kanton Zürich während fast zwanzig Jahren einen »Tieranwalt« in Strafverfahren wegen Tierquälerei. Und in deutschen Verwaltungsverfahren versuchen Tierschutzorganisationen gewisse Mitwirkungsrechte durchzusetzen. Selbst wenn sie erreicht wären: Weder ein Tieranwalt noch eine Tierschutzorganisation kann zaubern und bei Verfahren etwa, innerhalb welcher das Tierleid, der Vorsatz oder ein Gesetzesverstoss nicht niet- und nagelfest bewiesen werden kann, ein Obsiegen für das Tier erzwingen. Immerhin jedoch wäre damit die »Waffengleichheit«, das rechtsstaatlich gebotene Einstehen für Schwächere und die angemessene Berücksichtigung in staatlichen Verfahren eingebracht.
Die zweite Hürde, sobald Klarheit über den Inhalt, läge in der Mehrheitsfähigkeit solcher Anliegen, welche in einem Land wie Deutschland mit einem hohen Fleischkonsum wohl noch lange auf sich warten ließe und sich gegenüber dem Grundrechtsanspruch der Fleischesser auf grundsätzlich freie Nahrungsmittelwahl erst noch durchsetzen müsste. So intensiv auch die Diskussion um die »Rechte für Tiere« geführt wird, meiner Auffassung nach darf sie nicht derart Kräfte binden, dass pragmatische Fortschritte im eigentlich rechtlichen Tierschutz aus den Augen verloren werden. Die Forderung etwa nach ausgesuchten und staatlich eingesetzten Tieranwältinnen und Tieranwälten in Deutschland, welche auf der Ebene der Bundesländer oder bundesweit die Tiere in Strafverfahren gegenüber Tierquälern vertreten und durchsetzen könnten, halte ich dem gegenüber für realisierbar und, wie sich im Kanton Zürich gezeigt hat, für durchaus effizient und dem Tier und der Öffentlichkeit dienend.
Klar können wir als einzelne recht viel erreichen, um dem Tier eine bessere Position zu verschaffen, etwa indem wir uns für schlecht gehaltene Tiere einsetzen, Verstöße gegen das Tierschutzrecht melden, unseren Einfluss in Restaurants und Geschäften geltend machen und Verbündete gewinnen. Nützlich dürften in jedem Falle umsichtige, viel erprobte Argumente und Hinweise sein, wie sie unter anderem im besagten Buch »Tiere klagen an« nach den Seiten 227 zu finden sind.
»Besser ist besser als schlechter« - weshalb jeder Vorstoß nützt; viel Erfolg hierzu wünschend,
Ihr
Antoine F. Goetschel
Webseiten von Antoine F. Goetschel
Literatur von Antoine F. Goetschel
- Antoine F. Goetschel: Tiere klagen an
- Bolliger, Goetschel, Richner, Spring: Tier im Recht transparent
- Goetschel, Würde der Kreatur als Rechtsbegriff und rechtspolitische Postulate daraus, in Martin Liechti (Hrsg.), Die Würde des Tieres